Für die Gewerkschaften ist klar: Einen Sozialabbau werden sie nicht akzeptieren. Kurz vor der Bundestagswahl hat der DGB klare Vorstellungen von der zukünftigen Politik.
Ob die nächste Regierung eine schwarz-rote oder eine schwarz-grüne ist? Darauf möchte Yasmin Fahimi nicht antworten. Doch die DGB-Chefin stellt am Montag in Berlin klar: Die Gewerkschaften erwarten, dass der Sozialstaat auch in Zukunft erhalten bleibt – egal, wer ins Kanzleramt einzieht. "Wir brauchen Parteien, die für einen krisenfesten Sozialstaat sorgen", sagt Fahimi.
Der DGB hat an diesem Vormittag ins Hans-Böckler-Haus, die Zentrale, geladen, um auf das gerade begonnene Jahr zu blicken. Und die wirtschaftliche Situation bereitet auch den Gewerkschaften Sorge. "Eine toxische Mischung aus Managementfehlern, Konjunkturschwäche und strukturellen Defiziten hat bereits viele gute Arbeitsplätze gekostet, und andere geraten zunehmend unter Druck", so Fahimi.
Fakt ist: Die Arbeitslosenzahl nähert sich trotz Fachkräftemangel wieder der Drei-Millionen-Marke, auch in diesem Jahr dürfte die deutsche Volkswirtschaft ein Nullwachstum hinlegen. Damit taumelt das Land weiter zwischen Rezession und Stagnation.
Gewerkschaften gegen Steuersenkungen
Doch was hilft dagegen? Die Gewerkschaften meinen: Es ist nicht die Angebotsseite, die Probleme bereitet. Pauschale Steuersenkungen helfen also nicht. "Es gibt auch viele Unternehmen, die Rekordgewinne vermelden. Die brauchen keine Steuergeschenke", sagt Fahimi. Denkbar sei hingegen eine Art Steuerbonus für investierende Unternehmen. So klingt es auch bei SPD und Grünen.
Vor allem aber setzen die DGB-Gewerkschaften auf einen Mix aus Reform der Schuldenbremse, einer Investitionsoffensive und der Stärkung des Sozialstaats. Beispiel Rente: Hier fordern die Arbeitnehmervertreter ein Rentenniveau von 50 Prozent, aktuell sind es 48 Prozent. Oder das Thema Staatsverschuldung: Fahimi warnt, in der aktuellen wirtschaftlichen Lage weiter zu sparen. Es gebe eine "ideologische Überhöhung der Schuldenbremse", die sei aber "kein Teil der deutschen Staatsräson".
Auch viele Ökonomen – von arbeitgebernah bis eher gewerkschaftlich orientiert – finden, dass es an der Zeit wäre für massive staatliche Investitionen, allein um die Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen. "Fehlende Investitionen von heute sind die Schulden von morgen zu Wucherzins", sagt Fahimi.
Geht es nach den Gewerkschaften, muss die Politik auch das Thema Tarifbindung angehen. "Heute arbeiten nur noch knapp 50 Prozent der Beschäftigten unter dem Schutz von Tarifverträgen", sagt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. In den 90er-Jahren lag dieser Wert noch bei 80 Prozent. Auch beim Thema Mindestlohn erwartet der DGB Bewegung: 15 Euro seien angemessen, die Gewerkschaften orientieren sich dabei am Wert von 60 Prozent des Medianeinkommens. So steht es auch in der EU-Mindestlohnrichtlinie.
DGB-Chefin "entsetzt" über FDP
Was die Gewerkschaften fordern, ist nicht überraschend. Es deckt sich mit jahrelang vertretenen Positionen. Die Frage ist nur: Welche Koalition soll die Wünsche der Arbeitnehmer umsetzen? Es ist klar, dass SPD und Grüne dem DGB deutlich näher stehen als die Unionsparteien oder die FDP. Über deren Inhalte und Politikstil zeigt sich Fahimi am Montag sogar "entsetzt".
Realistisch ist nach dem 23. Februar eine unionsgeführte Bundesregierung. Doch die wird kaum neue Steuern für "Superreiche", große Erbschaften und Kapitaleinkünfte einführen, wie es die Gewerkschaften gerne hätten. Immerhin: Kürzlich war CDU-Chef Friedrich Merz bei den DGB-Gewerkschaften zu Gast. Er sei länger geblieben, als eigentlich geplant, sagt Fahimi. Das zweistündige Gespräch sei von Offenheit und Interesse geprägt gewesen.
Gut möglich, dass es die Gewerkschaften bald öfter mit Merz zu tun bekommen.
Verwendete Quellen
- Pressekonferenz des DGB in Berlin
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