Die Ukraine leidet unter schwerem russischen Bombardement aus der Luft, aber auch am Boden toben die Kämpfe mit unverminderter Härte. Die Kiewer Militärführung besucht einen gefährlichen Frontabschnitt.
Wegen der schweren russischen Raketenangriffe über Neujahr berät die Ukraine an diesem Mittwoch mit der Nato über einen stärkeren Schutz. Generalsekretär Jens Stoltenberg rief den Nato-Ukraine-Rat auf Botschafterebene in Brüssel zusammen. Die Nato-Länder hätten bereits eine Vielzahl von Luftabwehrsystemen an die Ukraine geliefert und seien entschlossen, deren Verteidigung weiter zu verstärken, hieß es vor dem Treffen.
In der Nacht auf Mittwoch waren in der ostukrainischen Stadt Charkiw erneut Explosionen zu hören. Die grenznahe Stadt werde mit Raketen beschossen, schrieb Bürgermeister Ihor Terechow auf Telegram. Zu Schäden war zunächst nichts bekannt. Die ukrainische Luftwaffe warnte auch vor russischen Angriffen mit Kampfdrohnen im Süden des Landes. Die Ukraine wehrt seit fast zwei Jahren eine großangelegte russische Invasion ab. Am Mittwoch ist der 686. Kriegstag.
Ukraine hofft auf euro-atlantische Solidarität
Der Nato-Ukraine-Rat wurde 2023 ins Leben gerufen. Er soll eine engere Zusammenarbeit ermöglichen, bis die Voraussetzungen für eine Aufnahme der Ukraine in das westliche Verteidigungsbündnis erfüllt sind. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schrieb zu dem außerordentlichen Treffen auf der Plattform X (ehemals Twitter), zentrales Thema werde die Stärkung der Luftverteidigung der Ukraine sein. "Ein wichtiges Zeichen der euro-atlantischen Einheit angesichts der Eskalation des russischen Terrors." Konkrete Ergebnisse sind indes nicht abzusehen.
Russland hatte die Ukraine vor und nach Neujahr dreimal kombiniert mit Raketen, Marschflugkörpern und Kampfdrohnen attackiert. Es waren die bislang schwersten Luftangriffe. Dutzende Menschen kamen ums Leben; die Angriffe verursachten zudem schwere Schäden in Kiew und anderen Orten. Eine russische Rakete verletzte nach Angaben der Regierung in Warschau kurzfristig den polnischen Luftraum und damit Nato-Gebiet.
Staaten kritisieren russischen Waffendeal mit Nordkorea
Verschärft wird die sicherheitspolitische Lage auch dadurch, dass Russland bei zwei dieser Angriffe wohl Raketen aus Nordkorea auf die Ukraine abgefeuert hat. Dies stützt sich auf Erkenntnisse der USA.
Eine Gruppe von knapp 50 Staaten verurteilte den mutmaßlichen Waffendeal. "Der Transfer dieser Waffen vergrößert das Leid des ukrainischen Volkes, unterstützt Russlands Angriffskrieg und untergräbt das internationale Nichtverbreitungsregime", hieß es in einer Erklärung, die das US-Außenministerium am Dienstag in Washington veröffentlichte. Ihr haben sich auch Deutschland und fast alle europäischen Staaten angeschlossen, darüber hinaus auch Kanada, Israel, Australien, Japan und Südkorea.
Der Waffenkauf stehe im Widerspruch zu mehreren UN-Resolutionen, die Russland selbst mitgetragen habe, kritisierten die Staaten. Sie riefen alle Mitgliedsländer der Vereinten Nationen auf, die Verstöße durch Moskau und Pjöngjang zu verurteilen.
Ukrainische Militärführung besucht gefährlichen Frontabschnitt
Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow und Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj besuchten einen besonders umkämpften Abschnitt der Front bei Kupjansk. Das teilte das Verteidigungsministerium in Kiew am Dienstag mit. Kupjansk war von der Ukraine im Herbst 2022 zurückerobert worden. Nun versuchen russische Truppen seit mehreren Wochen, das nahe gelegene Dorf Synkiwka einzunehmen.
Trotz heftigem Frost sehen sich die ukrainischen Bodentruppen weiter vielen russischen Attacken ausgesetzt. Am Dienstag habe es 64 versuchte russische Sturmangriffe gegeben, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Abendbericht mit. Die Zahl war etwas höher als in den vergangenen Tagen. "Die operative Lage im Osten und Süden der Ukraine bleibt schwierig", hieß es.
Alle russischen Angriffe seien abgewehrt worden, teilte der Generalstab mit, ohne dass diese Angaben unabhängig überprüfbar waren. Diese Verteidigungsgefechte dürften mit erheblichen Verlusten der Angreifer, aber auch der Ukrainer verbunden gewesen sein. Allein auf die Stadt Awdijiwka gab es demnach zehn russische Angriffe, dazu elf weitere bei den benachbarten Ortschaften Perwomajske und Newelske.
Selenskyj: Nachschub muss Truppe schneller erreichen
Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach am Dienstag mit den Spitzen des Militärs und der zuständigen Ministerien über die Versorgung der Einheiten mit Munition und Drohnen. Das berichtete er abends in seiner Videoansprache. "Die Hauptsache ist, dass die gesamte Logistik schneller werden muss", sagte Selenskyj.
Die ukrainischen Truppen leiden nach Berichten von der Front unter Munitionsmangel. Angesichts der häufigen russischen Luftangriffe gibt es auch Befürchtungen, dass der Flugabwehr die Munition ausgeht. In den USA als wichtigstem Unterstützer steckt die Gewährung neuer Militärhilfen im innenpolitischen Streit fest.
Selenskyj gab sich zuversichtlich, dass die Truppen trotz solcher Probleme mit dem Notwendigen versorgt werden können. "Wir haben auch über die Eröffnung neuer Produktionslinien für Waffen und Munition in der Ukraine gesprochen - in unseren Unternehmen und gemeinsam mit Partnern", sagte er.
Das wird am Mittwoch wichtig
Neben dem Nato-Ukraine-Rat befasst sich am Mittwoch noch eine zweite internationale Institution mit dem angegriffenen Land. Der UN-Sicherheitsrat in New York wird über die humanitäre Lage in der Ukraine beraten. (dpa/tha)
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