• Nach der skandalumwitterten Amtszeit von Boris Johnson hatten sich die Briten unter seiner Nachfolgerin Liz Truss ruhigere Zeiten erhofft.
  • Doch nach nicht einmal zwei Monaten wirft die Premierministerin nun das Handtuch.

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Die britische Premierministerin Liz Truss hat nach nur sechs Wochen im Amt ihren Rücktritt angekündigt. Das gab die 47-Jährige in einer Erklärung bekannt. Truss sagte, dass sie König Charles III. bereits über ihren Rücktritt informiert habe. Sie werde aber noch so lange Premierministerin bleiben, bis ein Nachfolger gefunden sei. Die parteiinterne Wahl ihres Nachfolgers solle bis kommende Woche stattfinden.

Ihre Rücktrittserklärung postete Truss auch auf Twitter.

Die konservative Regierungschefin galt zuletzt als schwer angeschlagen. Seit Tagen wurde über einen baldigen Rücktritt spekuliert. Rund 24 Stunden vor ihrem Rücktritt hatte sie noch im britischen Unterhaus beteuert, nicht aufgeben zu wollen und "eine Kämpferin" zu sein.

Nun wies sie zwar auf die schwierigen ökonomischen Zeiten und die politische Instabilität auf dem ganzen Kontinent hin, räumte aber auch ein, unter den aktuellen Bedingungen ihre Vision des radikalen Wirtschaftswachstums nicht mehr umsetzen zu können.

Truss geriet nach Finanzchaos unter Druck - Nachfolge unklar

Die 47-jährige Nachfolgerin des skandalgeplagten Ex-Premier Boris Johnson war enorm unter Druck geraten, nachdem ihre Wirtschaftspolitik binnen weniger Tage ein beispielloses Chaos an den Finanzmärkten angerichtet hatte.

Truss musste eine politische 180-Grad-Wende hinlegen und verlor innerhalb einer Woche zwei ihrer wichtigsten Minister, Kwasi Kwarteng als Finanzminister und Suella Braverman als Innenministerin.

Kwartengs Nachfolger Jeremy Hunt machte Montag fast alle Bestandteile ihrer erst Ende September verkündeten Steuerpolitik wieder rückgängig.

Unklar ist, wer Truss nachfolgen könnte. Ex-Finanzminister Rishi Sunak war im Sommer in einer Stichwahl um die Nachfolge von Ex-Premier Boris Johnson gegen Truss unterlegen und könnte sich erneut zur Wahl stellen. Doch er gilt als umstritten in der Fraktion.

Als mögliche Alternativen gelten die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Penny Mordaunt und Verteidigungsminister Ben Wallace. Es gibt jedoch keinen klaren Favoriten.

Berichte: Auch Ex-Premier Boris Johnson will sich wieder zur Wahl stellen

Berichten der britischen "Times" und des "Daily Telegraph" zufolge will sich auch Ex-Premier Boris Johnson erneut zur Wahl stellen. Er sei der Ansicht, es gehe um das nationale Interesse.

Johnson war Anfang Juli durch eine parteiinterne Revolte zum Rücktritt als Parteichef der Tories gezwungen worden, was auch das Aus für sein Regierungsamt bedeutete.

Komitee: Neuer britischer Premier soll am 31. Oktober im Amt sein

Die Tory-Fraktion will jedenfalls bis zum 31. Oktober einen neuen britischen Premierminister oder eine Premierministerin ins Amt heben. Das teilte Graham Brady, der Vorsitzende des mächtigen 1922-Komitees der Konservativen Fraktion im Unterhaus, mit.

Der einwöchige parteiinterne Wahlprozess über die Truss-Nachfolge soll bereits am Freitag der nächsten Woche (28. Oktober) enden. Brady sagte, auch die Parteibasis solle in den Prozess einbezogen werden. Wie das aussehen soll, war zunächst unklar. Später am Donnerstagnachmittag wollte das Komitee weitere Details bekanntgeben. "Wir sind uns sehr bewusst über die Notwendigkeit im Sinne des nationalen Interesses, dies sehr schnell und klar zu regeln", sagte Brady.

Im Sommer hat sich die Findung eines Nachfolgers des skandalgeplagten Ex-Premiers Boris Johnson wochenlang hingezogen. Die beiden Kandidaten - Liz Truss und ihr Rivale Rishi Sunak - hielten im ganzen Land Wahlkampfveranstaltungen ab, nachdem zuvor die Fraktion die beiden als Finalisten des Wettbewerbs gekürt hatte.

Regierung verliert nach chaotischer Abstimmung an Autorität

Turbulente Szenen im Unterhaus hatten am Mittwochabend einen weiteren Autoritätsverlust der Regierung von Truss ausgelöst. Bei einer Abstimmung im Parlament waren chaotische Szenen entstanden. Teilweise sollen Abgeordnete eingeschüchtert und bedrängt worden sein, damit sie für die Regierung abstimmen. Viele Beobachter bezeichneten die Szenen als nie dagewesen. Der Labour-Abgeordnete Chris Bryant sagte der BBC, konservative Kollegen hätten an seiner Schulter geweint.

Den Rahmen dafür bot die Abstimmung über einen von der oppositionellen Labour-Partei eingebrachten Antrag, der den Weg zu einem Fracking-Verbot ebnen sollte. Die Regierung hatte die Abstimmung zunächst zur Vertrauensfrage deklariert, bevor sie kurz vor Beginn der Stimmabgabe wieder zurückruderte. Der Labour-Antrag wurde zwar mit großer Mehrheit abgelehnt, doch viele konservative Abgeordnete sollen nur widerwillig gegen den Vorstoß gestimmt haben.

Übereinstimmenden Berichten zufolge sollen die für die Einhaltung der Fraktionsdisziplin zuständige Chefeinpeitscherin (Chief Whip), Wendy Morton, und ihr Stellvertreter Craig Whittaker zunächst aus Frust über die Kehrtwende der Regierung bei der Frage, ob die Abstimmung als Vertrauensfrage gelte, hingeworfen haben. Später teilte der Regierungssitz Downing Street mit, beide seien weiterhin im Amt.

EU-Parlamentspräsidentin sieht im Rücktritt eine Lektion

EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sieht im Rücktritt der britischen Premierministerin Liz Truss eine Lektion, aus der auch andere Europäer lernen können. Rhetorik könne eine Regierung zu Fall bringen, sagte die Maltesin am Donnerstag am Rande eines EU-Gipfels.

Zudem sagte sie: «Ich denke, es ist eine Botschaft, dass Marktinstabilität zu demokratischer Instabilität führen kann.» Sie hoffe, das diese instabile Situation bald gelöst sei, von Seiten des Europaparlaments werde man weiter mit Großbritannien zusammenarbeiten. (dpa/thp/ank/sbi)

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