Der Angriff Russlands auf die Ukraine ändert die militärischen Verteidigungsszenarien für die Bundeswehr. Für Brigadegeneral Alexander Krone, Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte, ist die Bündnisverteidigung nun "ganz klar der Schwerpunkt".
Der neue Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte (KSK) trimmt den Eliteverband der Bundeswehr für besondere Aufgaben zur Verteidigung im Nato-Bündnis. "Das ist für den gesamten Verband jetzt ganz klar der Schwerpunkt", sagt Brigadegeneral Alexander Krone der Deutschen Presse-Agentur.
Weiterhin ist das KSK aber darauf vorbereitet, Deutsche aus Kriegs- oder Krisengebieten zu retten und Verschleppte notfalls auch gegen Widerstand am Boden freizukämpfen. "Das Befreien deutscher Staatsbürger stellen wir dabei mit einer Gruppierung, wenn gefordert, jederzeit weiter sicher", sagt Krone dazu.
Ein Aufgabenfeld ist die KSK-Reserve
Der mehr als 1.500 Männer und Frauen zählende Verband nimmt für geänderte Anforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung nun auch eigene Strukturen in den Blick. Ein Aufgabenfeld ist dabei die KSK-Reserve.
"Wir müssen die Reserve immer mitdenken, weil Kriege länger dauern könnten, wie wir an den aktuellen Beispielen sehen. Wir werden die Ausbildung fortsetzen müssen und brauchen weiter Nachwuchs für die Einheiten. Reserve ist immer eine Kombination: Wie bekomme ich neues Personal, und wie reaktiviere ich bereits bekannte Soldaten? Und kann ich diese schnell erreichen?"
Zudem werden in dem Verband, der seine Heimatkaserne in Calw in Baden-Württemberg und damit im Südwesten Deutschlands hat, seit geraumer Zeit auch Vor- und Nachteile eines zweiten Standortes abgewogen, beispielsweise im Osten Deutschlands. Eine Entscheidung kann aber nur aus der politischen und militärischen Führung kommen.
Die Zeit der großen Auslandseinsätze ist auf absehbare Zeit vorbei
Lange Zeit standen Stabilisierungseinsätze wie in Afghanistan und in Mali oder Ausbildungsmissionen wie im Irak für die Bundeswehr im Zentrum. Das KSK war bei besonders gefährlichen Aufträgen dabei, setzte Zielpersonen fest und bildete Partnerspezialkräfte im Ausland aus.
In der gänzlich veränderten Sicherheitslage nach dem russischen Großangriff auf die Ukraine geht es nun darum, sogenannte Hochwertziele von strategischer oder operativer Bedeutung bekämpfen zu können - auch in der Tiefe gegnerischen Gebietes - und Schlüsselinformationen für die strategische und operative Führungsebene zu gewinnen.
Ein Ziel ist ein klarer regionaler Fokus in der Bündnisverteidigung
"Wir haben jetzt den Auftrag, das ganze KSK für Nato- und Bündnisverpflichtungen vorzusehen; in mehreren Gruppierungen, in abgestufter Verfügbarkeit und teilweise auch eingebunden in die regionale Zuordnung durch die Nato", sagt Krone, der sich am Rande einer Gedenkveranstaltung des Heeres auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz äußert.
Ähnlich wie im Kalten Krieg wird die Nato einzelnen Kräften wie auch dem KSK feste Gebiete zuweisen. Sie sollen sich so intensiver als zuvor und in Übungen mit internationalen Partnern auf eine bestimmte Region wie die Nato-Ostflanke vorbereiten.
Operationen in der Tiefe gegen "Hochwertziele"
Dabei haben die Spezialkräfte zwei Aufträge, die nach den Worten Krones aufeinander aufbauen können. "Das eine ist der Beitrag zum Lagebild im Bereich der strategischen Aufklärung. Dies erfolgt im Schulterschuss mit unseren Partnern aus den anderen Nationen", sagt der General. Und dann: "Basierend auf diesen Ergebnissen, entweder unmittelbar oder indirekt - weil zum Beispiel eigene weitreichende Mittel diese Ergebnisse nutzen - wirken wir gegen Hochwertziele eines möglichen Gegners."
Diese Aufgaben, darunter Kommando-Operationen in der Tiefe des gegnerischen Gebietes, standen immer in der Auftragsbeschreibung des KSK, wurden aber nicht offensiv nach vorn gestellt und schienen in der Zeit der Annäherung mit Russland auch wenig realistisch. Nun kommen die Szenarien auf den Tisch, bei denen Spezialkräfte Ziele markieren und Angriffe einweisen oder Ziele bekämpfen. Im Sommer wurde dies in Alaska beim Manöver Arctic Defender 2024 geübt.
"Das ist auch eine Unterstützung von Luftstreitkräften, für die hochleistungsfähige Flugabwehrsysteme eine große Bedrohung sind. Das gilt zum Beispiel auch für Radaranlagen, die Flugabwehr unterstützen", sagt Krone dazu. "Wenn Luftstreitkräfte effektiv unterstützt werden, können diese wiederum später auch gut gegen hochwertige Ziele vorgehen. Das können beispielsweise gegnerische Führungseinrichtungen sein." Darüber hinaus helfe dies der Luftwaffe und Landstreitkräften, gegen besondere, weitreichende Waffensysteme des Gegners vorzugehen, die die eigene Truppe bedrohen.
Ein möglicher Gegner soll deutlich geschwächt werden
Dabei änderten sich auch die Rollen. Während bisher Spezialkräfte vor allem von anderen Soldaten unterstützt wurden, um Einsätze zu ermöglichen, sind es in den geänderten Szenarien vielfach die Spezialkräfte, die einen unterstützenden Effekt leisten und einen Feind vorab schwächen.
Krone sagt: "Die eigenen Kräfte sollen auf einen Gegner treffen, dessen Möglichkeiten schon deutlich eingeschränkt sind, weil er vielleicht nicht mehr so führungsfähig ist, weil er vielleicht nicht mehr so viel sieht, weil er vielleicht nicht mehr so eine gute Luftunterstützung hat. Das sind Aufgaben der Spezialkräfte. Das ist jetzt nicht völlig neu, stand aber in den letzten Jahren eher im Hintergrund."
Nun aber rüstet Russland stark auf und nutzt - so erklärte es das Spitzenpersonal der deutschen Geheimdienste erst im Oktober im Bundestag - schon jetzt verstärkt hybride und verdeckte Maßnahmen gegen westliche Demokratien. Welche Rolle Spezialkräfte der Bundeswehr in einem Fall großangelegter Angriffen oder Sabotageakte innerhalb Deutschlands haben könnten, wird öffentlich nicht diskutiert.
Auch neue Technologien, vor allem den Einsatz von Drohnen und anderen unbemannten Systemen, verändern das Gefechtsfeld. Das KSK bildet ukrainische Spezialkräfte aus, lernt aber auch von ihnen. Krone sagt: "Die Ausbildung von Ukrainern ist keine Einbahnstraße. Wir haben hohen Respekt vor dem, was die machen, sie sind kriegserfahren, wir nehmen auch selbst inhaltlich immer etwas mit." (dpa/bearbeitet von jum)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.