15.000 Menschen versammelten sich am Montag in Dresden zu einem "Spaziergang" der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", abgekürzt Pegida. Noch nie brachte eine rechtspopulistische Bewegung mehr Menschen auf die Straße. Doch was treibt die Teilnehmer an?

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"Pegida bündelt ganz verschiedene Ängste", sagt Marcel Lewandowsky, Populismus-Experte an der Universität der Bundeswehr Hamburg. In ihrem Namen steckt schon die gesellschaftlich weit verbreitete Angst vor der vermeintlichen Islamisierung. Eine sehr diffuse Angst vor dem Islam zeigt sich in Deutschland schon seit einigen Jahren immer wieder in Umfragen.

Hinzu kommt die Angst vor Asylbewerbern, Zuwanderung und Überfremdung. "Die Pegida-Organisatoren greifen keine neuen Stimmungen auf", meint Politikwissenschaftler Lewandowsky. Der medial aufbereitete IS-Terror in diesem Jahr könne aber eine Rolle spielen. Die auf den Demonstrationen gestellten Forderungen sind nicht einheitlich und so allgemein, dass sie viele Menschen ansprechen können.

Die Wut gegen "die da oben"

Dieser "bunte Kessel" sei ja gerade typisch für Populismus. Die Menschen seien von den politischen Eliten enttäuscht. "Ihre Wut richtet sich gegen alle, die aus ihrer Sicht unberechtigte Macht haben, gegen 'die da oben'", erklärt Lewandowsky. Das betrifft nicht nur die Regierung, sondern auch Medien- und Wirtschaftsvertreter oder einflussreiche Länder wie die USA. Oder eben auch jene, die ihrer Meinung nach zu Unrecht etwas bekommen - wie Asylbewerber.

Dieses Denken muss nicht von Menschen stammen, denen es wirtschaftlich schlecht geht. "Es ist mehr das allgemeine Gefühl, von anderen übervorteilt zu werden, und die Angst vor dem sozialen Abstieg", sagt der Populismusforscher. Oftmals stehen aber hinter diesen Gefühlen politische Einstellungen wie ein autoritäres Staats- und Gesellschaftsverständnis. Der Staat muss sich nach ihrem Verständnis um sie kümmern. Wenn er ihre Probleme nicht löst, wenden sie sich von ihm und seinen Institutionen ab.

Darum hält Lewandowsky die Forderung mancher Politiker, dass man die "Sorgen der Bürger ernst nehmen" muss, für zu kurz gegriffen: "Worüber ich mir Sorgen mache und was ich als 'Bedrohung' ansehe, hat auch mit meiner politischen Einstellung zu tun."

"Pegida ist ein Gemischtwarenladen"

Ob Pegida eine Zukunft hat, bleibt abzuwarten. "Die Demonstranten haben insgesamt keine einheitliche Ideologie", sagt Lewandowsky. Bisher geht es bei der Bewegung vor allem darum, Protest zu äußern. "Die politische Rechte in der Bundesrepublik war immer stark zersplittert", erläutert der Politikwissenschaftler. "Pegida ist ein Gemischtwarenladen. Es könnte auch sein, dass es sich wieder verläuft, sobald sich die Strukturen verfestigen."

Für Lewandowsky bietet einzig die Alternative für Deutschland (AfD), die mit der Bewegung sympathisiert, Anknüpfungspunkte in der gemäßigten Parteipolitik. Die AfD bewege sich dabei aber auf einem schmalen Grat, da sie ihre liberalen Wähler nicht verschrecken wolle.

In vielen Ländern Europas wie Österreich, der Niederlande, Dänemark, Frankreich oder Großbritannien haben rechtspopulistische Parteien in den vergangen Jahren einen festen Platz im politischen System erobert und erreichen Wahlergebnisse von bis zu 20 Prozent. Deutschland war lange eine Ausnahme. Rechte Parteien seien stark stigmatisiert, da sie immer in die Tradition des Nationalsozialismus gesetzt werden, so Lewandowsky. Noch ist unklar, ob Pegida das Potenzial hat, dies zu ändern.

Dr. Marcel Lewandowsky ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sozialwissenschaftlichen Institut der Universität der Bundeswehr Hamburg. Zuvor hat er in Bonn studiert und in Lüneburg promoviert. Zu seinen Forschungsschwerpunkte gehören das deutsche Parteiensystem und Populismus in Westeuropa.
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