Arbeiten bis 70, mehr Förderung für Riester- und Betriebsrenten – die drohende Altersarmut sorgt in der Politik momentan für einige Ideen und Lösungsansätze, die nicht bei allen auf Begeisterung stoßen. Kann dieses Rentensystem noch gerettet werden oder muss eine Radikalkur her? Maybrit Illner diskutiert dies mit ihren Gästen.

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Wer heute nicht arbeitet oder schlecht verdient, der landet im Alter in der Armut. Betreffen könnte das in Zukunft jeden zweiten Bürger. Das hat die Politik aufgeschreckt. Ein Weg aus dem Dilemma ist aber noch längst nicht gefunden. In der Sendung Maybrit Illner geht es genau darum.

Was ist das Thema?

Kaum einer kann heute noch eine Festanstellung mit gutem Gehalt und einer Betriebsrente vorweisen, die ihm im Alter eine gute Rente sichert. Der schlechte Job von heute ist die schlechte Rente von morgen. Muss also jeder, der nicht genug verdient, künftig so lange arbeiten, bis die Rente reicht? Die Junge Union hält den eigenen Vorschlag, bis 70 zu arbeiten, für einen möglichen Weg aus der Altersarmut. Aber warum bezahlen eigentlich Beamte, Politiker und Selbständige nicht in den gesetzlichen Rententopf ein? Muss nicht das gesamte System hinterfragt werden? Diese und weitere Fragen thematisierte Maybrit Illner mit ihren Gästen.

Wer sind die Gäste?

Manuela Schwesig (Bundesfamilienministerin, stellv. SPD-Parteivorsitzende): Wer jahrelang gearbeitet hat, muss von der Rente leben können, so Schwesig. "Dafür muss nicht nur etwas an den Renten verändert werden. Die Arbeitswelt hat sich verändert, aber das Sozialsystem geht immer davon aus, dass jemand in eine Firma geht, dort 45 Jahre arbeitet und dann in Rente geht." Die Politikerin spricht deshalb von staatlich geförderten Wohnraum, Ausbau der Ganztagsschulen, Lohngerechtigkeit und Lebensleistungsrente, um Armut im Alter zu vermeiden. Die Flexi-Rente hält sie für eine gute Idee, aber eine Rente ab 70 "fix" zu machen, ist für sie keine Option. "Viele können nicht so lange arbeiten. Das Renteneintrittsalter muss verträglich bleiben."

Paul Ziemiak (Bundesvorsitzender der Jungen Union): Er hält eine Rente ab 70 für den einzigen richtigen Weg. "Es ist ungerecht, jetzt etwas zu versprechen, weil es populär ist und es später nicht zu halten", so Ziemiak. Eine Lebensleistungsrente hält er für nicht finanzierbar. Auf die Frage Illners, ob Politiker nicht auch in die Rentenkasse einzahlen sollten, antwortet der junge Politiker: "Jeder Abgeordnete sollte dieselben Privilegien und Pflichten haben wie jeder Bürger."

Klaus Dauderstädt (Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes): Die Pensionen der Beamten sind zu hoch – das ist die Meinung vieler. Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes sieht das anders und hält die Pensionen für angemessen. "Die Beamten sorgen ja selbst dafür, dass die Pensionen finanzierbar bleiben", so Dauderstädt. Zwischen den Pensionen und den Renten gibt es seiner Ansicht nach nur marginale Unterschiede, weil bei den gesetzlichen Renten noch die Betriebsrenten dazukommen würden. Dabei lässt er aber außer Acht, dass die Betriebsrenten nur für einem Bruchteil der Bevölkerung überhaupt existieren. Gut, dass Sascha Lobo auch da war - denn er hat ihn darauf hingewiesen.

Carla Rodrigues-Fernandes (Gebäudereinigerin und IG BAU-Mitglied): Sie sagt, wer Teilzeit arbeitet, muss Angst vor dem Alter haben. Rodrigues-Fernandes ist 42. Würde sie jetzt wieder Vollzeit arbeiten, sie würde auf etwa 800 Euro Rente im Alter kommen. "Viele Frauen – vor allem alleinerziehende Mütter – haben Angst, ins Rentenalter zu kommen", so Rodrigues-Fernandes. Ein weiteres Problem sieht sie darin, dass es zu viele befristete Verträge und Leiharbeiter – Tendenz steigend. "Es ist menschenverachtend, dass man teilweise 45 Jahre arbeitet und danach nicht genug zum Leben hat."

Sascha Lobo (selbständiger Blogger und Autor): Er fordert ein neues System, da sich Arbeit in den nächsten 20 Jahren "ganz dramatisch" verändern wird. Viele Solo-Selbständige würden viel zu wenig verdienen, um noch etwas für eine private Altersvorsorge beiseite zu schaffen – und das, obwohl sie jede Menge Steuern zahlen. Auch auf ein Mischsystem aus Festanstellung und Freiberuflertum geht die Politik bisher in seinen Augen viel zu wenig ein. Sein Vorschlag: "Wir brauchen eine steuerfinanzierte Rente für alle. Eine Rente, die sich daran bemisst, wie viel man gearbeitet hat. Alle bezahlen rein per Steuer, alle bekommen etwas raus. Ich sehe nichts, was dagegensprechen würde."

Was war der Moment der Sendung?

2,4 Millionen Solo-Selbständige gibt es derzeit in Deutschland. Sascha Lobo ist einer davon. Er sagt: "Ein Selbständiger bezahlt sein ganzes Leben lang nicht zu knapp Steuern in die Rentenkasse ein und kriegt am Ende gar nichts raus." Kurios wird es dann, als Klaus Dauderstädt, der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes dazwischenruft, dass dies ja auch die Beamten betreffe. Lobo entgegnet daraufhin zynisch, dass er sich um die Beamten wenige Sorgen mache und hält den Einwurf Dauderstädts für eine "sehr originelle Betrachtungsweise."

Was ist das Ergebnis?

Das Verständnis von Arbeit muss sich wandeln. Riester- und Betriebsrentenförderung allein scheinen nichts zu bringen, weil diese nicht alle Bürger erreicht. Klar ist auch: Nicht einmal der durchgesetzte Mindestlohn sorgt für eine Grundsicherung im Alter. Es müssten eigentlich mindestens 11,40 Euro sein. Die gesetzliche Rente ist nur noch eine Arbeiter- und Angestelltenrente. Das Problem dabei: Es gibt kaum noch klassische Arbeiter und Angestellte.

Laut Schwesig will Andrea Nahles in diesem Jahr auch noch ein System präsentieren, das auch die Selbständigen miteinbezieht. Die beiden anwesenden Politiker präsentierten in der Runde zwar Lösungsvorschläge, doch scheinen diese aufgrund der Veränderungen in der Arbeitswelt nur in Ausnahmefällen zu greifen. Hier hat die Politik offenbar noch kein Rezept in der Tasche.

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