Dass Russlands Langzeitherrscher Wladimir Putin auch nach der Wahl im März Präsident bleiben wird, gilt als ausgemacht. Zu seiner eigenen Überraschung ist es Kreml-Kritiker Boris Nadeschdin aber zumindest gelungen, die für eine Gegenkandidatur nötigen Unterschriften zu sammeln – eine kleine Sensation.

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Der Kreml-Kritiker Boris Nadeschdin hat die nötige Zahl von Unterschriften eingereicht, um bei der russischen Präsidentschaftswahl im März gegen Amtsinhaber Wladimir Putin antreten zu können. Ein Mitglied der Wahlkommission bestätigte am Mittwoch den Erhalt der Unterschriften, wie eine AFP-Journalistin berichtete. Der Ex-Abgeordnete, der die russische Offensive in der Ukraine ablehnt und die autoritären Züge von Putin offen anprangert, ist der einzige verbliebene Kandidat der Opposition. Die Wahlbehörde muss nun über seine Zulassung zur Wahl entscheiden.

Nadeschdin hatte vergangene Woche überraschend verkündet, die notwendigen 100.000 Unterschriften für seine Bewerbung zusammenzuhaben. Er habe sogar 105.000 Unterschriften abgegeben, teilte er am Mittwoch vor der Presse mit. "Danke allen, die an uns geglaubt haben", fügte er hinzu.

Weitgehend unbekannter Vorstadtpolitiker

Tagelang hatten sich lange Warteschlangen gebildet, um die Kandidatur des 60-Jährigen zu unterstützen. Die Unterschrift bot kritischen Russen eine seltene Chance, ihre Ansichten über die Politik des Kreml in der Ukraine öffentlich kundzutun. Dass er derart große Unterstützung erfahren würde, hatte Nadeschdin selbst überrascht, wie er vergangene Woche in einem AFP-Interview gesagt hatte.

Bis vor zwei Wochen war der potenzielle Putin-Herausforderer und Politik-Veteran weitgehend unbekannt. Seit rund drei Jahrzehnten ist der in der Sowjetära in Usbekistan geborene Sohn einer jüdischen Musiklehrerin und eines Physikers in der Politik, die meiste Zeit davon als Stadtrat des Moskauer Vororts Dolgorpudny.

Wird Boris Nadeschdin zur Wahl zugelassen?

Bei allen russischen Präsidentschaftswahlen seit den Tagen von Boris Jelzin hat er an den Kampagnen mitgewirkt. Mit Jelzins Nachfolger Putin war er während dessen erster Amtszeit in engem Kontakt, bevor dieser begann, rücksichtslos gegen seine Gegner vorzugehen. Danach beriet Nadeschdin den 2015 ermordeten Politiker Boris Nemzow und stand verschiedenen vom Kreml genehmigten Oppositionsparteien nahe.

Die Wahlkommission hat nun zehn Tage Zeit, um über Nadeschdins Zulassung zur Präsidentschaftswahl zu entscheiden. Doch selbst wenn er tatsächlich gegen Putin antreten dürfte, macht sich der 60-Jährige keine Illusionen über den Ausgang der Wahl im März. Aber er hoffe, dass der 17. März "zumindest den Anfang vom Ende" der Ära Putin einläuten werde, sagte er in dem Gespräch mit AFP.

Noch ist völlig unklar, wie weit der Vorstadtpolitiker Nadeschdin kommen wird. Für den Kreml aber steht, zumindest öffentlich, jetzt schon fest: "Wir sehen ihn nicht als Konkurrenten an", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow kürzlich in abschätzigem Ton. (afp/mcf)

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