Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Betrug: Nach den Enthüllungen durch die "Panama Papers" fällt erneut ein dunkler Schatten auf sogenannte Briefkastenfirmen. Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter kritisiert, dass selbst Großbanken Geschäfte über solche Kanäle abwickeln.

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Herr Fiedler, ist es möglich, dass der aufgedeckte Fall der Kanzlei Mossack Fonseca nur einer unter vielen ist?

Fiedler: Eindeutig ja. Dass es sich nur um die Spitze des Eisbergs handelt, steht außer Frage. Die internationale Schattenwirtschaft in solchen Steueroasen wie Panama floriert. Es gibt ganz sicher weitere Kanzleien mit solchen Geschäftsgebaren wie Mossack Fonseca.

Können Sie abschätzen, wie viele?

Das ist schwer zu sagen. Vermutlich Hunderte. Die Kanzlei hat nach eigenen Angaben in den letzten 40 Jahren rund 240.000 Briefkastenfirmen gegründet und die Rechte weiterverkauft.

Warum können die teils illegalen Geschäfte, die über solche Firmen abgewickelt werden, überhaupt so lange unentdeckt bleiben?

Das Kernprinzip solcher Geschäfte ist Anonymität. Zwischen den wirtschaftlich Berechtigten, also den offiziellen Geschäftsführern oder Direktoren der Firmen und den Menschen, die das Geld einzahlen oder waschen wollen, sind meist ein bis zwei Stationen zwischengeschaltet. So soll niemand erfahren, wer hinter den Geldtransfers steckt. Und häufig klappt das auch.

Geschäfte, die über Briefkastenfirmen abgewickelt werden, sind nicht per se illegal. Warum?

Neben Kriminellen nutzen auch Steuerberatungskanzleien oder große Banken – was ich für besonders bedenklich halte – die gleichen Strukturen für legale Transaktionen. Etwa zur Steuervermeidung, also der legalen Nutzung von Steuerschlupflöchern. Nicht die Firmen sind illegal, sondern einige der abgewickelten Geschäfte.

Also ist die Gründung eine Briefkastenfirma nicht verboten?

Nein, das ist nicht strafbar. Sie können auch in Deutschland eine GmbH gründen, ohne mit ihr wirtschaftlich aktiv werden zu müssen. Allerdings sind Sie dann offiziell und für jeden einsehbar ins Handelsregister eingetragen. International ist so etwas nicht Standard. Allerdings hat die Europäische Union 2015 mit dem Beschluss der 4. EU-Geldwäscherichtlinie ein wichtiges Signal an die internationale Gemeinschaft ausgesendet: Damals wurde unter anderem ein EU-weites Unternehmensregister beschlossen. Nun muss die Richtlinie noch in nationales Recht umgesetzt werden – auch in Deutschland.

Wieso bezeichnet man Briefkastenfirmen überhaupt als Firmen?

Rechtlich sind das Kapitalgesellschaften, über die aber keine wirtschaftlichen Tätigkeiten laufen. Sie verfügen also nur über einen Briefkasten und keine Geschäftsstelle oder andere Dinge, die eine "richtige" Firma ausmachen. Briefkastenfirmen dienen oft nur dazu, Geldströme zu verschleiern oder Geld zu verstecken.

Zahlreiche Spitzenpolitiker, Sportstars, aber auch gewöhnlich Kriminelle sind von den aktuellen Enthüllungen betroffen. Ist das der größte Fall von Steuerhinterziehung bzw. Geldwäsche, den es je gab?

Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilen. Aber vieles deutet darauf hin, dass es ein wirklich großer Fall ist. Ich hoffe, dass die Öffentlichkeit nun noch mehr darüber erfährt, wie Steuerhinterziehung, Geldwäsche und andere illegale Geschäfte über solche Firmen funktionieren.

Was bedeuten die Enthüllungen für die Strafverfolgungsbehörden?

Auf die Steuerfahnder und die Staatsanwaltschaften kommt jetzt jede Menge Ermittlungsarbeit zu. Das wird die Kollegen wohl noch monatelang beschäftigen.

Zur Person: Sebastian Fiedler ist stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter und Experte für Wirtschaftskriminalität.
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