Bereits vor 16 Jahren hatte Russland den KSE-Vertrag ausgesetzt. Nun ist es aus dem Abkommen zur Rüstungskontrolle vollständig ausgestiegen. Die Nato sieht ohne Russland keinen Sinn mehr in dem Vertrag und setzt ihn jetzt auch aus.

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Deutschland und andere Nato-Partner haben als Reaktion auf Russlands Rückzug aus dem Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) ein vorläufiges Ende des Abkommens vereinbart.

Durch den russischen Rücktritt verliere die weitere Anwendung des KSE-Vertrags den größten Teil ihres sicherheitspolitischen und rüstungskontrollpolitischen Nutzens, teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Dienstag mit.

Ziel des Vertrags sei es, ein ausgeglichenes konventionelles militärisches Kräftepotenzial in Europa sicherzustellen. Dieses lasse sich ohne die Mitwirkung Russlands nicht realisieren.

Die Entscheidung zur Aussetzung des KSE-Vertrags durch die Bundesrepublik sei in enger Abstimmung mit den Verbündeten in der Nato getroffen worden, erklärte der Sprecher. Man trete damit ausdrücklich nicht vom Vertrag zurück.

Im Falle einer grundlegenden Verhaltensänderung Russlands bleibe eine erneute Anwendung des KSE-Vertrags möglich. Unter anderem die USA machten eine ähnliche Ankündigung.

Nato-Staaten verurteilen Russlands Austritt

In einer gemeinsamen Erklärung aller 31 Nato-Staaten hieß es am Dienstag, man verurteile Russlands Austritt. Alle alliierten Vertragsstaaten beabsichtigten nun, die Anwendung des KSE-Vertrags im Einklang mit ihren völkerrechtlichen Rechten so lange wie erforderlich auszusetzen.

Eine Situation, in der die alliierten Vertragsstaaten den Vertrag einhalten, ohne dass Russland dies tut, wäre nicht nachhaltig, heißt es in einer Erklärung des Nordatlantikrats.

Der KSE-Vertrag wurde 1990 geschlossen und trat 1992 in Kraft. Ziel war nach Angaben des Auswärtigen Amtes ein sicheres und stabiles Gleichgewicht der konventionellen Streitkräfte auf niedrigerem Niveau sowie die Verhinderung militärischer Überraschungsangriffe in Europa.

Dafür wurde zum Beispiel die Anzahl von Kampfpanzern, Artilleriesystemen, Kampfflugzeuge und Angriffshubschrauber begrenzt und ein Informationsaustausch mit einem umfassenden Überprüfungsregime eingerichtet.

Rüstungskontrolle-Bemühungen erleiden herben Rückschlag

Russland hatte die Umsetzung des Vertrags bereits 2007 ausgesetzt. Als Folge suspendierten Ende 2011 ihrerseits die Nato-Staaten sowie Moldau und Georgien dessen Implementierung gegenüber Russland, Anfang 2015 ergänzt um die Ukraine.

Seit 2015, ein Jahr nach der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim, nahm Russland auch nicht mehr an den Sitzungen der Beratungsgruppe teil. Der vollständige russische Austritt wurde an diesem Dienstag rechtswirksam.

Das Aus für den KSE-Vertrag gilt als weiterer herber Rückschlag für internationale Bemühungen um mehr Rüstungskontrolle - auch wenn die eigentliche Abrüstung vor allem in den 90er Jahren erfolgte.

Erst vor wenigen Tagen hatte Russlands Präsident Wladimir Putin so per Gesetz die russische Ratifizierung für das Verbot von Atomwaffentests zurückgezogen. Zudem hat Russland auch den atomaren Rüstungskontrollvertrag "New Start" ausgesetzt, der zuletzt das einzige noch verbliebene große Abkommen zur Rüstungskontrolle zwischen den USA und Russland war.

Der Vertrag begrenzte die Atomwaffenarsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und je 1.550 einsatzbereite Sprengköpfe.

Russland: Mit Nato-Staaten derzeit keine Rüstungsabkommen möglich

Geschichte ist auch der INF-Vertrag über ein Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen. Er wurde von den USA mit Rückendeckung der Nato-Partner gekündigt, weil Washington davon ausgeht, dass Russland das Abkommen seit Jahren mit einem Mittelstreckensystem namens SSC-8 (Russisch: 9M729) verletzt.

Russland begründete seinen Ausstieg aus dem KSE-Vertrag am Dienstag erneut mit starken Spannungen und Differenzen mit dem Westen. Derzeit seien mit Nato-Staaten keine Abkommen zur Rüstungskontrolle möglich, teilte das Außenministerium mit.

Erst wenn die westlichen Länder zu "konstruktiven Positionen" zurückkehrten, könne sich um neue europäische Sicherheitssysteme bemüht werden. (dpa/thp)  © dpa

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