FDP-Chef Christian Lindner war am Sonntag bei Moderatorin Shakuntala Banerjee im ZDF-Sommerinterview zu Gast. Über große Strecken sah sich der Finanzminister Fragen zur Kindergrundsicherung und zum Umgang mit den Koalitionspartnern ausgesetzt. An einer Stelle reagierte er dabei auffällig genervt.
Vermutlich hatte Bundesfinanzminister und FDP-Vorsitzender
Überrascht zeigte sich Linder aber, als Banerjee ihn darauf ansprach, dass er im Anschluss des Gesprächs noch zur Krisensitzung im Kanzleramt zum Thema Kindergrundsicherung antanzen müsse. "Wer hat das denn ausgeplaudert? Ich war’s nicht", sagte Lindner. Banerjee wollte dann zum Auftakt wissen: "Wenn es nach Ihnen geht, ist das das letzte Krisengespräch dann zu diesem Thema?"
Wann haut Olaf Scholz auf den Tisch?
Lindner entgegnete: "Es gibt keine Krisengespräche zu dem Thema, sondern es gibt Arbeitsgespräche, um ein Vorhaben zu konkretisieren." Er hoffe, dass man sehr bald erreiche, dass die bestehenden Leistungen für Kinder zusammengeführt werden und dass alle, die ein Recht haben, sie erhalten. "Dass wir auf der anderen Seite aber auch einen klaren Anreiz setzen, dass Menschen sich um Arbeit bemühen und sich um Integration bemühen müssen", betonte er. Wenn das gelinge, werde es ein gutes Vorhaben.
Banerjee fragte daraufhin: "Wie nah ist
38.000 Euro für fünfköpfige Familie
In Bezug auf die Kindergrundsicherung erklärte er: "In unserer Gesellschaft bestimmt die Herkunft immer noch sehr stark den Platz, den man im Leben einnimmt. Das muss verändert werden." Der Schlüssel dazu sei aber Bildung, Integration und Sprachförderung. Banerjee setzte nach: "Wissen Sie schon, wie sauer der Kanzler darüber ist, wenn es länger dauert?"
Er rechne damit, dass man sehr kurzfristig eine Einigung über die Eckpunkte habe, so der FDP-Chef. Danach müsse aber technisch noch sehr viel geklärt werden. Dann stieg Moderatorin Banerjee inhaltlich ein: "Wenn Sie sagen, Sie wollen gezielter vorgehen, dann sagen Sie doch übersetzt für alle: Sie wollen armen Familien aktuell nicht mehr Staatsgeld direkt überweisen. Ist das richtig?", fragte sie Lindner.
Der sagte: "Das ist korrekt" und nannte das Beispiel einer fünfköpfigen Familie, die nicht arbeitet. "Die in diesem Jahr gut 37.000, 38.000 Euro vom Staat bereits bekommt. Der Grund für die Armut der Kinder liegt dort in der fehlenden Arbeit für die Eltern, vielleicht auch in fehlenden Sprachkenntnissen der Eltern begründet", führte Lindner aus.
Lindner: "Das gibt es in unserem Sozialstaat nicht"
Um die Situation dieser Kinder und Jugendlichen zu verbessern, gehe es nicht um einen höheren Sozialtransfer, denn es sei bereits viel Geld im Spiel. "Wir müssen etwas tun, dass die Eltern integriert werden, dass sie in den Arbeitsmarkt kommen und auf der anderen Seite, dass wir bei den Kindern und Jugendlichen die Kita, die Schule verbessern, dafür sorgen, dass kein Kind auf einen Schulausflug verzichten muss, weil das Geld fehlt." Wie genau man das tun soll, erklärte er nicht.
Banerjee hielt ihm vor, er blicke nur auf die Chancengleichheit der Zukunft und tue nichts dafür, das Leben der Kinder aktuell zu verbessern. "Warum wollen Sie nicht beides tun?", fragte sie. "Ich möchte nicht den Anreiz reduzieren, sich um Arbeit zu bemühen. Den Kindern geht es auch besser, wenn die Eltern einen Beruf ausüben", verteidigte sich Lindner.
"Das dauert, bis die den haben. Es geht um die akute Notfallversorgung", kommentierte Banerjee. "38.000 Euro ist bereits keine Notfallversorgung mehr, sondern da ist das Existenzminimum gesichert, bei denen, die nicht arbeiten", betonte Lindner. Man erwecke den Eindruck, es gehe um Verelendung. "Das gibt es in unserem Sozialstaat nicht", unterstrich er. Man engagiere sich bereits mit vielen Milliarden Euro.
Maximale Konfrontation mit den Grünen
Noch einmal machte Lindner seine Position deutlich: "Was das Absicherungsniveau mit Geldtransfer angeht, haben wir das Wesentliche in Deutschland bereits getan. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass Menschen arbeiten, die Menschen werden nämlich gesucht."
