Die umstrittene Rentenreform in Frankreich ist beschlossene Sache. Doch der Unmut in der Bevölkerung reißt deswegen nicht ab. In einem Interview wendet sich Präsident Macron an die Bevölkerung. Doch seine Worte dürften Kritiker kaum besänftigen.

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die umstrittene Rentenreform verteidigt. "Diese Reform ist kein Luxus, kein Vergnügen, sie ist eine Notwendigkeit für das Land", sagte der Staatschef am Mittwoch in einem Interview der Sender TF1 und France 2. "Denken Sie, es macht mir Spaß, diese Reform zu machen?", fragte Macron die zwei Journalisten und antworte mit einem klaren "Nein".

"Die Wahrheit hier ist, dass es eine Sache gibt, die ich bedauere, und das ist, dass wir es nicht geschafft haben, den Zwang, genauer gesagt die Notwendigkeit, diese Reform zu machen, zu teilen." Er lebe aber nicht vom Bedauern, sondern von Willen, Hartnäckigkeit und Engagement.

Macron betonte, die Rentenkasse sei nicht mehr ausgeglichen. "Und je länger wir warten, desto schlimmer wird es." Alternativen zur Reform seien gewesen, die Renten zu senken, die Steuern zu heben oder mehr Schulden aufzubauen. Alle Varianten schlug der Präsident aus.

Mit Blick auf die massive Ablehnung der Reform durch die Bevölkerung sagte Macron: "Zwischen den Umfragen und der Kurzfristigkeit und dem allgemeinen Interesse des Landes entscheide ich mich für das allgemeine Interesse des Landes." Die Reform sei sehr schwierig. "Wir verlangen von den Menschen eine Anstrengung. Das ist nie beliebt." Er gehe davon aus, dass die Reform "bis zum Jahresende" in Kraft tritt. "Wir warten noch auf das Urteil des Verfassungsrats".

Macron hob auch hervor, dass die meisten europäischen Länder bereits für ein höheres Renteneintrittsalter gestimmt hätten. Der Präsident kündigte an, dass die Abgeordneten künftig kürzere und einfachere Gesetzesentwürfe debattieren sollen. So werde etwas das geplante Einwanderungsgesetz in mehrere einzelne Gesetzestexte aufgeteilt.

Proteste gegen Reform reißen nicht ab

Kritiker der Reform dürften angesichts dieser Worte Macrons kaum besänftigt sein. Seit Wochen gehen die Menschen im Land gegen das Gesetz auf die Straße. In Paris wurden in der Nacht zu Mittwoch Medienberichten zufolge 46 Menschen festgenommen, nachdem Polizisten mit Wurfgeschossen angegriffen worden waren und Demonstranten Mülltonnen und Motorroller angezündet hatten.

Die Polizei setzte gegen einige der rund 3.500 Demonstrantinnen und Demonstranten Tränengas ein. Proteste mit Tausenden Teilnehmern gab es laut der Zeitung "Le Parisien" auch in Lille, Grenoble, Rennes, Nantes und Le Mans.

Am Montagabend waren bei den gewalttätigen Protesten in ganz Frankreich knapp 300 Menschen festgenommen worden. Am Donnerstag ist ein weiterer Aktionstag geplant. Innenminister Gérald Darmanin kündigte laut "Le Parisien" an, rund 12.000 Polizisten würden im Einsatz sein, davon 5.000 in Paris. Dies wäre seit Beginn der Proteste gegen die Rentenreform das größte Aufgebot.

Unterstützung erhalten die Demonstranten dabei auch von der deutschen Linken. Die Linken-Vorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler wollen am Donnerstag in Frankreich mitprotestieren. "Mit der undemokratisch durchgedrückten Rentenreform zeigt Frankreichs Präsident Macron deutlich, dass er die Bodenhaftung endgültig verloren hat", kritisierte Schirdewan.

Wissler meinte, den Menschen, die in Frankreich auf die Straße gingen, gehe es nicht allein um das Renteneintrittsalter, sondern um die Demokratie. "Zu Recht wehren sich Millionen Menschen gegen die Verschlechterung ihrer sozialen Lage."

Macron will Lücke in Rentenkasse schließen

Die Reform gilt als eines der wichtigsten Vorhaben von Macron. Um die drohende Lücke in der Rentenkasse zu schließen, soll mit ihr das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben.

Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 Jahren gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag. Dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Rente schneller steigen soll.

Macron hatte zur Durchsetzung des Reformgesetzes auf den viel kritisierten Verfassungsartikel 49.3 zurückgegriffen. Dieser erlaubt es, ein Gesetz ohne parlamentarische Schlussabstimmung zu verabschieden, wenn die Regierung ein anschließendes Misstrauensvotum übersteht. Am Montag war die Regierung bei einem solchen Votum knapp ihrem Sturz entgangen. (afp/dpa/thp)

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