Rodrigo Duterte unterzieht die Philippinen seit seiner Amtseinführung einer anhaltenden "Säuberungsaktion", die bereits Tausende Menschen das Leben gekostet hat. Doch je mehr er dafür kritisiert wird, desto widerwilliger reagiert das demokratisch gewählte Oberhaupt.
In einem Präsidialsystem kann Kritik am Staatsoberhaupt gefährlich werden. Das wissen die Menschen auf den Philippinen schon lange. Jetzt aber werden auch Ausländer nicht mehr geschont.
"Ich würde euch alle aufhängen!", rief Präsident Rodrigo Duterte bei einem Besuch in Myanmar unlängst in die Kameras.
Gemeint waren europäische Politiker, die die aktuelle Situation auf dem fünftgrößten Inselstaat der Welt offiziell kritisiert hatten. Sie sollten sich "um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern", fuhr Duterte wütend fort.
"Der Strafende" bezeichneten die Filipinos Duterte bereits während des Wahlkampfs letztes Jahr. Seitdem ist das bald 72 Jahre alte Staatsoberhaupt seinem Ruf mehr als gerecht geworden.
Dem mittlerweile berüchtigten "Krieg gegen die Drogen" sind seit seinem Amtsantritt im Juni 2016 bis Ende Januar 2017 laut Angaben des Auswärtigen Amts mehr als 7.000 Menschen zum Opfer gefallen.
Duterte zufolge seien die meisten davon Kleinkriminelle und Drogenhändler gewesen. Rund 2.500 hätte die Polizei getötet, der Rest sei unter "ungeklärten Umständen, aber zu Recht" hingerichtet worden, erklärt Duterte zynisch.
Tatsächlich ist nicht in erster Linie die Polizei, sondern Dutertes eigens gegründete Anti-Drogen-Einheit darauf abgestellt, Dealer und Konsumenten aufzuspüren.
Den von ihm als "korrupt" bezeichneten Polizeibeamten drohte Duterte, sie für zwei Jahre in seine Heimatprovinz Davao zu versetzen.
Diese befindet sich fest in der Hand von Drogenkartellen, die sich regelmäßige Auseinandersetzungen mit den dortigen islamistischen Gruppierungen liefern.
Mit harter Hand gegen Gegner aller Art
Mitleid sucht man bei Duterte vergebens. Dass bislang 7.000 Menschen getötet wurden, bekümmert ihn nicht.
Stattdessen brüstet er sich damit, als früherer Bürgermeister der Millionenstadt Davao City auf Mindanao – einer autonomen muslimischen Region und zweitgrößten Insel der Philippinen – selbst Hand angelegt zu haben, indem er beispielsweise Menschen aus einem fliegenden Helikopter in den Tod gestoßen haben will.
Geht es nach ihm, werde es sogar "noch mehr Tote geben". Auch weil er die Wiedereinführung der Todesstrafe durchsetzen will.
Nicht einmal vor Kindern macht der studierte Rechtsanwalt Duterte Halt. So soll das Strafmündigkeitsalter künftig von fünfzehn auf neun Jahre herabgesetzt werden. Drogenbarone, argumentiert Duterte, würden immer jüngere Kuriere einsetzen.
Stecke man diese jedoch früh ins Gefängnis, würden sie dort "ihre Lektion lernen" und sich nicht kriminalisieren lassen.
Von der Kirche erntete Duterte prompt Kritik: "Wachsamkeit der Eltern und härtere Strafen für jene, die die jungen Leute für Verbrechen ausnutzen", sei ein sinnvolleres Vorgehen.
Überhaupt ist die Kirche ein entscheidender Akteur in dem mehrheitlich katholisch geprägten Land.
Mitte Februar protestierten laut Polizeiangaben mehr als 10.000 Einheimische in der Hauptstadt Manila unter dem Motto "Gang für das Leben". Unter ihnen waren der Vorsitzende der Bischofskonferenz und andere Kirchenrepräsentanten.
Sie greifen den Unmut der Bevölkerung auf, der sich Anfang Februar erstmals auf einer Beerdigung eines Unschuldigen in Dutertes Drogenkrieg Bahn brach.
Hunderte Trauergäste trugen weiße T-Shirts mit der Aufschrift: "Injustice anyhwere is a threat to justice everywhere" (zu Deutsch: Ungerechtigkeit irgendwo ist eine Gefahr für Gerechtigkeit überall).
Nicht nur Einheimische wehren sich
Immer schärfer wird auch die Anklage der parlamentarischen Opposition. So bezeichnete Senatorin Leila de Lima Dutertes brutale Handlungsanweisungen als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und leitete im Rechtsausschuss Ermittlungen gegen Duterte ein.
Seit Ende Februar kann de Lima nur noch eingeschränkt agieren. Derzeit befindet sie sich in Polizeigewahrsam. Duterte wirft ihr illegalen Drogenhandel vor. Sollte sie für schuldig befunden werden, droht der früheren Ministerin eine lebenslange Haftstrafe.
Inzwischen sieht Duterte einem möglichen Amtsenthebungsverfahren entgegen. Hintergrund sind die Anschuldigungen mindestens eines früheren Polizisten, der in Dutertes Auftrag während seiner Zeit in Davao mehrmals für hohe Geldbeiträge gemordet haben soll.
Neben inländischen Widerstandsbewegungen und kritischen diplomatischen Äußerungen bemühen sich vor allem internationale Organisationen wie Human Rights Watch um ein Ende des "offensichtlichen Amtsmissbrauchs" durch Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission.
Nachdem der Internationale Strafgerichtshof bereits seit letztem November eine Anklage gegen Duterte erwägt, hat die philippinische Regierung UN-Sonderberichterstatterin Agnes Callamard eingeladen, sich vor Ort ein Bild der politischen Lage zu machen. Doch der Wille zur Zusammenarbeit war nur von kurzer Dauer.
Nach Forderungen, nicht nur Dutertes Politik, sondern auch seinen angeblichen Auftragsmorden auf den Grund zu gehen, nannte Duterte den UN-Menschenrechtskommissar Zaid Ra'ad al-Hussein – genau wie Obama – im Dezember einen "Hurensohn", der nichts von Diplomatie verstehe.
Duterte, das ist mittlerweile bekannt, pflegte eine ganz eigene Definition von Diplomatie.
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