Ist es die Unzufriedenheit mit dem von der Ampelkoalition verabschiedeten Heizungsgesetz oder sind es die zuletzt gestiegenen Zahlen an Flüchtlingen? Die Parteien der politischen Mitte suchen derzeit alle nach Antworten auf die Frage, warum die AfD inzwischen in Umfragen bis zu 20 Prozent erreicht.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Auch ZDF-Moderator Markus Lanz versuchte sich am Dienstagabend einmal mehr an der Klärung und sprach mit Ex-Bundespräsident Joachim Gauck über die aktuell dringlichsten Gefahren für die Demokratie.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Große politische Themen wie die Einwanderung oder Energiewende sorgen in Deutschland immer wieder für heftige Debatten und Frust bei zahlreichen Bürgern. Mit Blick auf die jüngsten Wahlerfolge der AfD fragte ZDF-Moderator Markus Lanz den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck am Dienstagabend, ob er die Demokratie in ernsthafter Gefahr sehe und wie er den Höhenflug rechtsradikaler Gruppen einschätze.

Das sind die Gäste

  • Joachim Gauck, Bundespräsident a.D.: "In diesem Land werden diese Antidemokraten nie wieder die Macht bekommen."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Im Gespräch mit Joachim Gauck stellte Markus Lanz fest, dass im Land "Angst", "Frust" und "Radikalisierung" zu spüren sei. Der ZDF-Moderator fragte den ehemaligen Bundespräsidenten: "Was passiert da gerade?" Der in Rostock geborene Gauck antwortete, dass er sich mit 83 Jahren Sorgen um die Demokratie mache, die einst sein "Sehnsuchtsziel" war. In seiner Antrittsrede als Bundespräsident sagte Joachim Gauck noch 2012 über rechtsextreme Gruppen: "Euer Hass ist unser Ansporn. Wir lassen unser Land nicht im Stich."

Nun erklärte der Politiker offen, dass er damals noch gedacht habe, mit den richtigen Worten und einem menschenwürdigen, anständigen Ziel alle Menschen für sich gewinnen zu können. Mittlerweile wisse er jedoch, dass "in jedem Land eine bestimmte Gruppe der Bevölkerung so gestrickt" sei, "dass sie stärker Führung sucht und nicht so sehr eigene Mitwirkung und Mitbestimmung". Für diese Menschen sei "Freiheit eher problematisch" und "Sicherheit" ein Hauptthema. Mit Blick auf den Höhenflug der AfD ergänzte der ehemalige Bundespräsident, dass eine "längere Auseinandersetzung gerade mit Rechtspopulisten" notwendig sei, als er damals noch gehofft habe.

Joachim Gauck
Im Gespräch mit Markus Lanz erklärte Joachim Gauck, dass er trotz der "vielen Erschütterungen" hoffnungsvoll in die Zukunft blicke. © ZDF / Markus Hertrich

Als Markus Lanz nach den Gründen für die Wahlerfolge der AfD fragte, sagte Gauck, dass eine "signifikant hohe Anzahl" an Menschen "mit dieser offenen Gesellschaft" fremdle, denn "die ist ihr zu vielfältig, macht ihr Angst." Demnach gebe es ein "ungeheuer großes Maß" an Verunsicherung: "So groß, wie (...) noch nie in der Weltgeschichte zuvor."

Gauck ergänzte, dass "in solchen Phasen" einer Krise "oft die traditionellen Parteien nicht die tröstenden Antworten" liefern, während "da welche am Rand" auftauchen und sagen: "Es geht viel zu weit mit der Moderne". Dennoch stellte Joachim Gauck klar: "Diese Typen kommen bei uns nie an die Macht in Deutschland." Lanz hakte skeptisch nach: "Sind Sie sich sicher?" Gauck nickte zustimmend: "Deutschland ist doppelt geimpft. Wir hatten eine braune Diktatur, eine rote und eine weitere wollen wir nicht."

Während der Politiker "Wir schaffen das" sagte, stichelte er gegen die AfD: "Die haben zu wenig anzubieten. Die haben ein Programm für die Unzufriedenen, für die Heimatlosen." Sie seien es, die laut Gauck "abgeholt und getröstet werden" wollen. Markus Lanz wollte in dem Zusammenhang dennoch wissen, ob da gerade etwas in unserer Gesellschaft bröckle. Joachim Gauck wiegelte ab: "Wir haben viele gute Gründe, die AfD zu bekämpfen, (...) aber wir dürfen uns auch nicht einreden, dass alle, die diese Partei wählen, den Führer wieder haben wollen."

Markus Lanz, Joachim Gauck
ZDF-Moderator Markus Lanz sprach am Dienstagabend mit Joachim Gauck über den steigenden Wählerverlust der traditionellen Parteien in Deutschland. © ZDF / Markus Hertrich

Um dem Aufschwung der AfD entgegenzuwirken, forderte Gauck nicht nur "Führungsstärke" von Bundeskanzler Scholz, sondern auch eine "wertkonservative Politik". Er fügte hinzu: "Die Demokratie macht Fehler, Menschen machen Fehler. Aber die Summe der Fehler überwiegt nicht die Summe der Möglichkeiten und der Erfolge." Die Demokratie sei laut Gauck nach wie vor "ein Raum der Möglichkeiten", trotz der "vielen Erschütterungen".

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So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz schaffte es, am Dienstagabend mit konkreten Fragen ein interessantes Stimmungsbild zu zeichnen. Als er Joachim Gauck fragte, wann er zuletzt zuversichtlich auf dieses Land geblickt habe, antwortete der ehemalige Bundespräsident überraschend positiv: "Ich gucke auch heute noch zuversichtlich." Und das, obwohl es laut Gauck heutzutage "viel Unzufriedenheit" gebe und er wie viele andere Bürger auch wegen der Künstlichen Intelligenz "verunsichert" sei.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" drehte sich am Dienstagabend alles um die drängendsten Fragen unserer Zeit sowie den Höhenflug der AfD und die damit einhergehenden Gefahren für die Demokratie. Im Gespräch mit dem ZDF-Moderator warnte Joachim Gauck davor, "nur auf die Ostdeutschen" zu blicken.

Er plädierte vielmehr dafür, "diese Gefühle von Fremdheit gegenüber einer Moderne, die zu viel und zu schnell wandelt, als eine ganz enorme Herausforderung für fortschrittliche Politik zu sehen". Laut Joachim Gauck brauche jede Gesellschaft ein "wertkonservatives Denken".  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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