Benjamin Netanjahu will auf die Forderungen der Hamas nach einer Waffenruhe nicht eingehen und ordnet eine Ausweitung des Militäreinsatzes in Rafah an. UN-Generalsekretär António Guterres spricht in diesem Zusammenhang von einem "humanitären Albtraum".
Israels Ministerpräsident
Kurz zuvor hatte sich US-Außenminister Antony Blinken nach Gesprächen mit Netanjahu und weiteren Mitgliedern des israelischen Kriegskabinetts in Jerusalem noch hoffnungsvoll hinsichtlich eines Abkommens zwischen Israel und der Hamas geäußert. Nach Netanjahus Äußerungen sagte Blinken: "Auch wenn die Antwort der Hamas eindeutig nicht akzeptable Dinge enthält, glauben wir, dass sie Raum für eine Einigung schafft". "Wir werden unermüdlich daran arbeiten", versicherte Blinken vor Journalisten.
Derweil verlautete aus ägyptischen Verhandlungskreisen, dass für Donnerstag eine weitere Verhandlungsrunde in Kairo angesetzt sei.
Ende November kam es im Zuge einer Feuerpause zu einem Geisel- und Gefangenenaustausch
Ende November waren im Zuge einer von Katar, Ägypten und den USA vermittelten einwöchigen Feuerpause mehr als hundert der von der Hamas verschleppten Geiseln im Gegenzug zu 240 palästinensischen Gefängnisinsassen freigekommen. Aus Kreisen der Hamas hieß es nun, die Palästinenserorganisation habe den erneuten Gesprächen mit dem Ziel "eines Waffenstillstands, einer Beendigung des Krieges und eines Gefangenenaustauschs" zugestimmt.
Im israelischen Fernsehen nannte Netanjahu die Fortsetzung des militärischen Drucks "eine wesentliche Voraussetzung für die Freilassung der Geiseln". Ein Sieg über die Hamas sei keine Frage von Jahren oder Jahrzehnten, sondern "eine Frage von Monaten", fügte er hinzu.
Ein ranghoher Vertreter der Hamas sagte vor Journalisten in der libanesischen Hauptstadt Beirut, Netanjahus "Beharren auf der Fortsetzung der Aggression" bestätige, dass das Ziel der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen "ein Völkermord am palästinensischen Volk" sei. Er betonte, die Hamas werde "alles uns mögliche tun, um unser Volk zu schützen - sei es durch Widerstand vor Ort oder durch politische Bemühungen, die Aggression zu beenden".
António Guterres spricht von einem "humanitären Albtraum"
Bereits in der vergangen Woche hatte Israels Verteidigungsminister Joav Gallant eine Ausweitung des Bodeneinsatzes auf die südliche Stadt Rafah angekündigt. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte, dass dies "nicht zu rechtfertigen" sei. UN-Generalsekretär António Guterres sagte am Mittwoch, ein Vorstoß Israels nach Rafah würde den bestehenden "humanitären Albtraum mit unabsehbaren regionalen Folgen exponentiell vergrößern".
Nach UN-Angaben halten sich in der einst 200.000 Einwohner zählenden Stadt inzwischen mehr als 1,3 Millionen palästinensische Binnenflüchtlinge auf. Laut Netanjahu befinden sich in dem Gebiet die "letzten verbleibenden Bastionen der Hamas".
Zuvor hatte die israelische Armee nach eigenen Angaben in der Stadt Chan Junis im südlichen Gazastreifen einen Tunnel entdeckt, in dem die Hamas auch von ihr verschleppte Geiseln unterbrachte. Zudem diente die etwa ein Kilometer lange Anlage demnach als Versteck für "hochrangige Mitglieder" der Hamas. In einem Video zeigten israelische Soldaten in dem Tunnel entdeckte Handgranaten und Panzerfäuste.
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas dauert mittlerweile vier Monate an. Am 7. Oktober hatten Kämpfer der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas und weiterer militanter Palästinensergruppen Israel überfallen und zahlreiche Massaker verübt. Sie töteten israelischen Angaben zufolge etwa 1160 Menschen, darunter viele Zivilisten.
Rund 250 Menschen wurden zudem als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israelischen Angaben zufolge befinden sich nach wie vor 132 Geiseln in der Gewalt der Hamas, von denen 29 mutmaßlich bereits tot sind.
Nach Angaben der Hamas forderte der Krieg bereits 27.700 Todesopfer im Gazastreifen
Als Reaktion auf den Angriff schwor Israel, die Hamas zu vernichten und startete einen massiven Militäreinsatz in dem Palästinensergebiet. Nach jüngsten Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seit dem Beginn der israelischen Offensive mehr als 27.700 Menschen im Gazastreifen getötet.
Bei einem israelischen Luftangriff auf ein südlibanesisches Dorf wurden unterdessen laut Berichten in Staatsmedien ein Zivilist getötet und zwei weitere verletzt.
Laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP stieg die Zahl der Getöteten durch israelischen Beschuss im Südlibanon seit dem 7. Oktober auf mehr als 220, die meisten von ihnen Hisbollah-Angehörige. In Israel meldete die Armee den Tod von neun Soldaten und sechs Zivilisten durch Angriffe aus dem Libanon.(afp/jst)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.