• Die Bundesregierung hat eine Senkung auf Energiesteuer und Sprit beschlossen.
  • Welche Rolle das Bundeskartellamt dabei spielt, was die Aufgabe dessen ist und wie es in den Markt eingreifen kann, erfahren Sie hier.

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Warum ist das Bundeskartellamt momentan in aller Munde?

Als Reaktion auf die seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine stark gestiegenen Energiepreise hat die Bundesregierung Ende März eine Senkung der Energiesteuer auf Sprit beschlossen. Autofahrer sollen drei Monate lang – im Juni, Juli und August – an der Zapfsäule entlastet werden – zumindest in der Theorie.

Wirtschaftsexperten, etwa vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, wiesen früh darauf hin, dass die Mineralölkonzerne die Steuersenkung einstreichen und ihre Margen auf Steuerzahlerkosten erhöhen könnten. Eine Pflicht, die Steuersenkung an die Verbraucher weiterzureichen, gibt es schließlich nicht. Auch das Bundeskartellamt zweifelte in einer vierseitigen Stellungnahme vom 12. Mai an, dass die Steuerentlastung auf Benzin und Diesel bei den Verbrauchern vollständig ankommen würde. Darin heißt es, man könne nicht ausschließen, "dass aufgrund der eingeschränkten Wettbewerbsintensität im Kraftstoffmarkt von den Anbietern die Preise vor dem Absenkungsdatum unabhängig von tatsächlichen Mehrkosten zunächst angehoben werden, um in der Folgezeit eine augenscheinlich stärkere Senkung des Abgabepreises durchführen zu können".

Und so kam es auch: Ende Mai, kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes, stiegen die Preise teils beträchtlich und auch in den ersten Juni-Tagen blieb der Preisrückgang stark hinter der Entlastung zurück. Damit droht die rund drei Milliarden Euro teure Maßnahme zum Fiasko der Bundesregierung zu werden, die in ihrer Not auf das Bundeskartellamt setzt. Finanzminister Christian Lindner sagte, es sei Aufgabe der Behörde durchzusetzen, dass die Steuersenkung "bei den Autofahrerinnen und bei den Pendlern ankommt".

Welche Aufgaben hat das Bundeskartellamt?

In einer Marktwirtschaft entscheiden Angebot und Nachfrage, zu welchen Preisen Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen an Verbraucher verkaufen können. Damit sich Preise frei am Markt bilden können, ohne dass einzelne Unternehmen ihre Marktmacht ausnutzen, müssen bestimmte Regeln eingehalten werden. Dazu gehört, dass es genügend Anbieter auf dem Markt gibt, damit überhaupt ein Wettbewerb zustande kommt, oder dass Unternehmen keine verbotenen Preisabsprachen treffen und so den Wettbewerb außer Kraft setzen. Der Schiedsrichter, der diesen fairen Wettbewerb sicherstellt, ist das Bundeskartellamt.

Angesiedelt ist die Behörde, die in Bonn sitzt und rund 400 Mitarbeiter beschäftigt, im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums, wo sie ihre Entscheidungen unabhängig und auf Grundlage des "Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen" trifft. Die Kartellwächter setzen beispielsweise das Kartellverbot durch, also verbotene Absprachen zwischen Unternehmen über Verkaufspreise oder Produktionsmengen, an die sich nicht nur große Unternehmen halten müssen. Eine unzulässige Preisabsprache liegt beispielsweise auch dann vor, wenn sich zwei Kneipenbesitzer in einem Dorf über die Preissetzung ihres Bieres absprechen.

Gleichzeitig wird die Behörde auch bei bestimmten Unternehmensfusionen aktiv und prüft, ob Zusammenschlüsse zu problematischen Machtkonzentrationen auf dem Markt führen könnten, die den Wettbewerb stören. Letzteres ist häufig dann der Fall, wenn ein Markt von wenigen, aber mächtigen Unternehmen bedient wird oder ein Zusammenschluss dazu führen würde, dass alle anderen Wettbewerber aus dem Markt scheiden. Eine Fusion der beiden Chemie-Riesen Bayer und BASF würde vermutlich an der Genehmigung des Kartellamtes scheitern.

Letztlich überprüft die Bonner Behörde auch, ob marktbeherrschende Unternehmen ihre Wettbewerbsposition missbrauchen, indem sie mit Dumping-Preisen Wettbewerber aus dem Markt drängen. Eine missbräuchliche Behinderung kann auch darin bestehen, dass ein marktbeherrschendes oder marktstarkes Unternehmen seine überlegene Stellung dazu ausnutzt, seinen Konkurrenten den Zugang zu Daten, Netzen, Leitungen oder Häfen zu verweigern.

Was waren die wichtigsten Entscheidungen der letzten Jahre?

