Boris Nadeschdin will bei der Präsidentschaftswahl in Russland gegen Wladimir Putin antreten, auch wenn dessen Wiederwahl sehr wahrscheinlich ist. Dennoch setzt der Oppositionspolitiker auf den 17. März – und auf "den Anfang vom Ende" der Ära Putin.
Boris Nadeschdin sitzt in seiner Wohnung nördlich von Moskau und kann kaum glauben, dass er es so weit geschafft hat. Er will als Kandidat bei der Präsidentschaftswahl gegen
Zwar ist es unwahrscheinlich, dass der langjährige Abgeordnete in der Stadt Dolgoprudny bei Moskau, der es in rund zwei Wochen zu landesweiter Bekanntheit geschafft hat, in den Kreml einzieht. Eine Wiederwahl Putins, der seit dem Jahr 2000 an der Macht ist, gilt als sicher. "Aber ich hoffe, dass der 17. März, auch wenn er vielleicht nicht das Ende der Ära Putin sein wird, zumindest den Anfang vom Ende bedeutet", sagt Nadeschdin im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP mit Blick auf das Wahldatum.
Nadeschdin will Ende des Krieges und Befreiung politischer Gefangener
Nadeschdin, dessen Name das russische Wort für "Hoffnung" enthält, würde eigenen Angaben zufolge die "katastrophale" Offensive beenden und "politische Gefangene befreien". Er wolle, dass Russland ein Land ist, "das nicht versucht, sein Territorium mit Hilfe der Armee zu erweitern". Das sind eigentlich undenkbare Aussagen in einem Land, in dem Menschen wegen ähnlicher Äußerungen gegen den seit fast zwei Jahren andauernden Konflikt inhaftiert wurden.
Zwar ist Nadeschdin skeptisch, ob er kandidieren darf. Der Kenner des politischen Systems in Russland glaubt jedoch, dass seine Kritik toleriert wird. "Ich habe die vergangenen zehn Jahre damit verbracht, Putin zu kritisieren."
Wahlkommission kann Kandidatur ablehnen
Eigentlich hatte Nadeschdin darauf gewartet, dass jemand, der bekannter ist, seine Kandidatur gegen Putin ankündigt, wie der 60-Jährige sagt. Da dies niemand getan habe, beschloss er, selbst den Schritt zu gehen.
Nach Angaben seines Teams hat Nadeschdin mehr als die nötigen 100.000 Unterschriften gesammelt, um zur Wahl zugelassen zu werden. Die Wahlkommission kann seine Kandidatur jedoch ablehnen, wenn sie die Listen für fehlerhaft oder gefälscht hält. Dennoch: "Ich habe zu diesem Zeitpunkt nicht mit einer solch verrückten Welle an Unterstützung gerechnet", sagt Nadeschdin.
Die Warteschlangen zur Unterstützung des 60-Jährigen stehen im Kontrast zu den Darstellungen des Kremls, die russische Gesellschaft stehe voll und ganz hinter der Ukraine-Offensive. Sie boten kritischen Russen eine seltene Chance, ihre Ansichten in der Öffentlichkeit zu äußern. "Die Menschen haben nicht die Möglichkeit zum friedlichen Protest", sagt Nadeschdin, aber sie könnten unterschreiben.
Es habe in Russland "keine Forderung" gegeben, dass Putin die Offensive im Februar 2022 starten sollte. "Die Menschen verstehen, dass ihr Leben und die Sicherheit ihrer Familien durch das, was Putin tut, bedroht ist", sagt der 60-Jährige. Die Militäroperation bezeichnet er als sinnlos. "Ich glaube nicht, dass irgendeine Seite einen wirklich entscheidenden militärischen Sieg erringen könnte. Das ist völlig unrealistisch."
Nadeschdin kommuniziert nur über Online-Medien mit Unterstützern
Derzeit kommuniziert Nadeschdin nur über Onlinenetzwerke mit seinen Unterstützern. Dürfte er als offizieller Kandidat im Fernsehen auftreten, würde er mehr Anhänger haben, sagt er: "Ich versichere Ihnen, meine Unterstützung würde wachsen." Eine ganze Generation sei unter Putin aufgewachsen, die meisten Russen "kennen einfach keinen anderen".
Für viele kam es überraschend, dass Nadeschdin es überhaupt so weit geschafft hat. Er stand mit Putin in engem Kontakt während dessen erster Amtszeit, ehe der Kontakt nach der Festnahme des Oligarchen Michail Chodorkowski im Jahr 2003 abbrach. Damals festigte Putin seine Macht und begann, rücksichtslos gegen seine Gegner vorzugehen. In der Opposition stand Nadeschdin dem 2015 ermordeten Politiker Boris Nemzow und verschiedenen vom Kreml genehmigten Oppositionsparteien nahe.
Nadeschdin glaubt daran, dass Veränderungen nur an der Wahlurne möglich sind. "Alle anderen Wege - Revolutionen, egal welcher Couleur, oder Staatsstreiche - sind viel schlimmer."
Warum er nicht ins Visier der russischen Unterdrückungsmaschinerie geraten ist, weiß Nadeschdin nach eigenen Angaben nicht. "Ich glaube, sie wissen, wer ich bin und sehen mich offenbar nicht als schreckliche Bedrohung. Aber ich kann nur vermuten." (afp/mbo)
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