Aktuell liegt die Zahl der bestätigten Corona-Neuinfektionen pro Tag in Deutschland so hoch wie seit drei Monaten nicht. Der Gesundheitsminister sieht das Gesundheitssystem damit noch nicht überfordert. Die Betonung liegt jedoch auf "noch".

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat nach dem jüngsten Anstieg der Corona-Neuinfektionen klargemacht, dass er derzeit keine kritische Schwelle überschritten sieht. "Im Moment sind wir in jedem Fall noch in einer Größenordnung, mit der das Gesundheitswesen und der öffentliche Gesundheitsdienst umgehen kann", sagte der CDU-Politiker am Donnerstag dem ZDF-"Heute Journal".

"Wenn wir uns jetzt stabilisieren auf einem bestimmten Niveau, dann können wir damit umgehen. Wenn die Zahlen weiter steigen, dann kommt es auf uns alle an, im Alltag aufeinander zu achten und eben weitere Maßnahmen tatsächlich auch nicht nötig zu machen."

Spahn: Regionale Maßnahmen, kein genereller Lockdown

Auf die Frage, ab wann wieder eine Art Lockdown notwendig wäre, unterstrich Spahn die Linie, im Fall der Fälle vor allem auf regionale Maßnahmen zu setzen.

Er betonte, es gebe nicht "die eine Zahl, auf die alles reduziert werden kann". "Es gibt den Steigerungsfaktor - also um wie viel dynamischer wird das Infektionsgeschehen? Es gibt die absolute Zahl der Infektionen. Mit um die 1.000 Neuinfektionen pro Tag kann das Gesundheitswesen umgehen."

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte indes ein strengeres Durchgreifen gegen Menschen, die gegen die Maskenpflicht verstoßen. "Diejenigen, die leichtfertig keinen Abstand halten und die Maskenpflicht ignorieren, gefährden damit auch, dass Kinder wieder in die Schule gehen und Arbeitsplätze gesichert werden können", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

"Das ist rücksichtslos und unverantwortlich. Dagegen müssen wir schärfer vorgehen." Er erwarte zum Beispiel von der Deutschen Bahn, dass sie die Maskenpflicht in ihren Zügen konsequent durchsetzt. Mehrere Bundesländer hatten zuletzt angekündigt, ihre Gangart gegen Maskenverweigerer zu verschärfen.

Mit Blick auf die gestiegenen Zahlen warnte Klingbeil: "Wenn wir nicht aufpassen, sind die Erfolge der letzten Monate im Kampf gegen Corona gefährdet." Alle müssten sich weiter an Maskenpflicht und Abstandsregeln halten. "Es ist im Interesse aller, dass Deutschland nicht in eine zweite Welle rutscht."

Höchster Stand an bestätigten Neuinfektionen seit Anfang Mai

Zuletzt hatte das Robert-Koch-Institut (RKI) wieder mehr als 1.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden registriert. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI demnach am Donnerstag 1.045 und am Freitag 1.147 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages, wie es am frühen Freitagmorgen hieß.

Die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland hat damit den höchsten Wert seit Anfang Mai erreicht. Spahn appellierte daraufhin erneut an die Bürger, die Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten

Die Schwelle von 1.000 neuen Corona-Fällen war zuletzt am 7. Mai überschritten worden. Danach war die Zahl in der Tendenz gesunken, seit Ende Juli steigen die Werte wieder. Der bisherige Höhepunkt bei den bestätigten neuen Ansteckungen waren mehr als 6.000 pro Tag Anfang April.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Teichert: "Wiegen uns in falscher Sicherheit"

Die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, sagte in der ZDF-Sendung "Dunja Hayali" am Donnerstagabend, bisher habe Deutschland die Krise gut geschafft.

"Ich glaube aber, dass wir uns in einer falschen Sicherheit im Moment wiegen, dass wir einfach die Zeit etwas aus den Augen verloren und verpasst haben." Sie fügte hinzu: "Alle haben geglaubt, es kommt erst im Herbst - jetzt haben wir August und die Zahlen gehen hoch."

Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping äußerte sich in der Sendung kritisch zur deutschen Corona-Politik: "Ich glaube, wir haben zu schnell gelockert", sagte sie.

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck zeigte sich dagegen nicht beunruhigt von der Zahl von mehr als 1.000 Neuinfektionen an einem Tag. "Zurzeit haben wir keine wesentliche Zunahme von schweren Corona-Fällen auf den Intensivstationen zu verzeichnen, obwohl seit gut einer Woche die Infektionszahlen gestiegen sind", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Streeck plädierte dafür, "souveräner" mit dem Virus umzugehen. "Wir dürfen nicht bei jedem Anstieg der Infektionszahlen in Panik geraten." Das Virus werde bleiben. "Das Ziel ist und war es, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, und dass jeder die bestmögliche Versorgung bekommt. Das ist ein realistisches Ziel." (dpa/ank)

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