Beim EU-Lieferkettengesetz musste die FDP eine erneute Schlappe hinnehmen. Bei "Markus Lanz" versuchte Christian Dürr die Gründe der Blockadehaltung darzulegen. Der Widerspruch in der Runde war energisch.
In Deutschland hat die FDP ihr Veto gegen das Lieferkettengesetz eingelegt. Dennoch stimmte eine Mehrheit der EU-Länder am Ende für die Richtlinie. Bei "Markus Lanz" verteidigte FDP-Fraktionschef Christian Dürr die Blockadehaltung seiner Partei, während er sich verbal mit dem ZDF-Moderator und Journalistin Ulrike Herrmann anlegte.
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Trotz des Widerstands seitens der FDP hat die Mehrheit der EU-Staaten für ein gemeinsames europäisches Lieferkettengesetz gestimmt. Das Gesetz soll künftig dafür sorgen, dass europäische Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten sicherstellen und dokumentieren. Das Gesetz wurde zwar in den vergangenen Monaten mehrmals abgeschwächt, die FDP hat dennoch ihr Veto eingelegt.
Das sind die Gäste
Christian Dürr , FDP-Fraktionschef: "Beim Lieferkettengesetz habe ich die große Kritik anUrsula von der Leyen von der CDU/CSU nicht gehört."- Ulrike Herrmann, Journalistin: "Die Liberalen tun so, als wüssten nur sie, wie Wirtschaft funktioniert."
- Patrick Zahn, Manager: "Wir finden im Grundsatz ein Lieferkettengesetz gut, denn wir haben nichts zu verbergen."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Mit einem jährlichen Umsatz im Milliardenbereich hat Patrick Zahn, der Chef des Textildiscounters KiK, künftig auch mit dem EU-Lieferkettengesetz zu tun. Im Gespräch mit Markus Lanz reagierte er zunächst gelassen und sagte: "Wir haben nichts zu verbergen." Dann differenzierte er: "Grundsätzlich befürworten wir das Lieferkettengesetz, aber nicht dieses Lieferkettengesetz."
Zwar sei die Textilbranche grundsätzlich "gut darauf vorbereitet" und "der Aufwand", den das Gesetz mit sich bringe, sei für ein Unternehmen wie KiK zu bewältigen, aber "die Administration selber" sei es, die Kosten verursache. Dies könnte für mittelständische Unternehmen durchaus zum Problem werden. Hinzu komme die "große Sorge" vor der Beweislast, was importierte Produkte angehe. "Ich könnte mir gut vorstellen, dass irgendwann wir mit Klagen zugeschüttet werden und das bedeutet für uns immense Prozessrisiken. Deswegen hat dieses Lieferkettengesetz für uns ein absolutes Risiko", erklärte der KiK-CEO.
Markus Lanz hakte verwundert nach, ob der Manager nicht ganz genau "bis ins letzte Detail" wisse, "wo was herkommt". Patrick Zahn erläuterte: "Wir kaufen nicht selber unsere Baumwolle ein, sondern wir platzieren Aufträge bei unseren Lieferanten. (...) Der Lieferant besorgt die Baumwolle."
Zwar gebe es mit den Lieferanten strenge Verträge, doch hier könne es hin und wieder zu Mauscheleien kommen. "Die letzte Faser werden wir nicht nachweisen können. Das wird nicht möglich sein", gab Zahn zu. Der Manager erklärte daraufhin, dass ein T-Shirt bei KiK bei 2,99 Euro starte und hauptsächlich in Bangladesch hergestellt werde, während "die Baumwolle (...) wahrscheinlich aus China" komme. Eine genaue Region in China konnte Zahn jedoch trotz mehrerer Nachfragen nicht nennen. Er versicherte jedoch: "Wir halten uns an die Gesetze, die es gibt - und zwar strikt."
Dies brachte Lanz auf die größten Konkurrenten des Textildiscounters zu sprechen: chinesische "Fast Fashion"-Marken wie "Shein". "Was passiert da gerade?", wollte Lanz wissen. Patrick Zahn offenbarte energisch, dass in Deutschland Waren unter 150 Euro zollfrei seien und damit keinerlei Beschränkungen unterliegen. "Jeden Tag kommen 400.000 Pakete nach Deutschland von chinesischen Internetanbietern", sagte der Manager, der deutsche Markt werde "geflutet" mit Artikeln, "die nicht geprüft sind, die sich nicht an irgendwelche Standards halten, die sich nicht ans Lieferkettengesetz halten".
Der KiK-CEO ergänzte wütend, dass rund 70 Prozent der chinesischen Artikel "schadstoffbelastet" seien: "Das ist eine Riesen-Sauerei, die dort passiert! (...) Das interessiert keine Sau und das erschreckt mich. Wir reden so lange übers Lieferkettengesetz." An FDP-Politiker Christian Dürr richtete er daher die abschließende Bitte, "massiv dagegen vorzugehen".
