Was auf "AKK" Annegret Kramp-Karrenbauer zukommt, kann man getrost als einen Berg von Problemen bezeichnen: Die neue Verteidigungsministerin übernimmt als Nachfolgerin der an die EU-Spitze gewechselten Ursula von der Leyen eine in vielerlei Hinsicht marode Bundeswehr.

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Das Vorwort zum Jahresbericht 2018, den der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels Ende Januar 2019 dem Bundestag übergeben hat, beginnt mit dem Satz: "Vieles muss und soll besser werden." Was der Bundeswehr fehlt, darüber sind sich eigentlich alle einig – Parteien und Parlamentarier, Medien und Öffentlichkeit, Zivilisten und Soldaten. Vier Punkte stehen im Mittelpunkt: Ausrüstung, Bürokratie, Digitalisierung, Personal. Und ein Hauptproblem bleibt das Geld.

Die Ausrüstung – Mangel von der Unterhose bis zum U-Boot

Dass eine Armee ihre Ausrüstung verfügungsbereit halten sollte, ist eine Binsenweisheit, von deren Verwirklichung die Bundeswehr weit entfernt ist: Sie ist in vielen Bereichen nicht wirklich einsatzbereit. Anlässlich eines Manövers in Norwegen im vergangenen Jahr gelang es nur mühsam, Winterbekleidung für die Soldaten bereitzustellen. Bekannt wurde auch, dass Soldaten ihre Unterhosen nach den Einsätzen zurückgeben sollen – sie werden weitergegeben.

Schlimmer sind die Probleme beim Material: Nur einer von vier Panzern ist einsatzbereit, von den U-Booten nur jedes fünfte. Bei der Luftwaffe ist weniger als die Hälfte der Eurofighter und Tornados flugfähig. Die Marine hatte im zweiten Halbjahr 2018 keinen Tanker zur Verfügung, die Munitionsbestände sind laut Jahresbericht "auf ein Minimum reduziert". Einfach mal reparieren? – Von wegen: Die Ersatzteillage ist kritisch, bei den Industrie-Instandsetzungen, so der Wehrbeauftragte, seien "viel zu lange Wartezeiten (…) mittlerweile die Regel". Auch die Gebäude der Bundeswehr sind in teilweise beklagenswertem Zustand – "vom Duschkopf bis zum Hallendach".

Die Bürokratie – das "Monster" der Bundeswehr

Als Haupthindernis bei der Beseitigung solcher Missstände gilt bei den Soldaten das "Bürokratiemonster Bundeswehr". Nicht zuletzt zeugt der Fall "Gorch Fock" von diesem Problem: Der Reparaturpreis für das Segelschiff hat sich von zehn auf 135 Millionen Euro verdreizehnfacht und steht, so der Wehrbeauftragte, "für verschwenderischen Umgang mit den Ressourcen Geld und Zeit".

Besonders das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz steht in diesem Zusammenhang unter massiver Kritik. Die Bestellung neuer Uniformen etwa läuft dort über acht Instanzen. Die Behörde, heißt es, prüfe jedes kleinste Detail mehrmals und stehe sich mit ihrer akribischen Anwendung aller Vorschriften selbst im Weg.

Die Digitalisierung – eine Debatte fehlt

Bei der Digitalisierung, der so neuen wie zukunftsreichen Sparte der Verteidigung, fehlt es nach wie vor an Orientierung. Der Wehrbeauftragte lobt zwar die Einrichtung des Organisationsbereichs Cyber und Information. Gleichzeitig aber vermisst er eine "breit angelegte Debatte über künftige Reaktionen der Bundeswehr auf Cyber-Angriffe".

Auch zwei Jahre nach Gründung der Cyber-Abteilung ist nicht geklärt, welche konkreten Zielen die IT-Spezialisten in der Truppe verfolgen sollen. Bartels scheint auch nicht sicher zu sein, dass die Führung der Bundeswehr diese Orientierungshilfe selbst geben kann – der Wehrbeauftragte fordert die "Einbeziehung von Experten außerhalb von Bundeswehr und Politik".

Das Personal – wenig Vertrauen, wenig Nachwuchs

Möglicherweise eines der gravierendsten Probleme der Bundeswehr ist das fehlende Vertrauen in die politische Führung. Eine Zeit lang sah es so aus, als ob Kramp-Karrenbauers Vorgängerin Ursula von der Leyen hier Boden gut gemacht hätte, als Maßnahmen zur Beseitigung der gravierendsten Missstände zu greifen begannen. Doch zuletzt verlor sie wieder an Rückhalt: Im Zusammenhang mit Rechtsextremismus bei den Streitkräften hatte sie von einem "Haltungsproblem" gesprochen und damit verallgemeinernd die gesamte Truppe diskreditiert.

Vor diesem Hintergrund dürfte es auch in Zukunft nicht leicht sein, den geforderten Personalstand der Bundeswehr zu halten. Zusätzliche Probleme macht den Streitkräften die Tatsache, dass sich auf dem florierenden Arbeitsmarkt die Konkurrenz zur Wirtschaft verschärft. Ende 2018 waren fast 20.000 Stellen bei der Bundeswehr nicht besetzt, die Bewerberzahlen gehen zurück.

Das Geld – wie geht es weiter mit dem Bundeswehr-Etat?

Mit der finanziellen Ausstattung der Bundeswehr zeigte sich der Wehrbeauftragte im Januar zufrieden. Die Planung sieht vor, den Wehretat bis zum Jahr 2024 auf 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, der Etat des Verteidigungsministeriums ist seit 2014 um satte 36 Prozent gewachsen. Trotzdem wird er den Planungen zufolge 2020 erst bei 1,37 Prozent des Bruttosozialproduktes liegen.

Kritiker sind skeptisch, ob sich in weiteren vier Jahren der Anstieg auf 1,5 Prozent verwirklichen lassen wird. Und erst recht, ob die für 2031 angestrebte "Vollausstattung" der Bundeswehr zu erreichen ist. Vor allem, wenn, wie befürchtet, die deutsche Wirtschaft nicht weiterwächst wie in den vergangenen Jahren.

Viele Aufgaben – weltweit und bei Olympia

Elf vom Bundestag genehmigte Auslandseinsätze der Bundeswehr laufen derzeit – über Mangel an Aufgaben kann sich die Bundeswehr nicht beklagen. Damit sie den Anforderungen gerecht werden kann, muss "vieles besser werden", müsste Annegret Kramp-Karrenbauer einen guten Teil des Problembergs abtragen.

Mut machen könnten ihr die Erfolge der Bundeswehr bei den Olympischen Winterspielen 2018. Dort gingen 52 Prozent der deutschen Medaillen an von der Bundeswehr geförderte Olympioniken. Allerdings blieb das der breiten Öffentlichkeit nahezu unbekannt.

Verwendete Quellen:

  • Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten. Jahresbericht 2018 (60. Bericht). Deutscher Bundestag, Drucksache 19/7200 vom 29.1. 2019
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