Die Bundesregierung hat eine Pflegereform auf den Weg gebracht. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht die Zukunft der Pflegeversicherung damit für die kommenden Jahre gesichert. Doch Zweifel bleiben, ob das auf Dauer gilt.

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Gesundheitspolitik ist ein ziemlich kompliziertes Feld. Karl Lauterbach macht es den Zuhörern am Mittwoch in der Bundespressekonferenz nicht leicht. Der Bundesgesundheitsminister galoppiert mit schnellen Sätzen durch einige seiner Reformpläne, die an diesem Mittwoch etwas konkreter geworden sind. Kurz gefasst lautet seine Botschaft: Die Bundesregierung hat am Mittwoch eine Reform der Pflegeversicherung auf den Weg gebracht.

Pflegereform: Plus bei Leistungen

Die Leistungen aus der Pflegeversicherung sollen ab 1. Januar 2024 steigen. Das Pflegegeld will die Regierung demnach um 5 Prozent erhöhen: Diese Leistung bekommen Pflegebedürftige, wenn sie zu Hause von Angehörigen oder Pflegediensten betreut werden. Ein Plus soll es auch bei den Zuschlägen aus der Pflegekasse für die stationäre Verpflegung in Heimen geben: Die Sätze werden – je nach Verweildauer – auf 15 bis 75 Prozent erhöht.

Um das zu finanzieren, steigen ab 1. Juli dieses Jahres die Beitragssätze, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber in die Pflegeversicherung einzahlen – allerdings nicht für jeden. Bisher beträgt der Beitragssatz für Kinderlose 3,4 Prozent und für Menschen mit einem oder mehreren Kindern 3,05 Prozent. Davon zahlen die Arbeitnehmer 1,875 Prozent (Kinderlose) beziehungsweise 1,525 Prozent (mit Kindern). Die Arbeitgeber tragen bisher 1,525 Prozent.

Die von Lauterbach geplante Pflegereform sieht nun folgende Beitragssätze vor:

  • Kinderlose: 4 Prozent (Arbeitnehmeranteil: 2,3 Prozent)
  • Menschen mit einem Kind: 3,4 Prozent (1,7 Prozent)
  • Menschen mit zwei Kindern: 3,15 Prozent (1,45 Prozent)
  • Menschen mit drei Kindern: 2,9 Prozent (1,2 Prozent)
  • Menschen mit vier Kindern: 2,65 Prozent (0,95 Prozent)
  • Menschen mit fünf oder mehr Kindern: 2,4 Prozent (0,7 Prozent)

Unter dem Strich bedeutet das: Arbeitnehmer mit zwei oder mehr Kindern werden bei den Beitragssätzen für die Pflegeversicherung in Zukunft leicht entlastet. Kinderlose und Menschen mit einem Kind werden in Zukunft dagegen etwas mehr in die Pflegeversicherung einzahlen. Mehr bezahlen müssen in jedem Fall auch die Arbeitgeber: Bisher betrug ihr Anteil am Beitragssatz für die Pflegeversicherung 1,525 Prozent. Er soll nun auf 1,7 Prozent steigen.

"Im Gesamtpaket ist das etwas, was wir den älteren Menschen schulden", sagt Lauterbach dazu. Er wolle nicht als Minister dastehen, der im Wahlkampf eine Stabilisierung der Pflegeversicherung verspreche, dann aber nichts machen. "Insgesamt kommen wir hiermit in dieser Legislaturperiode stabil durch die Finanzprobleme", sagt der SPD-Politiker.

Reicht die Reform? Zweifel bei Abgeordneten und Verbänden

Es handelt sich um eine eher behutsame Reform. Die Zukunft der Pflegeversicherung gilt als Großbaustelle, denn in einer immer älter werdenden Gesellschaft werden auch immer mehr Menschen pflegebedürftig sein. Gleichzeitig steigen die Kosten auch mit den Löhnen für Pflegekräfte in dem Bereich. Und zudem herrscht in der Branche ein großer Fachkräftemangel.

Auch innerhalb der Ampel-Koalition hatten Abgeordnete zuvor eher zurückhaltend auf Lauterbachs erste Pläne reagiert. Zu einem ersten Reformentwurf vom Februar sagte die FDP-Politikerin Nicole Westig gegenüber unserer Redaktion, er beschränke sich "auf ein temporäres Löcherstopfen". Die Liberalen und auch CDU und CSU fordern eine stärkere private Vorsorge, die der Staat unterstützen müsse. Auch Betreiber von Altenheimen und Pflegediensten sind der Meinung, dass die Reformpläne nicht ausreichen, um die Finanzierung der Pflege dauerhaft zu sichern.

Lauterbach kündigt am Mittwoch eine Kommission zu dem Thema an: Beamtinnen und Beamte verschiedener Ministerien sollen beraten, wie die Pflegeversicherung langfristig stabilisiert werden kann. Denkbar ist zum Beispiel, dass mehr Steuermittel in die Versicherung fließen – dem müsste dann allerdings der Finanzminister zustimmen.

Arzneimittel: Pharmaunternehmen können bis zu 50 Prozent mehr verlangen

Lauterbach hat am Mittwoch aber noch ein weiteres Thema auf dem Zettel: Die Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln stellen viele Menschen vor große Probleme. Es geht dabei um Fiebersäfte für Kinder, aber auch um bestimmte Krebsmedikamente und Antibiotika. Die Bundesregierung hat am Mittwoch auch zu diesem Thema eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht. Ein Kernpunkt: Der Kostendruck auf die Pharmahersteller soll gesenkt werden, damit die Produktion der Arzneien für sie lohnenswerter wird.

Für Kinderarzneimittel etwa sollen die Preisregeln gelockert werden, Festbeträge und Rabattverträge werden abgeschafft. Die Pharmaunternehmen können ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages anheben. Anfang Februar waren die Festbeträge für bestimmte Kinderarzneien für zunächst drei Monate ausgesetzt worden.

Die sogenannten Austauschregeln für Apotheken will die Regierung vereinfachen: Ist ein Arzneimittel nicht verfügbar, dürfen Apothekerinnen und Apotheker ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben. Für den Austausch sollen Apotheken und Großhändler einen Zuschlag erhalten. (Mit Material von AFP)

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