Während in Ländern wie den USA die Corona-Pandemie weiter um sich greift, ist die Lage in Deutschland deutlich entspannter. Kanzleramtschef Braun weckt Hoffnungen etwa mit Blick auf größere Veranstaltungen - doch darauf folgt prompt Kritik.
Kanzleramtschef
"Derzeit kann man sagen: Wir haben Corona in Deutschland im Griff", sagte der CDU-Politiker der "Bild am Sonntag". "Aber das ist eine Momentaufnahme – das Virus ist nach wie vor im Land, es kann immer wieder zu Ausbrüchen kommen."
Ärztepräsident Klaus Reinhardt mahnte Urlauber wegen des Risikos einer zweiten Corona-Welle in Deutschland zu besonderer Vorsicht.
Braun: Fan-Rückkehr in die Stadien möglich
Braun sagte, dass Veranstaltungen mit gutem Hygienekonzept und Abstand zwischen den Besuchern "auch mit einer größeren Zahl an Zuschauern" stattfinden könnten - besonders in der Kultur. Braun hält auch eine Rückkehr der Fans in die Fußball-Stadien für möglich.
Zugleich warb er für die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und beim Einkaufen. Erst wenn ein Impfstoff gegen das Coronavirus da ist, werde man zum Normalzustand zurückkehren können. "Ich bin optimistisch, dass wir Anfang des Jahres einen sicheren Impfstoff haben. Aber versprechen kann das niemand."
Der SPD-Gesundheitsexperte
Die Bundesländer haben derzeit verschiedene Regeln, bis zu welcher Größe und unter welchen Bedingungen Veranstaltungen stattfinden dürfen. Großveranstaltungen wie Volks- und Straßenfeste oder Kirmesveranstaltungen, bei denen die Einhaltung von Hygieneregeln nicht möglich ist, sollen nach einem Beschluss von Bund und Ländern von Mitte Juni noch bis mindestens Ende Oktober verboten sein.
Weltweit über 600.000 Tote durch Corona
Braun warnte, der Blick in die USA oder nach Brasilien zeige: "Wenn man nicht sehr aufpasst, ist das Gesundheitssystem überfordert - mit schrecklichen Folgen". Seit Beginn der Corona-Pandemie sind US-Wissenschaftlern zufolge weltweit bereits mehr als 600.000 Menschen nach einer Infektion mit dem Virus gestorben. Das ging am Sonntag aus Daten der Universität Johns Hopkins in Baltimore hervor. Unter anderem in den USA, Brasilien, Peru, Mexiko, Indien und Südafrika hatte sich die Pandemie zuletzt weiter rasch ausgebreitet.
In Deutschland starben nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) etwas mehr als 9000 Infizierte. Die Zahl der Neuinfektionen lag hierzulande zuletzt über sieben Tage bei 3,1 pro 100.000 Einwohner (Datenstand: 18.7., 0.00 Uhr). Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag nach RKI-Schätzungen in Deutschland bei 1,42 (Vortag: 1,25). Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel mehr als einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.
Ärztepräsident wettert gegen Ballermann-Partygänger
Ärztepräsident Reinhardt sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es gelten auch im Urlaub die Abstands- und Hygieneregeln." Das sei "wichtig, sehr wichtig". Völlig unverständlich sei es, wie sich einige Urlauber vor einer Woche auf Mallorca verhalten hätten. "Party in der Pandemie - das ist schlicht unverantwortlich", sagte der Präsident der Bundesärztekammer. Auf der Urlaubsinsel hatten Menschen unter Missachtung der Vorsorgemaßnahmen gefeiert.
Reinhardt stellte fest: "Es gibt keine Corona-freie Zone, auch nicht am Ballermann." Ohne ein wirksames Unterbinden solcher Zusammenkünfte würden die Infektionszahlen wieder nach oben schnellen.
SPD-Politiker Lauterbach sprach sich im "Tagesspiegel" für kostenlose Corona-Tests bei Urlaubsrückkehrern aus. Eine Testpflicht hält Lauterbach juristisch für nicht durchsetzbar.
Braun: Staatsakt für Corona-Opfer
Kanzleramtsminister Braun kann sich auch in Deutschland einen Staatsakt für die Todesopfer der Corona-Pandemie vorstellen. Auf eine entsprechende Frage sagte er der "Bild am Sonntag": "Ja. Bei all der Freude über niedrige Infektionszahlen sollten wir ein Zeichen setzen, dass die Gestorbenen nicht vergessen sind."
Er finde das sehr wichtig. "Nach meinem Gefühl könnte es ein gutes Zeichen für einen Schlusspunkt der Pandemie sein, dieses Andenken würdigend in den Mittelpunkt zu stellen."
Spanien hatte am Donnerstag mit einem Staatsakt Abschied von seinen mehr als 28.000 Corona-Toten genommen. (hub/dpa)
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