Das sächsische Regierungsbündnis steht vor seiner bisher härtesten Belastungsprobe. In der Bewertung einer Großkundgebung von Kritikern der Corona-Maßnahmen scheiden sich die schwarz-grün-roten Geister.
Sachsens Kenia-Koalition hat sich wenige Tage nach der chaotischen "Querdenken"-Demonstration in Leipzig tief zerstritten gezeigt. Nach einer sechsstündigen Sondersitzung zweier Landtagsausschüsse griffen auch Vertreter von SPD und Grünen Innenminister Roland Wöller (CDU) an. Er hatte zuvor vor allem der Stadt Leipzig als Versammlungsbehörde den Schwarzen Peter zugeschoben.
Wöller (CDU) beschuldigt Stadt Leipzig und Oberverwaltungsgericht
Die Demonstration hätte unter diesen Umständen gar nicht beginnen dürfen, weil ein Großteil der Teilnehmer weder eine Schutzmaske trug noch die Abstandsregel einhielt, sagte Wöller und warf der Stadt vor, die Versammlung erst nach zweieinhalb Stunden aufgelöst zu haben. Zudem äußerte Wöller erneut Unverständnis über die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes in Bautzen, das die Kundgebung zuließ. Wöller kündigte aber auch eine kritische Auswertung des Geschehens bei der Polizei an. Das sei nach jedem Einsatz so.
SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas sagte: "Sie erleben mich hier einigermaßen fassungslos (...) Wir haben eine einseitige Schuldzuweisung erlebt an die Stadt Leipzig. Dabei muss man sich fragen, ob der Innenminister in derselben Ausschusssitzung war wie ich das gewesen bin." Wenn Wöller so die Verantwortung von sich weise, müsse er sich fragen lassen, ob er diese Verantwortung noch wolle.
Lippmann (Grüne): "Völlig untaugliche Gefahrenprognose" der Polizei
"Die Ereignisse in Leipzig haben diese Koalition in eine schwere Vertrauenskrise geführt", sagte Valentin Lippmann von den Grünen. Der Demonstration habe eine "völlig untaugliche Gefahrenprognose" der Polizei zugrunde gelegen. Lippmann sprach von massiven Fehlern und einem "Planungsdesaster", in dessen Ergebnis am Ende zu wenig Polizei vor Ort war: "Jetzt liegt es an der CDU, dem Innenminister und dem Ministerpräsidenten, dieses verloren gegangene Vertrauen innerhalb der Koalition, aber vor allem gegenüber dem Rechtsstaat durch wirksame Maßnahmen wieder herzustellen."
Die Linken sahen im Anschluss mehr offene als geklärte Fragen. "Wir teilen nicht die Auffassung, das die Schuld bei der Stadt Leipzig liegt", betonte Linke-Fraktionschef Rico Gebhardt. Im übrigen hätte die Polizei die Veranstaltung auch selbst auflösen können. Er bezweifelte, ob es dafür überhaupt eine Einsatzstrategie gab. Die Linke-Abgeordnete Kerstin Köditz fand es "erschreckend", wie sich die Beteiligten im Nachgang nun gegenseitig die Schuld zuschieben. Gebhardt und Köditz forderten erneut die Entlassung Wöllers.
Anton (CDU): "Die Polizei konnte nicht anders handeln"
CDU-Innenexperte Rico Anton leitete seine Bewertung so ein: "Die unqualifizierten Rücktrittsforderungen gegenüber Staatsminister Roland Wöller auch aus den Reihen der Koalition sind vom Tisch". Die Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses habe klar gezeigt, "dass die Polizei nicht anders handeln konnte als sie gehandelt hat". Es gehe nicht darum, jemandem den Schwarzen Peter zuzuschieben. Es sei sowohl für die Polizei als auch für die Stadt Leipzig und die beteiligten Gerichte eine schwierige Situation gewesen, zu vernünftigen Entscheidungen zu kommen.
Rückendeckung erhielt Wöller in diesem Punkt vom AfD-Abgeordneten Sebastian Wippel, der selbst Polizist ist: "Der Polizei ist kein Vorwurf zu machen, den er hier irgendwie zu verantworten hätte. Man hat aus polizeilicher Sicht sehr verhältnismäßig und umsichtig gehandelt. Das möchte ich ausdrücklich loben." (ash/dpa)
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