Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat erste Pläne für eine Strukturreform der Bundeswehr vorgestellt: Sie soll schlanker, schneller und flexibler werden. Außerdem macht der SPD-Politiker bei der Wiedereinführung eines Wehrdienstes Tempo.

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Das Wort hatte für Diskussionen, teils für Irritationen gesorgt, doch Boris Pistorius gefällt es offenbar sehr gut: Die Bundeswehr müsse wieder "kriegstüchtig" werden, hatte der Bundesverteidigungsminister im vergangenen Herbst gesagt. Seine Argumentation: Wenn Deutschland mögliche Aggressoren abschrecken und einen Krieg verhindern wolle, müsse es in der Lage sein, diesen Krieg im Fall der Fälle auch zu führen.

Ein Baustein auf dem Weg dahin soll eine Reform der Streitkräfte sein. Die Vorschläge einer Arbeitsgruppe hat Pistorius am Donnerstag vorgestellt. Der SPD-Politiker will die Truppe schlanker, schneller und flexibler machen. Vor allem auf der Führungsebene. "Niemand sollte auf die Idee kommen, das Nato-Gebiet anzugreifen", sagt Pistorius. Dafür brauche es eine "Bundeswehr der Zeitenwende".

Dahinter stecken auch gewandelte Anforderungen: In den 90er und den Nullerjahren hatte sich die Truppe zunehmend auf Auslandseinsätze konzentriert, etwa auf dem Balkan, in Afghanistan und Afrika. Doch der russische Überfall auf die Ukraine und die Angst vor weiteren Aggressionen Russlands haben die Verteidigung des Bundes- und Nato-Gebiets wieder in den Mittelpunkt gerückt.

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Grobstruktur der Streitkräfte: Das ist geplant

Eine 30-köpfige Arbeitsgruppe hatte sich seit Ende vergangenen Jahres Gedanken um die Neuorganisation der Streitkräfte gemacht. Ohne teure Berater zu beauftragen, betont Pistorius.

Die Arbeitsgruppe schlägt nun unter anderem diese Schritte vor:

  • Bisher besteht die Bundeswehr aus drei Teilstreitkräften: Heer (mit bisher rund 64.000 militärischen und zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern), Luftwaffe (32.000) und Marine (17.000). Der Cyber- und Informationsraum (16.000), kurz CIR, soll künftig den Status einer vierten Teilstreitkraft bekommen. Die Cybersicherheit sei von ständig wachsender Bedeutung, sagt der Minister.
  • Das Heer – also die Landstreitkräfte – soll weiter wachsen. Unter sein Kommando sollen die Heimatschutzkräfte für die Katastrophenhilfe im Inland kommen. Letztere sind bisher 16 unterschiedlichen Kommandos in den Bundesländern unterstellt.
  • Neben den Teilstreitkräften hat die Bundeswehr bisher noch die eigenständigen Bereiche Sanitätsdienst und Streitkräftebasis, die unter anderem für die Versorgung der Truppe zuständig sind. Sie sollen ihre Inspekteure verlieren und in einem größeren "Unterstützungskommando" aufgehen. Dazu gehören auch die Feldjäger (die Militärpolizei der Bundeswehr).
  • Bisher hat die Bundeswehr ein Einsatzführungskommando für Auslandseinsätze sowie das Territoriale Führungskommando für Landesverteidigung und Arbeit im Inland. Beide Kommandos sollen zu einem "Operativen Führungskommando" zusammengelegt werden. Pistorius erhofft sich davon schnelle Entscheidungen durch ein gemeinsames Lagebild. Das neue Kommando soll Ansprechpartner für die Nato sowie für die Länder und Kommunen sein.
© dpa-infografik GmbH

Strukturreform ist nur ein Schritt von vielen

Wie viele Stabsstellen durch die Pläne wegfallen, kann der Minister am Donnerstag nicht beziffern. Ein Selbstläufer dürfte die Strukturreform nicht sein. In Sanitätswesen und Streitkräftebasis soll es Widerstand gegen die geplante Fusion geben. Dort habe man sich gegen die Reform ausgesprochen, berichtet unter anderem die "FAZ". Kritik liege "in der Natur der Sache", sagt Pistorius. Das sei bei einer Reform ganz normal. "An einer Reform muss man sich auch reiben."

Außerdem ist die neue Struktur nur einer von vielen Schritten auf dem Weg zu einer schlagkräftigeren Armee. "Gute Strukturen nützen nichts, wenn Geld, Ausstattung und Personal nicht da sind", sagt Pistorius. Das Beschaffungswesen der Bundeswehr gilt als chronisch schwerfällig – auch wenn die Ampelkoalition dort schon für schnellere Prozesse gesorgt hat.

Eine Dauerbaustelle bleibt auch die Truppenstärke: "Die Bundeswehr altert und schrumpft", hat die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, vor kurzem gesagt. Zur Zeit der Wende war die Truppe noch fast 500.000 Mann stark, inzwischen hat sie sich auf etwas mehr als 180.000 Soldaten und Soldatinnen verkleinert. Das Ziel, bis zum Jahr 2031 wieder eine Zahl von 203.000 Köpfen zu erreichen, gilt als schwer erreichbar.

Wehrdienst: Machbarkeitsstudie bis Mitte April

Eine Rückkehr zum Wehrdienst gilt als eine Möglichkeit, mehr Menschen in die Bundeswehr zu holen. Pistorius hat sich bereits dafür ausgesprochen. Und er meint es offenbar ernst. Bis Mitte April erwartet er ein Papier zur Machbarkeit verschiedener Modelle. Dann will sich der Minister dafür einsetzen, eines davon politisch durchzusetzen – wohl wissend um die großen Hürden. Denn in der aktuellen Koalition sind die Vorbehalte groß. Auch dieser Schritt dürfte also nicht einfach sein.

Johann Wadephul (CDU): "Von echter Reform kann man nicht sprechen"

Nach Einschätzung des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Johann Wadephul, gehen die Pläne von Pistorius zwar in die richtige Richtung. "Doch verwundert, warum er nicht einen viel größeren Wurf gewagt hat, der die Bundeswehr vor allem in den Fähigkeiten stärkt und die Wasserköpfe der Verwaltung und der Stäbe verkleinert", teilt Wadephul auf Anfrage unserer Redaktion mit. Von einer echten Reform könne man nicht sprechen, findet er. "Eher von Anpassungen in der Spitzengliederung. Pistorius wird damit viele Erwartungen enttäuscht haben."

Auch Wadephul weist auf die anderen großen Baustellen hin, etwa die nachhaltige Finanzierung der Bundeswehr und eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht: "In diesen Fragen bleibt Pistorius eine Antwort schuldig – die Zeit jedoch drängt, für ihn wie für die Truppe", so der CDU-Politiker.

Verwendete Quellen

Boris Pistorius.

Bundeswehrreform: Union hat große Erwartungen an Pistorius

Verteidigungsminister Boris Pistorius stellt am Donnerstag die Bundeswehrreform vor., Die Erwartungen der Union sind groß. Tiefgreifende Maßnahmen werden gefordert.
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