• Deutschland will wegen des Kriegs in der Ukraine weniger abhängig von Erdgas aus Russland werden.
  • Einem Medienbericht zufolge müsste die Bundesrepublik aber mehrere Jahre weiterzahlen, auch wenn keins mehr importiert wird.
  • Grund sind Verträge deutscher Unternehmen, die laut eines Experten nur durch einen offiziellen Gasboykott vorzeitig beendet werden könnten.

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Laut eines Medienberichts müsste die Bundesrepublik bis 2030 auch dann für Erdgas aus Russland zahlen, wenn keins mehr importiert wird. Wie das ZDF-Magazin "frontal" berichtet, sind der Grund dafür sogenannte Langfristverträge deutscher Konzerne wie BASF mit dem russischen Staatsunternehmen Gazprom. Demnach enthalten diese Vorgaben für Mindestmengen inklusive "Take or Pay"-Klauseln, die bewirken, dass auch bei deren Unterschreitung bezahlt werden muss.

"Die 'Take or Pay'-Menge hat einen finanziellen Wert von mehr als 140 Milliarden Euro, wenn man einen relativ niedrigen Gaspreis von 50 Euro pro Megawattstunde zugrunde legt", erklärt "frontal". Der Handelspreis pro Megawattstunde habe zuletzt bei rund 100 Euro gelegen. Das Magazin zitiert einen Experten vom Oxford Institute for Energy Studies (OIES), dem zufolge ein vorzeitiges Vertragsende nur durch "höhere Gewalt" erreichbar sei. Hierfür wäre den Angaben nach ein offizieller Boykott durch die Bundesregierung erforderlich, den diese bisher jedoch ablehnt.

Das Auswärtige Amt teilte in der Regierungspressekonferenz am Mittwoch mit, dass Unternehmen im Fall von EU-Sanktionen gegen Russland, die den Bereich betreffen, keine Zahlungen mehr an die sanktionierten Stellen leisten dürften. "Das hat dann Vorrang vor vertraglichen Verpflichtungen", sagte ein Sprecher.

Wirtschaftswissenschaftler über Gas-Import-Stopp aus Russland: "Aussagen kann man als Panikmache einstufen"

Wirtschaftsverbände und Industriegewerkschaften warnten zuletzt vor einem Boykott. "Wenn man jetzt sofort den Schalter umlegt, wird es in Deutschland zu Lieferengpässen, ja zu Lieferabbrüchen kommen, zu Massenarbeitslosigkeit, Armut", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Mitte März, schwächte diese Aussage später aber ab.

Einem Bericht des ARD-Magazins "Monitor" zufolge sind die Warnungen übertrieben. Ein Wirtschaftswissenschaftler sagt in dem Beitrag: "Die Aussagen, die wir von der Industrie und von den Gewerkschaften hören, kann man als Panikmache einstufen, denn sie kommen nicht aus Modellen, sie kommen nicht aus wissenschaftlichen Ableitungen, sondern es sind Zahlen, die sich teilweise ausgedacht werden beziehungsweise die aus dem Bauchgefühl herauskommen." (okb)

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