Auf weibliche Hygieneartikel wie Tampons oder Binden erhebt der Staat 19 Prozent Mehrwertsteuer. Für andere Produkte des täglichen Bedarfs gilt hingegen ein reduzierter Satz. Unfair gegenüber Frauen, finden die Initiatoren einer Petition - die bereits so viele Unterstützer gefunden hat, dass sich der Bundestag mit dem Thema beschäftigen muss. Und dabei könnte ein viel größeres Problem zutage treten.

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Die Mitglieder des Petitionsausschusses des Bundestags werden bald über Tampons, Damenbinden und Menstruationstassen sprechen müssen. Hintergrund ist eine Online-Petition, deren Initiatoren erreichen wollen, dass der Staat auf Periodenprodukte künftig nur noch den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent erhebt.

Der reduzierte Satz ist für Produkte des täglichen Gebrauchs vorgesehen. Bislang zahlen Konsumenten auf Tampons und Co. jedoch 19 Prozent. "Frauen aller gesellschaftlichen Schichten und finanzieller Hintergründe" würden dadurch "systematisch diskriminiert", schreiben die Initiatoren zur Begründung ihres Anliegens.

Perioden-Petition: #keinluxus auf Twitter populär

Auf den Weg gebracht hatten die Petition das Magazin "NEON" und "einhorn", ein Unternehmen, das nach eigenen Angaben nachhaltige Kondome und Periodenprodukte vertreibt, etwa Tampons aus Bio-Baumwolle.

Bis Ablauf der Frist am Dienstag haben 81.266 Menschen die Petition unterzeichnet. Das Quorum von 50.000 Unterstützung, das nötig ist, damit ein Thema auf die Tagesordnung der Parlamentarier findet, ist damit deutlich überschritten.

Auf Twitter und Facebook hatten in den vergangenen Tagen viele Frauen - aber auch Männer - für die Petition geworben. Ihr Hashtag: #keinluxus. Denn die ursprüngliche Idee des reduzierten Steuersatzes ist, dass er Produkte des täglichen Gebrauchs für alle erschwinglich macht.

Lange Liste teils absurder Steuervergünstigungen

Dass Mehl, Milch und frisches Gemüse für niemanden Luxusgüter sein sollten, ist wohl Konsens. Neben der Vergünstigung für gewisse Lebensmittel scheint auch eine für Zeitungen und Bücher, Bahn- und Bustickets sowie für Kulturveranstaltungen nachvollziehbar.

Doch ein Blick auf die - lange - Liste der Ausnahmen zeigt, wie weit sich der Gesetzgeber von der Grundidee der Regelung zwischenzeitlich entfernt hat: Nur sieben Prozent Mehrwertsteuer erhebt der Staat zum Beispiel auf Sammlerstücke wie Münzen. Seit 2010 gilt der reduzierte Satz auch für Hotelübernachtungen - bekannt unter dem gehässigen Schlagwort "Mövenpick-Steuer".

Ähnlich absurd erscheint, dass nur sieben Prozent berappen muss, wer einen Hochzeitsredner engagiert, ein Zuchtrind kauft oder frische Trüffel, Wachteleier, Krebsfleisch und Schnittblumen in den Einkaufswagen legt. Auch bemerkenswert: Vom Preis eines Schweineschnitzels will der Staat nur sieben Prozent abhaben, vom Preis eines Sojaschnitzels 19 Prozent.

Die Frage, was Luxus ist und was nicht, stellt sich also nicht nur mit Blick auf die Menstruationsprodukte. Und so lenkt die Petition die Aufmerksamkeit auf ein viel größeres Problem: den Irrsinn der deutschen Mehrwertsteuersätze.

Union will mit der SPD "nach Lösungen suchen"

Dass dieser zumindest einigen Parlamentariern ein Dorn im Auge ist, zeigen die Stellungnahmen der im Petitionsausschuss vertretenen Parteien auf die Petition, die "NEON" angefragt und veröffentlicht hat: Lothar Binding, Finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, will "die vielen Ausnahmen" beseitigen, ebenso Bettina Stark-Watzinger von der FDP, die von "absurden Steuersätzen" spricht.

Die grüne Finanzpolitikerin Lisa Paus schreibt: "In diesem Mehrwertsteuer-Dschungel blickt doch echt keiner mehr durch." Cornelia Möhring, Frauenpolitische Sprecherin der Linken, plädiert dafür, "diese Absurdität zu beenden".

Antje Tillmann von der Union kündigt an, die Petition zum Anlass nehmen zu wollen, um das System der Mehrwertsteuer zu überdenken. Man wolle "mit dem Koalitionspartner Lösungen suchen".

Indes lassen die Vertreter der großen Koalition durchblicken, dass sie die Forderung nach dem reduzierten Satz für Periodenprodukte kritisch sehen. Begründung: In der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass die steuerliche Vergünstigung häufig nicht beim Verbraucher ankomme. Stattdessen würden die Preise nahezu identisch bleiben, die Differenz die Hersteller oder Dienstleister einstreichen.

Verwendete Quellen:






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