Das ist das Rede-Duell des Abends
Das Lieferkettengesetz war auch bei "Markus Lanz" ein hitziges Streitthema, nachdem der ZDF-Moderator festgestellt hatte, dass die FDP jetzt "völlig blamiert am Rand" stehe. Journalistin Ulrike Herrmann blickte belustigt auf den gescheiterten Blockade-Versuch der Liberalen und sagte ironisch: "Die Einzigen, die Ahnung haben in ganz Europa, ist die FDP. Und deswegen muss man leider ständig alles blockieren."
FDP-Fraktionschef Christian Dürr war offenbar nicht zu Scherzen aufgelegt und konterte: "In Deutschland ist auch nicht die Einzige, die Ahnung hat, Ulrike Herrmann." Der Politiker wurde daraufhin ernster und erklärte, dass es durchaus Kompromissversuche seitens der FDP gegeben habe: "Wir haben ja einen Weg hinter uns." Dennoch stellte er klar: "Es muss eine Partei in Deutschland geben, die sagt: 'Wir haben genug Bürokratie. Wir brauchen nicht immer mehr davon'."
In den Verhandlungen auf europäischer Ebene sei es laut Dürr "zumindest gelungen, den größten Irrsinn (...) herauszunehmen" und "gewisse Schwellenwerte" anzuheben, "aber es hat uns nicht ausgereicht". Der Grund? "Es bedeutet zusätzliche Bürokratie." Markus Lanz zeigte sich davon unbeeindruckt und merkte an: "Man kann ja gegen alles sein, aber warum fällt Ihnen das immer auf, kurz bevor alles klar ist?" Dürr wehrte sich: "Sie wissen, dass das vor anderthalb Jahren von uns vorgebracht worden ist, sogar mit einem Forderungskatalog?"
Der ZDF-Moderator konterte daraufhin: "Aber dieses ultimative Veto kommt von Ihnen immer dann, wenn alles auf dem Tisch liegt." Lanz unterstellte Dürr, dass er insgeheim "den großen Knall" wolle, um "entsprechend mediale Aufmerksamkeit" zu generieren und so die FDP-Umfragewerte zu steigern. Dürr wiegelte sichtlich irritiert ab: "Sie liegen ja immer richtig - da jetzt nicht." Lanz antwortete lachend: "Das wäre seltsam, wenn ich sonst immer richtig liege und heute ausnahmsweise falsch."
Daraufhin schaltete sich Ulrike Herrmann ein und wetterte los: "Es ist immer das Gleiche: Die FDP mit ihren Fünf-Prozent-Umfragen in Deutschland ..." Lanz unterbrach sie herzhaft lachend: "Jetzt reiten Sie doch nicht immer auf diesen fünf Prozent herum." Christian Dürr reagierte weniger amüsiert auf Ulrike Herrmanns verbale Attacken: "Sie versprühen gerade so viel Nebel!" Die Journalistin dementierte dies und kritisierte erneut die Lieferketten-Blockade der FDP auf EU-Ebene: "Die Liberalen tun so, als wüssten nur sie, wie Wirtschaft funktioniert."
Ein Argument, das bei Christian Dürr nicht anzukommen schien. Im Gegenteil: "Das ist einfach ein bisschen billig, sage ich mal ganz offen - (...) sich nicht mit dem Thema im Detail zu beschäftigen, sondern nur in Überschriften zu arbeiten." Die Journalistin wollte dies nicht unkommentiert lassen und schoss zurück: "Es ist total billig, jetzt mir zu unterstellen, ich würde kein Detail kennen."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Zu Beginn der Sendung versprach Markus Lanz, dass die "dominierende Geste" des Abends "Kopfschütteln" sein werde - und er hielt sein Versprechen. Besonders zwischen Ulrike Herrmann und Christian Dürr kam es fast zum Schleudertrauma. Auf einen gemeinsamen Nenner kam die Runde nicht.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Im Laufe der Sendung zählte Markus Lanz immer wieder auf, wogegen die FDP sich in den vergangenen Monaten ausgesprochen hat - darunter das Verbrenner-Aus sowie das Lieferkettengesetz. Christian Dürr wich dabei immer wieder konkreten Fragen und Kritik-Punkten aus und sagte stattdessen schwammig: "Bei jeder bürokratischen Regelung gibt es einen vermeintlich guten Grund. Aber die Frage, die wir uns doch mal stellen müssen, ist: Warum ist dieses Land über-bürokratisiert?" © 1&1 Mail & Media/teleschau
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.