Nach der Eskalation einer Protestaktion gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an der Nordseeküste hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entsetzt gezeigt. Bauern hatten Habeck im schleswig-holsteinischen Ort Schlüttsiel am Donnerstagabend daran gehindert, eine Fähre zu verlassen, die er für eine Privatreise nutzte.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich erschüttert über die Blockadeaktion beim Anlegen einer Fähre mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) geäußert. "Zu sehen, wie ein Minister auf einer privaten Reise von einer aggressiven Menschenmenge eingeschüchtert wird und sich nach Bedrohungen in Sicherheit begeben musste, hat viele in unserem Land schockiert, auch mich", sagte Steinmeier der "Bild"-Zeitung (Samstagsausgabe). "Das dürfen wir nicht hinnehmen", forderte der Bundespräsident.

Steinmeier zeigte sich generell besorgt über das gesellschaftliche Klima in Deutschland. Die Landwirte forderte er auf, friedlich zu demonstrieren und dabei die Gesetze einzuhalten. "Demonstrationen gehören zur Demokratie. Kritik an der Regierung ist legitim. Aufrufe zu Hass und Gewalt überschreiten jedoch die Grenze dessen, was gerechtfertigt ist", sagte der Präsident. "Wer so handelt, verletzt die Grundregeln unserer Demokratie und schadet damit seiner eigenen Sache", betonte das Staatsoberhaupt.

Kopelke warnt vor weiterer Eskalation

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, warnte mit Blick auf die von den Bauernverbänden angekündigten weiteren Demonstrationen vor einer Eskalation. "Die Bauernproteste, die in den kommenden Tagen über das Land schwappen, sind wahrscheinlich erst der Anfang einer riesigen Protestwelle, die in diesem Jahr auf uns zu rollen wird", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel".

Protest gehöre in der Demokratie dazu, "aber was nicht geht, sind Angriffe auf Andersdenkende und auf Politiker", mahnte auch Kopelke. Die Politik rief er auf, dass sie der Polizei "endlich die Mittel zur Verfügung stellt, die sie braucht, um Gewalttäter aus den Demonstrationen zu entfernen". Zudem sollten sich die demokratischen Parteien stärker darauf konzentrieren, "wie sie das weitere Erstarken rechtsextremer Parteien stoppen können".

Rechtsextreme im Verdacht

Das Bundesinnenministerium hatte zuvor darauf hingewiesen, dass in Verbindung mit den Bauernprotesten zwar keine Erkenntnisse vorlägen, "aus denen sich eine konkrete Gefährdung (...) ableiten lässt". Dennoch sei davon auszugehen, "dass insbesondere Akteure aus dem rechtsextremistischen Spektrum wie auch aus dem Spektrum derjenigen, die den Staat delegitimieren wollen, im Verlauf der Protestwoche versuchen werden, die entsprechenden Veranstaltungen für eigene Veranstaltungen zu instrumentalisieren", warnte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Er forderte die Initiatoren der Proteste zur "deutlichen Distanzierung" von solchen Bestrebungen auf.

Bauern hatten Habeck im schleswig-holsteinischen Ort Schlüttsiel am Donnerstagabend daran gehindert, eine Fähre zu verlassen, die er für eine Privatreise nutzte. Nach Angaben der Reederei wäre das Schiff beinahe gestürmt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Nötigung und Landfriedensbruch.

Hintergrund der Proteste sind geplante Streichungen von Subventionen. Die Bundesregierung hatte wenige Stunden vor der Aktion angekündigt, einen Teil der Kürzungen zurückzunehmen. (AFP/dpa/cgo)

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