Linkskurs der SPD: Spitzenpersonal und Programm bei den Sozialdemokraten sollen zusammenpassen. Es geht um pointierte Positionen. Die neuen Chefs haben bei den Mitgliedern große Erwartungen geweckt. Aber wie sind die Wünsche Esken und Walter-Borjans in der Koalition umsetzbar?

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Die SPD will sich für die angekündigten Gespräche mit der Union über den künftigen Kurs der Koalition rüsten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte an, eine Reform des Hartz-IV-Systems erreichen zu wollen. Die Positionen der Sozialdemokraten zur Weiterentwicklung des Sozialstaats will der SPD-Parteitag an diesem Samstag in Berlin festlegen, wie Heil der Deutschen Presse-Agentur in Berlin sagte. "Wir werden mit dem Koalitionspartner über diese Positionen reden. Ich will mal wissen, was die Union für eigene Vorstellungen hat."

Die neue SPD-Chefin Saskia Esken erwartet zentrale Neubestimmungen der sozialdemokratischen Programmatik. "Wichtige programmatische Klärungen der SPD stehen jetzt an", sagte Esken am Freitagabend am Rande des Konvents. In der Sozialpolitik schlägt der Vorstand unter anderem vor, Hartz IV durch ein Bürgergeld abzulösen. Für Betroffene sollen Erleichterungen geschaffen werden - etwa beim Überprüfen von Vermögen und Wohnungsgröße sowie bei Sanktionen.

Angesichts der Ankündigung der SPD, in der Koalition verstärkt eigene Ziele durchsetzen zu wollen, erwartet Esken auch Gegenvorschläge der Union. "Ich habe schon gehört von einer Unternehmensteuerreform, über die man dann sprechen muss", sagte sie. "Das lassen wir auf uns zukommen."

Heil: "Wir haben eine ganze Menge vor"

Am Freitag hatte der Parteitag Esken und Norbert Walter-Borjans zu den neuen SPD-Vorsitzenden gewählt. Die Delegierten billigten zudem den Kurs des Vorstands, in der Koalition unter anderem höhere staatliche Investitionen und einen höheren CO2-Preis durchsetzen zu wollen. Andernfalls soll der Vorstand über einen Ausstieg aus der Koalition entscheiden. Esken kündigte an, Gespräche mit der Union sollten noch vor Weihnachten beginnen.

Heil sagte, mit der Weiterentwicklung des Sozialstaats habe die Regierung auf Betreiben der SPD längst begonnen. Er wies auf den sozialen Arbeitsmarkt hin, mit Zehntausenden öffentlich geförderten Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose, die seit Jahresbeginn geschaffen wurden. Nun gebe es eine neue Situation.

Das Bundesverfassungsgericht hatte Anfang November ein Urteil gegen harte Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher gefällt. "Das ist eine Gelegenheit, in dieser Koalition das gesamte System bürgerfreundlicher zu machen und zu reformieren."

Heil sagte: "Ich will keinen Stillstand in dieser Koalition. Wir haben eine ganze Menge vor." Deutschland könne sich keinen Stillstand leisten. Was die SPD in der Koalition nicht schaffe, "das wird dann Gegenstand in der Wahlauseinandersetzung 2021 sein".

In der Partei erwarte er Geschlossenheit. "Alle, die jetzt Verantwortung tragen, wissen um ihre Verantwortung für die Partei und der Verantwortung der Partei für das Land."

Erhöhung des Mindestlohns als zentrale Position

Zur Geschlossenheit forderte auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil seine Partei auf. "Die Selbstbeschäftigung muss ein Ende haben, und es muss klar werden, dass wir uns stattdessen mit den Problemen der Bürger befassen", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag). "Dabei hat die neue Führung meine Unterstützung."

Den künftigen SPD-Kanzlerkandidaten wollen Esken und Walter-Borjans selbst nominieren. Der frühere NRW-Finanzminister sagte in einem Interview mit RTL/n-tv, er finde, dass die Vorsitzenden "das Vorschlagsrecht haben müssen, wer für eine Kanzlerkandidatur infrage kommt".

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, lehnte entgegen dem SPD-Kurs Neuverschuldung für mehr öffentliche Investitionen ab, wie er der Düsseldorfer "Rheinischen Post" sagte. Ähnlich äußerte sich der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest.

Er sagte der Zeitung auch, dass eine Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro - eine zentrale Position der neuen SPD-Führung - für Millionen von Jobs eine Steigerung der Lohnkosten um bis zu 30 Prozent bedeuten und damit Arbeitsplätze gefährden würde.

Der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger warnte die SPD vor einer Fortsetzung der bisherigen Politik der großen Koalition. "Es wäre ein Fortschritt, wenn es eine klare linke Perspektive geben würde, mit einer nach links gerückten SPD", sagte Riexinger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag). (kad/dpa)

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