Banerjee kam dann auf den Umgang der Ampelpartner zu sprechen. Lindner stoße immer wieder frontal mit Paus aufeinander, der Streit werde öffentlich ausgetragen. "Wollen oder können Sie und die Grünen sich da gar nicht mehr anders auseinandersetzen als mit so einer maximalen Konfrontation?", stichelte die Moderatorin.
Lindner: "Manche wollten Zahlen nicht glauben"
"Ich habe keine Konfrontation in die Öffentlichkeit getragen", wies Lindner die Schuld von sich. Er habe nur darauf hingewiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen Kinderarmut und Einwanderung nach Deutschland gibt. "Manche wollten die Zahlen nicht glauben oder nicht in der Öffentlichkeit thematisieren. Aber diesen Zusammenhang muss man ansprechen", meinte er.
Außerdem verwies er auf den Koalitionsvertrag. Es sei darin nicht von einer Leistungsausweitung die Rede. "Da verweise ich nur auf das, was wir verabredet haben", erinnerte er. Banerjee wollte noch einmal über den Streit als Methode sprechen.
Lindner genervt: "Die Frage müssen Sie nicht an mich richten"
"Die Kindergrundsicherung ist nicht das erste Thema, bei dem Streit vor der Öffentlichkeit ausgetragen wird", meinte sie. Das Heizungsgesetz habe monatelang die Öffentlichkeit beschäftigt und das Land verunsichert. Banerjee sprach auch die schlechten Umfragewerte an. "Deshalb noch mal die Frage: Warum reißen Sie sich denn nicht mehr zusammen und verhandeln die Dinge wie am Anfang der Ampel hinter den Kulissen?", fragte sie.
Lindner reagierte genervt: "Frau Banerjee, die Frage müssen Sie nicht an mich richten", sagte er. Die Familienministerin habe das Wachstumschancengesetz wegen der Kindergrundsicherung blockiert. "Das war öffentlicher Streit und das ging nicht von mir aus", so der Finanzminister.
Er gab aber zu: "Der öffentliche Eindruck ist nicht zufriedenstellend". Man könne über Dinge wie Kindergrundsicherung und Klimaschutz nur sprechen, wenn wir ein starkes wirtschaftliches Fundament haben. Die wirtschaftliche Situation sei derzeit schlecht. "Die Menschen erwarten, dass die Politik alles tut für Wachstum und Beschäftigung, dass wir uns soziale Aufgabe und Klimaschutz leisten", meinte er.
Wann sich die Koalitionsfrage stellt
"Haben Sie dann manchmal den Gedanken, die Reißleine zu ziehen, weil Sie doch in der falschen Koalition sind?", fragte Banerjee. "Die Koalition ist schwierig", räumte Lindner ein. Das könne aber niemanden überraschen, da die drei Parteien völlig unterschiedliche Programme hätten. "Muten Sie Ihrer Partei da nicht zu viel zu auf dieser Durststrecke bis 2025?", hakte Banerjee noch einmal nach.
Lindner entgegnete: "Erst geht es um das Land. Wir haben eine staatspolitische Verantwortung in der Bundesregierung und wir haben eine Verantwortung gegenüber den Menschen." In der jetzigen Situation sei entscheidend, die Inflation zu bekämpfen und dass die Schuldenbremse geachtet werde. Man erreiche in der Sache Gutes, selbst wenn Umfragen und Wahlen nicht immer zufriedenstellend seien.
"Wenn wir gezwungen werden würden, die Schuldenbremse auszusetzen oder Steuern zu erhöhen, dann würde sich die Koalitionsfrage stellen. Aber niemand tut das", meinte Lindner. Angesichts der wirtschaftlichen Lage wäre es äußert unklug, die Steuerlast weiter zu erhöhen.
Lindner: "Das ist die größte Gefahr"
Er stellte klar: "Niemand beabsichtigt das tatsächlich. Es gibt die öffentlichen Äußerungen von SPD und Grünen, aber ich kann nicht erkennen, dass es ernsthafte Versuche gibt, hier von unseren Festlegungen im Koalitionsvertrag abzuweichen. Deshalb Theorie."
Gelegenheit, inhaltliche Punkte anzubringen, ergaben sich kaum mehr. "Der richtige Weg ist die Bekämpfung der Inflation. Das ist die größte Gefahr", sagte Lindner mehrfach. Man müsse dafür das Geld für das Richtige einsetzen. "Öffentliche Investitionen im Bereich der Digitalisierung und Infrastruktur ja, aber nicht mehr Umverteilung", so der FDP-Chef. Er setzte nach: "Schluss mit der Politik auf Pump, die es während der Pandemie gab."
Man müsse die Kaufkraft und Arbeitsplätze erhalten und dafür sorgen, dass Betriebe im Inland investieren. Außerdem müssten Bürokratielast und Energiepreise sinken. Nur wie, das erklärte Lindner in diesem Interview nicht.
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