Zu Corona gibt es mehr Fragen als Antworten. Sandra Maischbergers später Talk am Mittwoch zeigte zudem deutlich, dass alle Antworten bisher nur vorläufig sein können. Trotzdem gelang es ihr, das Problem Corona klarer zu definieren. Doch viele Erkenntnisse sind alarmierend.

Eine Kritik
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Von der größten Krise seit 1945 hatte die Kanzlerin kurz zuvor gesprochen. Zurecht besorgte Gesichter daher in Maischbergers Studio. Die Gäste:

Mit diesen Gästen diskutierte Sandra Maischberger:

  • Armin Laschet, CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Kandidat für den CDU-Vorsitz.
  • Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte
  • Prof. Susanne Herold, Infektiologin am Uniklinikum Gießen/Marburg
  • Prof. Uwe Janssens, Chefarzt der Intensivstation des St-Antonius-Hospitals Esch­wei­ler
  • Markus Gürne, Leiter der ARD-Börsenredaktion
  • Dr. Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes

Darüber diskutierte Sandra Maischberger mit ihren Gästen

Maischberger begann den Abend mit einer Aufzählung der Corona-Probleme, die Sie ansprechen wollte. Viele dürften innerlich gestöhnt haben: ZHU viele Themen für so wenig Zeit. Doch erstaunlicherweise klappte es mit dem ambitionierten Konzept: Die Show brachte Struktur ins breit gefächerte Thema und sorgte für tiefergehendes Verständnis in vielen Problemfeldern:

Wie viele Corona-Infizierte gibt es? Und wie viele Menschen sterben?

Karl Lauterbachs Antwort klang schockierend: Wenn das Robert-Koch-Institut von zirka 10.000 nachgewiesenen Infektionen spreche, dann müsse man davon ausgehen, dass es in der Realität vielleicht schon jetzt, spätestens aber bis zum kommenden Wochenende 70.000 bis 100.000 sein würden.

Nach wie vor ist nicht geklärt, wie tödlich das Virus ist. Weil in Italien wenig getestet wird, kommt man dort auf eine hohe Sterblichkeitsrate von mehr als vier Prozent. In Südkorea dagegen, wo viel mehr Menschen getestet werden, zählt man nur 0,8 Prozent Todesfälle.

Konkret könne man die Frage auch deshalb nicht beantworten, sagt Susanne Herold, weil die medizinische Versorgung in Deutschland besser sei als in Italien. Die Weltgesundheitsorganisation WHO gehe bisher von 3,8 % tödlichen Verläufen aus.

Die Mediziner konnten auch keine Hoffnung auf schnelle Forschungsergebnisse machen: In den nächsten fünf Monaten werde es keine "zielgerichteten Medikamente" geben, sagte Uwe Janssens.

Wie soll man sich im Alltag verhalten?

Sicher sei, erklärt Susanne Herold, dass Seife die Schutzhülle des Virus zerstöre und ihn dadurch unschädlich mache – häufiges und gründliches Händewaschen sei daher ebenso wichtig wie wenig Kontakt zu und genügend Abstand von den Mitmenschen. Dass der Erreger Covid-19 auf Geldscheinen an der Ladenkasse oder an der Lieferung vom Paketboten lange genug überlebt, um ansteckend zu bleiben, gilt als eher unwahrscheinlich, ist aber nicht zuverlässig geklärt.

Welche Symptome deuten auf Corona?

Das Erkennen der Krankheit sei so schwierig, dass von schnellen Drive-in-Diagnosen nichts zu halten sei, sagt Karl Lauterbach: "Da würde ich mich nie drauf verlassen." Symptome wie schwindender Geschmacksinn könnten auch auf eine normale Grippe deuten. Einzig eine Computer­to­mo­graphie der Lunge könne nach gegenwärtigem Stand sicheren Aufschluss über eine Corona-Infektion geben.

Reichen die medizinischen Kapazitäten in Krankenhäusern aus?

Auch die Antwort auf diese Frage wirkte eher beunruhigend: Die Gesundheitsämter seien bei der Beratung schon jetzt an der Grenze ihrer Kapazitäten, sagt Ute Teichert. Uwe Janssens geht davon aus, dass die Krankenhäuser ab sofort Operationen verschieben und so Platz und Personal auf den Intensivstationen freimachen. Auf diese Weise würden die Kapazitäten zumindest für die nächsten eineinhalb Wochen ausreichen.

Wenn sich die Zahl der schweren Erkrankungen verdopple oder gar verdreifache, wären die Möglichkeiten schnell erschöpft. Immerhin ist sich Armin Laschet sicher, dass in den nächsten Tagen ausreichend Schutzkleidung und Atemschutzmasken geliefert würden.

Warum gibt es nach wie vor keine einheitliche Linie bei den Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus – weder in Deutschland noch in Europa?

Bei dieser Frage läuft Laschet zu Form auf: In großer Ruhe setzt er auseinander, in welchen Entscheidungskonflikten die Politik in den vergangenen Tagen stand und weiterhin sgteht.

Das Primat liege derzeit vor allem bei Medizin und Wissenschaft. Gleichzeitig müsse aber die Politik abwägen, in welchem Maße man demokratische Grundrechte außer Kraft setzen dürfe, vor welchen Schäden man die weltweite Wirtschaft bewahren müsse und wie das Leben nach dem Ende der Krise wieder in Gang kommen könne, wie das Fehlen der Kitas ausgeglichen werde, wie das Essen der deutschen Tafeln an die bedürftigen Teile der Bevölkerung verteilt werden könne und vieles mehr. "Die Politik", so Laschet, "muss das alles zusammenhalten" – während sich die Lage täglich, ja sogar stündlich verändere.

Wie bewältigt die Wirtschaft die Corona-Krise?

Börsenexperte Markus Gürne begrüßt, dass die Bundesregierung über die Kreditanstalt für Wiederaufbau als Soforthilfe 500 Milliarden Euro in die Wirtschaft pumpen will. Doch die halbe Billion, fürchtet er, werde nicht ausreichen. "Jetzt ist die Stunde des Staates", konstatiert er und hält es für möglich, dass staatliche Beteiligungen etwa an Luftfahrtunternehmen wie der Lufthansa, aber auch bei Autobauern notwendig werden.

Selbständige Unternehmer bräuchten dringend Unterstützung: "Am Ende kann es nur um eines gehen: die Liquidität zu bewahren." Eine weitere ultimative Bedingung nach Meinung Gürnes: "Es muss sehr schnell gehen." Die Anforderungen sind enorm, doch Gürne ist sich sicher: "Deutschland hat die Finanzkraft, um das zu stemmen."

Corona-Krise: Höhepunkt und Ende nicht in Sicht

Gürnes wirtschaftlicher Optimismus schien nach so vielen alarmierenden Fakten dringend notwendig. Doch die schlimmste Nachricht kam dann ganz zum Schluss: Wann die Krise enden könnte, weiß niemand zu sagen. Ebenso wenig, wann der Höhepunkt erreicht sein wird. Dass frühestens im nächsten Frühjahr ein Impfstoff zur Verfügung stehen wird, findet Uwe Janssens trotzdem gut. Denn: "Die gesamte Infektionswelle wird über mehr als ein Jahr gehen."

Zu Optimismus also kein Anlass bei Maischberger. Zufrieden konnte man nur damit sein, über viele Aspekte der Corona-Krise umfassend und faktenreich informiert worden zu sein.

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