Lebensversicherungen werfen immer weniger Rendite ab. Insider warnen schon vor einem Crash im System. Bei "Hart aber fair" prüfte Frank Plasberg des Deutschen liebste Privatvorsorge – mit durchaus besorgniserregenden Ergebnissen.

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Der süffisante Humor gehört zweifellos zu den Stärken von Frank Plasberg, ob er allerdings bei Peter Schwark wirklich gut ankam, darf wohl bezweifelt werden.

"Herr Schwark, Sie haben das Vergnügen heute bei uns die Versicherer zu vertreten", begrüßte der Moderator den Geschäftsführer des Versicherungsverbandes GDV.

Da war "Hart aber fair" schon einige Minuten alt und hatte einen Start hingelegt wie das gute alte "Vorsicht Falle - Nepper, Schlepper, Bauernfänger": Ein netter alter Herr fühlt sich von seiner Versicherung gelinkt, statt 35.000 hat er nur 21.000 Euro kassiert, weil er auf das bestmögliche Szenario gehofft hatte, statt mit dem ein oder anderen Haken zu rechnen. Eine Verbraucherberaterin aus Hamburg kritisierte die Anbieter sodann für "Nebelkerzen" und Augenwischerei.

Kein angenehmer Auftakt für Herrn Schwark, und sein Montagabend wurde nicht gemütlicher. Frank Plasberg hatte ihn auf die Rolle des Buhmanns gebucht, bei einem Thema, das in diesen Tagen nicht unbedingt auf der Hand liegt, aber vielen Menschen in Deutschland unter den Nägeln brennt – oder brennen sollte.

So wenig Rendite wie nie

Rund 90 Millionen Lebensversicherungsverträge laufen aktuell in Deutschland, noch nie warfen sie im Durchschnitt so wenig Rendite ab.

Beim Thema "Crash der Lebensversicherungen: Panikmache oder echte Gefahr?" lehnte sich die Redaktion an Sven Enger an, der seit Wochen mit seinem Buch "Alt, arm und abgezockt: Der Crash der privaten Altersvorsorge" durch die deutschen Medien tingelt.

Seine Botschaft: Das Geschäftsmodell steht vor dem Aus, und damit auch der Traum vieler Anleger von einem finanziell sorgenfreien Lebensabend. Raus aus der Lebensversicherung, aber schnell!

Wer versteht Lebensversicherungen?

Für einen, der in seinem Buch und in Interviews mit apokalyptischen Szenarien hantiert, diskutierte der ehemalige Versicherungsmanager bei "Hart aber fair" ziemlich handzahm, fast blass. Was für ein Auftritt dagegen von Anja Kohl, ARD-Börsenexpertin, die sich wohl im ZDF-Wiso-Studio wähnte und eine Fernberatung anbot, inklusive eindringlichem Blick in die Kamera.

Neue Lebensversicherung? Hände weg! Altverträge vor 2005? Nicht kündigen! Als Schwark es wagte, ihr zu widersprechen, fuhr Kohl eine fulminante Zahlenkolonne nach der anderen auf, bis auch Plasberg aufgab und nur noch auf den Faktencheck verweisen konnte.

Überhaupt, die Fakten: Viel ging durcheinander bei dieser Diskussion, einfach weil das Produkt so komplex ist, dass selbst ein Frank Plasberg seine Jahresmitteilung "nur wegheftet", wie er zugab, statt sie zu lesen oder gar zu versuchen, sie zu verstehen.

Ralph Brinkhaus von der CDU, der Gute-Laune-Onkel in der Runde, der ständig zwischen "Passt schon!"-Schwark und der Panik-Fraktion Kohl/Enger vermitteln wollte, machte einen originellen Vorschlag: Die Versicherungen sollten doch einfach einen Brief mitschicken, in dem alles so einfach erklärt wird wie bei der "Sendung mit der Maus".

Machen wir doch, entgegnete Schwark flehentlich, wir sprechen doch die Nullzinspolitik an, die es uns so schwer macht, wir erklären doch alle wichtigen Kennzahlen. Auch damit drang er nicht durch.

Dieses Mal war es an Ulrich Schneider, dem Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes mit dem schönsten Backenbart seit Carl Friedrich Gauß, Schwark zu kontern: "Seien sie doch ehrlich, wenn sie wirklich hinschreiben, was am Ende garantiert zusammenkommt, verkaufen sie keine Versicherungen mehr."

Die Suche nach den Pappenheimern

Tatsächlich verkaufen die Versicherer immer weniger Policen, und immer mehr geraten in Probleme, vor allem in den nächsten Jahren, wenn die Verträge der Babyboomer enden.

Um zu erkunden, wie schlecht es um die Versicherer steht, holte sich Plasberg per Einspieler einen unverdächtigen Mann in den Zeugenstand: Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, sprach im Interview von einer "zweistelligen Anzahl Versicherungen in Manndeckung", und weiter: "Wir kennen unsere Pappenheimer."

Plasberg, ganz Nutzwert-Moderator: "Wie erkenne ich als Kunde, ob meine Versicherung dazugehört?"

Öffentlich einsehbar, rief Anja Kohl, und lieferte wieder Zahlen: 31 der 83 deutschen Lebensversicherer hatten 2016 Solvenzmittel unter 100 Prozent. Eine Statistik, die Schwark nicht auf seiner Branche sitzen lassen wollte: Alles alte Zahlen, mittlerweile erfülle jedes Unternehmen die 100-Prozent-Quote, im Durchschnitt liege sie bei 350 Prozent.

Eine gewaltige Lücke, die sich an diesem Abend zwischen "Passt schon" und Panik auftat.

Am Ende, so fasste es Ulrich Schneider zusammen, ist es eine Frage des Vertrauens: Ein komplexes Produkt, ein intransparentes Geschäftsmodel mit hohen Risiken für die Kunden, ständige Krisen an den Kapitalmärkten. "Wer jetzt noch eine Kapitallebensversicherung kauft, ist selber schuld."

Und Peter Schwark schüttelte nur noch entnervt den Kopf.

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