Die Zerstörung im Gazastreifen ist enorm: Sieben Monate nach Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas schätzen die Vereinten Nationen die Menge an Trümmern auf 37 Millionen Tonnen. Das Ausmaß ruft Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg hervor.

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Israels Angriffe im Gazastreifen haben nach Einschätzung der UN-Entwicklungsagentur UNDP die schwersten Zerstörungen einer Region seit dem Zweiten Weltkrieg hervorgerufen. "So etwas haben wir seit 1945 nicht mehr gesehen - seit dem Zweiten Weltkrieg. Diese Intensität in so kurzer Zeit und das enorme Ausmaß der Zerstörung", sagte der örtliche UNDP-Direktor Abdallah al-Dardari am Donnerstag. Einer neuen Einschätzung der UN-Agentur zufolge könnte der Wiederaufbau des Gazastreifens mindestens bis ins Jahr 2040 dauern.

Im Gaza-Krieg seien bis Mitte April 370.000 Wohneinheiten beschädigt worden - 79.000 von diesen wurden demnach vollständig zerstört. UNDP greift bei ihrer Einschätzung auf ein Rechenmodell zurück, das die bisherige Geschwindigkeit beim Wiederaufbau von zerstörten Gebäuden in dem Küstenstreifen berücksichtigt. Selbst wenn diese Rate um das Fünffache gesteigert würde, bräuchte es demnach allein 16 Jahre, um alle komplett zerstörten Wohneinheiten wieder herzustellen.

Die Zerstörung im Gazastreifen sei somit größer als in der Ukraine: Die Vereinten Nationen schätzen die Menge an Trümmern auf 37 Millionen Tonnen. "Im Gazastreifen liegt mehr Schutt als in der Ukraine", sagte Mungo Birch, Leiter des UN-Minenräumdienstes (Unmas), am Mittwoch vor Journalisten in Genf. Dabei sei der Gazastreifen nur 40 Kilometer lang und die Front in der Ukraine fast 1.000 Kilometer.

Blindgänger und Asbest

Doch die riesige Menge an Trümmern ist nicht das einzige Problem: Unter dem Schutt befinden sich laut Unmas viele Blindgänger. "Nicht explodierte Munition erschwert die Beseitigung", sagte Birch. Allgemeinen Schätzungen zufolge explodieren bei Kämpfen zehn bis 15 Prozent der abgefeuerten Geschosse nicht – eine langfristige Gefahr für die Zivilbevölkerung.

Auch Asbest macht die Räumung komplizierter. "Wir schätzen, dass sich in den Trümmern mehr als 800.000 Tonnen Asbest befinden", sagte Birch. Die Mineralfaser ist krebserregend und für den Umgang damit sind besondere Vorsichtsmaßnahmen notwendig.

Der UN-Minenräumdienst hofft, mit eigenen Teams die Sprengsätze im Gazastreifen entschärfen zu können. "Aber wir befinden uns noch in der Planungsphase", sagte Birch. Fünf Millionen Dollar (4,7 Millionen Euro) habe Unmas für die Entschärfung bereits bekommen. "Aber um die Arbeit in den nächsten zwölf Monaten fortsetzen zu können, brauchen wir weitere 40 Millionen Dollar." Für die Räumung des gesamten Schutts seien über Jahre hunderte Millionen Dollar nötig.

Für Räumung werden "neue Ideen" gebraucht

Für die Planung, wie der Gazastreifen von den enormen Schuttbergen befreit werden kann, trafen sich die Hauptakteure vor zwei Wochen in der jordanischen Hauptstadt Amman. Das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) koordiniert die Räumung.

"Das Problem ist, dass die Masse an Trümmern beispiellos ist. Wir werden neue Ideen entwickeln müssen, wie wir bei der Räumung vorgehen", sagte Birch. 65 Prozent der zerstörten Gebäude im Gazastreifen sind laut Unmas Wohnhäuser. 100 Lastwagen würden 14 Jahre brauchen, um all den Schutt zu beseitigen.

Noch dauern die Kämpfe an und auch für die UN-Mitarbeiter ist es schwer, sich im Gazastreifen ein genaues Bild vom Ausmaß der Zerstörung und der Menge an Blindgängern zu machen. "Einzelne Berichte deuten darauf hin, dass es im Norden besonders schlimm ist", sagte Birch. "Das wird lange ein großes Problem bleiben."

Israelische Reaktion auf Überfall der Hamas

Ausgelöst wurde der Krieg im Gazastreifen durch den brutalen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober, bei dem Kämpfer der radikalislamischen Palästinenserorganisation mehr als 1.170 Menschen töteten und rund 250 Menschen verschleppten.

Als Reaktion auf den Angriff geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, mehr als 34.500 Menschen getötet, vor allem Frauen und Kinder. (afp/fab)

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