• Die Bundesregierung hat beschlossen, der Ukraine Luftabwehrpanzer des Typs Gepard zu liefern.
  • Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, kritisiert, dass zu wenig Munition für die Panzer zur Verfügung stehe.
  • Experten sehen andere Probleme bei der Waffenlieferung.

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Nun also doch. Nach langem Hin und Her hat sich die Bundesregierung schließlich dazu durchgerungen, der Ukraine schwere Waffen zu liefern. Am vergangenen Dienstag erklärte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bei einem Treffen mit internationalen Kollegen auf der US-amerikanischen Luftwaffenbasis Ramstein, man werde die Ukraine nun mit Luftabwehr-Panzern, zu denen die sogenannten Geparden zählen, unterstützen. "Das ist genau das, was die Ukraine jetzt braucht: Den Luftraum sichern vom Boden aus", erklärte Lambrecht.

In der Ukraine ist man da wohl anderer Meinung. Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, erklärte bei ntv, die Ukraine habe Deutschland zwar bereits kurz nach Beginn der russischen Invasion um Luftabwehr-Panzer gebeten, die deutsche Seite hätte damals allerdings abgelehnt. Das Angebot sei "wie ein Blitz aus heiterem Himmel" gekommen, sagte Melnyk.

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Außerdem meldete der ukrainische Botschafter Bedenken hinsichtlich der Einsetzbarkeit der Panzer an. So seien diese ohne Munition nutzlos: "Sollte die Munition in den nächsten Tagen vom deutschen Verteidigungsministerium nicht besorgt werden, würde die Ukraine auf dieses Angebot Deutschlands wohl verzichten müssen", befand Melnyk bei ntv.

Experte: Munition noch das kleinste Problem

Nach Informationen der "Bild"-Zeitung (Bezahlinhalt) hat der Hersteller des Gepards, Krauss-Maffei Wegmann, nur rund 23.000 Schuss für das Waffensystem auf Vorrat. Nun sollen andere Nutzer des Panzers wie Jordanien, Brasilien und Katar angefragt werden, um die nötigen Munitionsvorräte zu liefern. Der Gepard benötigt demnach bei einem Munitionsverbrauch von 1.100 Schuss pro Minute einige hunderttausend Schuss Munition, um effektiv eingesetzt zu werden.

Lars Winkelsdorf ist Waffensachverständiger. Ihm zufolge ist die Munitionsfertigung "noch das kleinste Problem". Vielmehr sei die Frage, wann die Panzer eingesetzt werden könnten. "Die Gepard-Panzer standen jahrelang draußen herum und müssen erst einmal instand gesetzt werden", erklärte Winkelsdorf unserer Redaktion.

Zwar seien Wannen und Türme da, "aber das muss erst alles einmal wieder in Ordnung gebracht werden. Das ist möglich, aber es kostet Geld und es dauert vor allem. Inklusive Ausbildung wird es mehrere Monate brauchen, bis die Gepard-Panzer einsatzbereit in der Ukraine sind."

Gepard-Panzer ist "kein Gamechanger"

Insbesondere die Ausbildung am Gepard sei nicht einfach, weiß der Waffensachverständige. Bei der Bundeswehr sei der Gepard der Panzer mit der längsten Ausbildungsdauer unter Wehrpflichtigen gewesen. Ukrainische Soldaten im Umgang mit dem Gerät zu schulen, sei entsprechend zeitintensiv. "Wenn die Geparden vor zwei Jahren beschlossen und geliefert worden wären, hätte man nun großen Nutzen von ihnen. Aber so stellt sich die Frage, ob die Panzer überhaupt noch rechtzeitig einsatzbereit sind, um eine Rolle in diesem Konflikt zu spielen."

Winkelsdorf ist der Meinung, die Geparden seien zwar hilfreich, aber "kein Gamechanger". Sie könnten die Luftabwehr in der Ukraine ergänzen. Raketen und hochfliegende Bomber würden von den Waffensystemen allerdings nicht bekämpft werden können. Die Lieferung sei daher vielmehr eine politische Maßnahme, um den Verbündeten zu signalisieren, dass sich Deutschland engagiert. Die militärische Sinnhaftigkeit der Lieferung sei hingegen nicht wirklich durchdacht worden.

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"Politisch starkes Signal"

Für Außenpolitik-Experten Gustav Meibauer beinhalten die Waffenlieferungen noch einen anderen Aspekt als nur den militärischen Zweck: "Ich bin der Meinung, dass das ein politisch starkes und sinnvolles Signal ist", sagte Meibauer unserer Redaktion. Ihm zufolge könnten die Waffenlieferungen der Flugabwehrpanzer dazu führen, dass Deutschland auch andere Panzer und Panzerhaubitzen liefern wird.

"Die Symbolwirkung könnte wichtiger sein als der militärische Nutzen. Gepard-Panzer sind schwere Waffen, deren Handhabung schwierig zu erlernen ist und für das Training mindestens einige Wochen benötigt werden. Trotzdem hat man jetzt ihrer Lieferung zugestimmt. Damit sind einige Argumente, die gegen andere schwere Waffensysteme wie die Panzerhaubitze 2.000, den Marder oder Leopard vorgebracht wurden, vom Tisch."

Eine ablehnende Haltung der Bundesregierung gegenüber der Lieferung solcher schweren Waffen wäre somit zunehmend schwieriger zu verteidigen, befindet Meibauer.

Über die Experten: Lars Winkelsdorf arbeitet als Schießlehrer und selbstständiger Fachdozent in der Sicherheitsbranche. Seit 2005 ist er legitimierter Waffensachverständiger. Außerdem ist er Autor eines Fachbuches zur Schießausbildung. Seit 2003 arbeitet er als freier Journalist für Politmagazine, unter anderem für Frontal 21 (ZDF), Report München und die Tagesschau (ARD).
Gustav Meibauer ist Assistant Professor für internationale Beziehungen an der Radboud Universität in Nijmegen in den Niederlanden. Er ist spezialisiert auf Entscheidungsfindungsprozesse in der Außenpolitik und die Einrichtung von Flugverbotszonen in Krisengebieten.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Lars Winkelsdorf
  • Gespräch mit Gustav Meibauer
  • Ntv.de: Andrij Melnyk bei ntv: Ohne Munition müsste Ukraine auf "Gepard"-Panzer verzichten
  • Spiegel.de: Der komplizierte kalte Krieger
  • Spiegel.de: Die Ketten-Reaktion
  • Bild.de: Gepard-Munition reicht nur für 20 Minuten!
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