Eines der spektakulärsten Verfahren der letzten Jahre waren die Ermittlungen gegen das sogenannte "Bierkartell", an dem das gesammelte "Who’s who" der deutschen Braubranche beteiligt war. Hersteller wie Bitburger, Krombacher oder Warsteiner hatten die Preise mit illegalen Absprachen nach oben getrieben und sich bei Abendessen und in Hinterzimmern über Preiserhöhungen ausgetauscht. Der Fall war auch deshalb spektakulär, weil einer der Beteiligten – der Beck’s-Hersteller Anheuser-Busch InBev – die Kartellwächter mit Informationen fütterte, die Ermittlungen so überhaupt erst möglich machte und als Kronzeuge straffrei davonkam. Insgesamt verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von 106,5 Millionen Euro.

Auch das Ende der sogenannten "Bestpreisklausel" bei Buchungsportalen wie booking.com oder HRS geht auf eine Entscheidung des Kartellamtes zurück. Für die Nutzung der Portale hatten sich Hotels lange Zeit verpflichten müssen, ihre Zimmer auf der eigenen Internetseite nicht günstiger anzubieten als auf der Plattform. Die Kartellwächter argumentierten, dass diese Auflage den Wettbewerb verzerre und zu höheren Hotelpreisen führte. Zwar hatten die Buchungsseiten, deren Geschäftsmodell in weiten Teilen von Bestpreisklauseln abhing, zunächst erfolgreich gegen die Entscheidung geklagt. Der Bundesgerichtshof hatte den Kartellwächtern jedoch im vorvergangenen Jahr in letzter Instanz Recht gegeben.

Wie kann das Bundeskartellamt in den Markt eingreifen?

Die Sanktionsmöglichkeiten der Kartellwächter variieren, je nachdem, in welchem Verfahrensbereich die Behörde aktiv wird. Die empfindlichsten Strafen kann das Kartellamt im Bereich der Kartellverfolgung aussprechen, die bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes betragen können, wenn Unternehmen verbotene Preisabsprachen treffen. Im Rahmen der Missbrauchsaufsicht können die Kartellwächter beispielsweise anordnen, dass Unternehmen ihr missbräuchliches Verhalten stoppen, Rückerstattungen an Kunden auszahlen oder anderen Unternehmen Zugang zu Einrichtungen gewähren. Wenn es zu Fusionen großer Unternehmen kommt, kann das Bundeskartellamt Zusammenschlüsse verbieten oder Auflagen setzen. Drohende Beschränkungen des Wettbewerbs können zum Teil auch dadurch beseitigt werden, dass die beteiligten Unternehmen Zusagen abgeben – zum Beispiel den Verkauf bestimmter Unternehmensteile an einen Wettbewerber.

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Welche Entscheidung wird das Bundeskartellamt im Streit um den Tankrabatt treffen?

Wenn das Bundeskartellamt in den Streit um die Spritpreise eingreifen will, muss es den Mineralölkonzernen entweder nachweisen, ein Kartell zu bilden oder eine marktbeherrschende Stellung auszunutzen. Für die Durchsetzung der Steuersenkung ist das Kartellamt hingegen nicht zuständig – hier liegt allenfalls politisches, aber kein Marktversagen vor.

Zwar hatte das Kartellamt schon in der Vergangenheit nachgewiesen, dass BP (Aral), ConocoPhillips (Jet), ExxonMobil (Esso), Shell und Total ein "marktbeherrschendes Oligopol" am Tankstellenmarkt bilden und damit den vollständigen Wettbewerb stören. Ein kartellrechtlicher Eingriff sei jedoch "wenig erfolgversprechend", unter anderem aufgrund der täglichen Preisveränderungen und der hohen Transparenz. Auch gibt es derzeit keine Anzeichen für verbotene Preisabsprachen zwischen den Mineralölkonzernen, allein schon deshalb nicht, weil die Mineralölkonzerne wissen, dass sie unter verschärfter Beobachtung stehen.

"Auch wenn es keine rechtliche Verpflichtung gibt, die Steuersenkung eins zu eins weiterzugeben, handeln die Mineralölkonzerne hier unter dem 'Brennglas' des Kartellamtes", warnte zuletzt Kartellamts-Präsident Andreas Mundt. Er sagte aber auch: "Als Wettbewerbsbehörde können wir hohe, auch sehr hohe Preise nicht einfach verbieten." Sie könnten auch im Wettbewerb entstehen. Für kartellrechtswidriges Verhalten, das mit hohen Bußgeldern geahndet werden könne, habe seine Behörde aber bisher keine Hinweise.

Auch der Nachweis, dass die Unternehmen ihre Marktmacht in missbräuchlicher Art und Weise ausnutzen, ist schwer zu führen. Erst kürzlich hatte das Kartellamt eine "Untersuchung mit dem Fokus auf die Raffinerie- und Großhandelsebene" in Auftrag gegeben, um die Entwicklung bei den Spritpreisen zu beobachten. Zu einem Eingriff in den Markt haben die Erkenntnisse aus dieser Analyse bislang aber nicht geführt.

Verwendete Quellen:

  • Bundeskartellamt.de: Organisation, Aufgaben und Tätigkeit
  • Legal Tribune Online: Kartellamt sieht beim Tan­kra­batt Luft nach unten
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