In Belarus geht das Volk seit Wochen auf die Straßen, um Staatschef Lukaschenko aus dem Amt zu treiben. Der angeschlagene Machthaber bekommt nun Hilfe vom mächtigen Nachbarn Russland.

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Kremlchef Wladimir Putin hat angesichts des Machtkampfes in Belarus (Weißrussland) seinem politisch angeschlagenen Kollegen Alexander Lukaschenko einen Kredit von 1,5 Milliarden US-Dollar versprochen. Das Nachbarland solle "in diesem schwierigen Moment" die Hilfe aus Moskau bekommen, sagte Putin am Montag bei einem Treffen mit Lukaschenko in Sotschi. Der belarussische Staatschef steht seit der umstrittenen Präsidentenwahl im August, die wochenlange Massenproteste auslöste, immens unter Druck.

Rund 900 Festnahmen

Am Wochenende wurden bei den Protesten fast 900 Menschen festgenommen. Maskierte Uniformierte gingen besonders rabiat gegen die Demokratiebewegung vor. Die Behörden des Strafvollzugs sprachen von vollen Gefängnissen. Die Sicherheitskräfte begründeten ihr Vorgehen damit, dass die Aktionen nicht genehmigt gewesen seien. Allein in Minsk waren nach Schätzungen von Beobachtern mehr als 150 000 Menschen auf die Straßen gegangen.

Lukaschenko traf sich mit Putin am Schwarzen Meer, um mit ihm über einen Ausweg aus der schwersten politischen Krise zu beraten. Der 66-Jährige ist seit 26 Jahren an der Macht.

Die Demokratiebewegung sieht die 38-jährige Swetlana Tichanowskaja als Siegerin der Präsidentenwahl vom 9. August. Nach der umstrittenen Abstimmung hatte sich Lukaschenko zum Sieger erklären lassen - mit 80,1 Prozent der Stimmen. Die Zusammenkunft mit Putin war das erste persönliche Treffen der beiden seit der Wahl - und das erste Mal, dass Lukaschenko seither das Land verlassen hat.

Belarus ist wirtschaftlich massiv vom großen Nachbarn Russland abhängig. Das Land hat laut eigenem Finanzministerium 18 Milliarden US-Dollar Schulden im Ausland, ein Großteil davon in Russland.

Putin empfiehlt Reformen

Putin sprach sich aufgrund der angespannten Lage auch für eine Verfassungsreform in Belarus aus, um danach Neuwahlen anzusetzen. "Ich denke, das ist logisch, zeitgemäß und angemessen", sagte der Kremlchef. Mögliche Veränderungen hat Lukaschenko zwar nicht ausgeschlossen. Die Opposition ist aber überzeugt, dass er mit diesen Versprechungen nur Zeit gewinnen wolle.

Der UN-Menschenrechtsrat wird sich auf Initiative der EU am Freitag in einer Dringlichkeitsdebatte mit der Situation in Belarus befassen. Die Menschenrechtslage habe sich seit der "weder freien noch fairen" Wahl dramatisch verschlechtert, kritisierte der Botschafter Deutschlands, Michael von Ungern-Sternberg. Angesichts der Gewalt, der willkürlichen Verhaftungen und der teils grausamen Behandlung der Festgenommenen dürfe der Menschenrechtsrat nicht schweigen.

Bundesregierung verurteilt Vergehen gegen Demonstranten

Auch die Bundesregierung verurteilte abermals die Gewalt gegen Demonstranten scharf. Der anhaltende Protest sei Ausdruck der Unzufriedenheit, aber auch der Wut und Verzweiflung, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Jeder Tag bringe neue Beweise dafür, dass Lukaschenkos Herrschaft mit Angst und Repressionen aufrechterhalten werden solle.

Inmitten der Spannungen findet im Nachbarland Litauen ein rund zweiwöchiges Militärmanöver mit etwa 950 Soldaten aus zehn Nato-Ländern statt. Es sei eine lange geplante und defensiv ausgerichtete Übung, hieß es in einer Mitteilung der US-Armee in Europa. Die russische Armee begann zeitgleich mit Streitkräften aus Belarus an der Grenze zu Polen eine Militärübung, die elf Tage dauern soll. Danach würden die Soldaten zu ihren Standorten zurückkehren, sagte Putin. (mss/dpa)

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