Wie gesundheitsschädlich sind Stickoxide wirklich? In dieser heiß diskutierten Frage hat sich Verkehrsminister Andreas Scheuer auf die Seite der Grenzwert-Skeptiker geschlagen. Jetzt fordert er die EU zum Handeln auf. Dabei führt er allerdings ein höchst umstrittenes Argument an.
Bundesverkehrsminister
In einem Brief an EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc verweist Scheuer laut der "Bild"-Zeitung vom Donnerstag auf die Kritik einer Gruppe deutscher Lungenärzte an den bisherigen Grenzwerten. Deren Kritik war aber selbst auf massiven Widerstand von Experten gestoßen.
Andreas Scheuer sieht Handlungsbedarf
"Es mehren sich Stimmen in der deutschen Ärzteschaft, die die wissenschaftliche Herleitung des Jahresmittelwerts von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter für Stickstoffdioxid in der EU-Luftqualitätsrichtlinie in Frage stellen", schreibt Scheuer demnach.
"Der daraus resultierende Diskussionsprozess zieht in der Öffentlichkeit die Rechtfertigung der im Kontext des Programms zur Sauberen Luft ergriffenen Maßnahmen in Zweifel."
Zur "Gewährleistung unserer Mobilität" erachte er es daher als "dringend erforderlich, dass sich die Europäische Kommission aktuell und auf geeignete Weise mit den vorgebrachten Zweifeln auseinandersetzt und eine Neubewertung der Grenzwerte prüft", schreibt Scheuer laut "Bild" in dem Brief.
Experten sind uneins
Ziel müsse sein, "die Debatte insgesamt auf der Basis zutreffender Fakten und anerkannter wissenschaftlicher Methoden zu versachlichen".
Er wolle das Thema spätestens beim EU-Verkehrsministerrat am 6. Juni aufgreifen und bitte hierfür um Bulcs "Unterstützung".
In der vergangenen Woche hatte ein Gruppe von rund 100 Lungenärzten die geltenden Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide als unwissenschaftlich kritisiert. Ihre Stellungnahme stieß allerdings bei einer Mehrheit von Fachkollegen in Deutschland und international auf Widerspruch.
Auch in der Bundesregierung wird inzwischen über die Grenzwerte gestritten. So beharrt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) auf deren Einhaltung.
Unterdessen wurde am Donnerstag bekannt, dass die Luftverschmutzung vor allem aus Diesel-Abgasen in vielen deutschen Städten höher als erlaubt ist.
Grenzüberschreitung in mindestens 35 Städten
In mindestens 35 Städten wurde der EU-Grenzwert für gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid (NO2) im vergangenen Jahr überschritten, wie aus einer ersten Bilanz des Umweltbundesamts (UBA) hervorgeht. Die neuen Daten liegen der Deutschen Presse-Agentur vor.
Für 28 der insgesamt 65 Städte, die den Grenzwert 2017 übertrafen, sind noch nicht alle Zahlen für 2018 da. Die höchste Belastung hatte nun Stuttgart mit 71 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft vor München mit 66 Mikrogramm.
Insgesamt hat die Luftbelastung durch Diesel-Abgase im vergangenen Jahr leicht abgenommen - im Mittel der verkehrsnahen Messstationen um etwa zwei Mikrogramm pro Kubikmeter.
Gab es 2017 an 45 Prozent dieser Stationen zu hohe Werte, waren es 2018 nach einer Hochrechnung des UBA noch 39 Prozent. Der verbindliche Grenzwert gilt seit 2010.
Gründe für den Rückgang der städtischen NO2-Belastungen sind laut UBA Tempolimits und Verkehrsbeschränkungen, mehr neue Autos, Software-Updates zur besseren Abgasreinigung bei älteren Diesel, aber auch das Wetter.
Was wie viel zur Minderung beigetragen hat, lässt sich dem Amt zufolge allein anhand der Messdaten nicht bestimmen. (AFP/dpa/mcf)
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