In der AfD gärt es wie in einem Essigfass und manch einer ist längst sauer - auf Rechtsaußen Björn Höcke. Der thüringische Landeschef der Partei hat einen Richtungsstreit provoziert und muss dafür nun unverblümte Kritik einstecken.

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Der Thüringer AfD-Fraktionschef und Partei-Rechtsaußen Björn Höcke hat mit einer Kampfansage an den Parteivorstand den Zorn vieler AfD-Politiker auf sich gezogen.

In einem von mehr als 100 Mandatsträgern und Funktionären unterzeichneten Appell "für eine geeinte und starke AfD", der am Mittwoch veröffentlicht wurde, heißt es: "Mit seiner Rede beim Kyffhäuser-Treffen am Sonnabend hat Björn Höcke die innerparteiliche Solidarität verletzt und ist damit unseren Wahlkämpfern und Mitgliedern in den Rücken gefallen."

Unterzeichner gegen "Personenkult" um Höcke

Höcke hatte auf dem jährlichen Treffen seiner AfD-Rechtsaußengruppe "Flügel" die Bundesspitze scharf attackiert. Nach den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen werde er sich "mit großer Hingabe und mit großer Leidenschaft der Neuwahl des Bundesvorstands hingeben", kündigte er an.

Unter frenetischem Jubel seiner Anhänger fügte er hinzu: "Und ich kann euch garantieren, dass dieser Bundesvorstand in dieser Zusammensetzung nicht wiedergewählt wird". Die AfD sei nicht gegründet worden, um "einen Raum zu schaffen, in dem jeder alles sagen kann".

Zu Beginn des Treffen war Höcke flankiert von fahnenschwenkenden Anhängern in den Saal eingezogen. Ein Image-Film unterstrich seine dominante Rolle in der Vereinigung. Auch diesen "exzessiv zur Schau gestellten Personenkult" um Höcke lehnen die Unterzeichner des Appells ab. "Die AfD ist und wird keine Björn-Höcke-Partei."

Zu den bekennenden Höcke-Gegnern gehören unter anderem der Bundesschatzmeister Klaus Fohrmann, die Partei-Vize Albrecht Glaser, Kay Gottschalk, Georg Pazderski, sowie der Europa-Abgeordnete Joachim Kuhs. Mehrere Bundestagsabgeordnete schlossen sich an, darunter Joana Cotar, Verena Hartmann, Marc Jongen und Volker Münz. Auch der rheinland-pfälzische Landeschef Uwe Junge und die niedersächsische AfD-Chefin Dana Guth haben unterschrieben.

Kritik auch von Meuthen und Gauland

Die beiden Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und Alexander Gauland haben nicht unterschrieben, gehen aber dennoch auf Distanz zu Höcke. Der von Höcke "zuweilen betriebene Personenkult" passe nicht zur AfD, sagte Meuthen der Nachrichtenagentur AFP.

Der schriftliche Widerspruch anderer Parteimitglieder bestätige seinen Eindruck, dass Höcke mit seiner Kritik an der Arbeit des Bundesvorstands und der Schiedsgerichte "über keinerlei Mehrheiten in der Partei verfügt".

Alexander Gauland sagte der AFP: "Ich halte die Rede von Björn Höcke genauso wie den Fahneneinzug auf dem Kyffhäuser-Treffen für unangebracht." Den Appell habe er nicht unterschrieben, "weil ich ihn in Wahlkampfzeiten für ähnlich unangebracht halte", fügte Gauland hinzu.

Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel und der Vorsitzende der Jungen Alternative, Damian Lohr, riefen alle Mitglieder auf, "öffentliche Schlammschlachten" vor den drei Landtagswahlen im Osten zu vermeiden. In einer gemeinsamen Erklärung der beiden hieß es: "Gräben aufzureißen ist der falsche Weg."

Höcke wollte sich zu den Vorwürfen gegen ihn am Mittwoch nicht äußern. Das erklärte ein Sprecher des Thüringer AfD-Landesverbandes der dpa auf Anfrage.

40 Prozent der AfD-Mitglieder dem "Flügel" gewogen?

Wie viele AfD-Mitglieder dem "Flügel" nahe stehen ist nicht bekannt. Es handelt sich um einen losen Zusammenschluss innerhalb der Partei. Zum Kyffhäuser-Treffen am Samstag waren rund 800 Gäste gekommen.

In einer Talkshow mit Sandra Maischberger im Januar hatte Gauland den "Flügel" eine "Splittergruppe" genannt - um dann zuzugeben, dass auf Parteitagen rund 40 Prozent der Delegierten diese vermeintliche "Splittergruppe" unterstützen.

Nach Auffassung des AfD-Schiedsgerichtes des bayerischen Landesverbandes stellt der "Flügel" eine eigenständige Organisation dar. In einen Beschluss der bayerischen Parteirichter vom 30. Juni heißt es, es sei "nicht mehr zu verneinen", dass der "Flügel" in einem "Konkurrenzverhältnis" zur AfD stehe.

Der Verfassungsschutz führt den "Flügel" seit Jahresanfang als rechtsextremistischen Verdachtsfall. "Es liegen hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um eine extremistische Bestrebung handelt. Das propagierte Politikkonzept ist auf Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, insbesondere Muslimen, und politisch Andersdenkenden gerichtet", so die Begründung.

Anders als in den Vorjahren vermieden die Redner beim Kyffhäuser-Treffen in diesem Jahr - jetzt, da der Verfassungsschutz alarmiert ist - rassistische Attacken auf einzelne Zuwanderergruppen oder Reizwörter wie "Bevölkerungsaustausch".

Der Tenor aber war der gewohnte: Zuwanderung ist bedrohlich, Integration unmöglich bis unerwünscht, die von Windrädern verschandelte Heimat in Gefahr. (dpa/afp/mcf)

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