• Vergangene Woche gab es in der Türkei das "Sofagate", dem Eklat um die Sitzordnung beim Besuch von Ursula von der Leyen.
  • Die EU-Kommissionschefin hatte Anfang der Woche schwere Vorwürfe gegen die Türkei erhoben. Sie habe sich "verletzt und alleingelassen" gefühlt.
  • Update vom 29. April, 11:18 Uhr: Die Türkei hat sich zum "Sofagate" geäußert. Der Tenor: selbst schuld.

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Die Türkei hat Vorwürfe der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im Zusammenhang mit ihrem Türkeibesuch vor drei Wochen scharf zurückgewiesen. Der als "Sofagate" bekannt gewordene Eklat um die Sitzordnung habe nichts mit von der Leyens Rolle als Frau, mit europäisch sein oder mit dem Ausstieg aus der Istanbul-Konvention zu tun, teilte der Sprecher des Außenministeriums in Ankara, Tanju Bilgic, am Mittwoch mit. "Es ist sinnlos, in dieser Sache eine Absicht oder Böswilligkeit zu suchen."

Das Problem sei durch die "Planlosigkeit und Nachlässigkeit" der EU entstanden. "Wir hoffen, dass die EU-Körperschaften untereinander einen Konsens finden und in dieser Sache andernorts keine ähnlichen Probleme verursachen."

Von der Leyen: "Als Frau und Europäerin verletzt"

Von der Leyen hatte am Montag im Europaparlament schwere Vorwürfe gegen die Türkei erhoben und mit Nachdruck die Gleichstellung von Frauen gefordert. Nur weil sie eine Frau sei, sei sie nicht ihrem Amt gemäß behandelt worden, sagte sie. "Ich fühlte mich verletzt und alleingelassen, als Frau und als Europäerin."

Bei dem Besuch Anfang April hatte nur EU-Ratspräsident Charles Michel auf einem Sessel neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Platz nehmen dürfen. Von der Leyen musste hingegen abseits auf einem Sofa sitzen.

"Dies zeigt, wie weit der Weg noch ist, bis Frauen als Gleiche behandelt werden", sagte von der Leyen. Sie selbst sei privilegiert, weil sie sich wehren könne. Millionen Frauen, die täglich verletzt würden, könnten dies jedoch nicht. Tausende viel schlimmere Zwischenfälle würden nie bekannt.

Von der Leyen: "Gewalt gegen Frauen und Kinder ist ein Verbrechen"

Die Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen sei ein wichtiges Instrument dagegen, sagte von der Leyen. Der Rückzug der Türkei aus dem Vertrag sei ein furchtbares Signal. Doch sei es auch nicht akzeptabel, dass einige EU-Staaten das Abkommen noch nicht ratifiziert haben und andere über eine Abkehr nachdenken. "Gewalt gegen Frauen und Kinder ist ein Verbrechen, wir müssen es als Verbrechen benennen" und ahnden.

An die Adresse der Türkei sagte sie, der Respekt für Frauenrechte sei eine wichtige Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Dialogs und die Ausweitung gemeinsamer Programme. Gefordert seien darüber hinaus eine weitere Deeskalation im östlichen Mittelmeer sowie die Achtung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. "Das sind unsere Bedingungen für eine Vertiefung unserer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Türkei", sagte die Kommissionspräsidentin.

EU-Abgeordnete üben Kritik

EU-Ratschef Michel sagte über das "Sofagate", er habe öffentlich sein Bedauern ausgedrückt und mit von der Leyen vereinbart, dass sich so etwas nie wiederholen darf. Er höre auch die Kritik, dass er in der Situation bei Erdogan anders hätte reagieren müssen. Doch habe er nicht monatelange Arbeit zur Vorbereitung des Besuchs zunichte machen wollen. Er bekundete seine unerschütterliche Unterstützung für die Gleichberechtigung der Frau.

Aus den Reihen der Abgeordneten hagelte es Kritik. Sie erwarte nicht viel von Präsident Erdogan, aber von Michel hätte sie anderes erwartet, sagte Ska Keller, Fraktionschefin der Grünen. Auch die Sozialdemokratin Iratxe García Pérez zeigte sich enttäuscht. Die EU habe ein beschämendes Bild hinterlassen.

Der Fraktionschef der Christdemokraten Manfred Weber (CSU) sagte, Ziel des Türkeibesuchs sei eine Botschaft der Stärke, die Wirkung dagegen eine Botschaft der Schwäche und der Uneinigkeit gewesen. Der Liberale Malik Azmani sprach von einer Führungskrise, der Rechtsnationale Marco Zanni bescheinigte der EU-Spitze ein Totalversagen in Ankara. (dpa/lh/mcf)

Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst publiziert am 27. April 2021.
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