Washington - US-Präsident Joe Biden steht im Kampf um seine Kandidatur vor entscheidenden Bewährungsproben, die über seine politische Zukunft entscheiden könnten. Bei einem TV-Interview und einer Wahlkampfreise in den US-Bundesstaat Wisconsin will der Demokrat zeigen, wie fit er ist. Der 81-Jährige steht unter intensiver Beobachtung - jeder Auftritt wird genau verfolgt. Er versucht, jeglichen Zweifel an seiner Eignung für das Amt zu zerstreuen. Doch Berichten zufolge bröckelt der Rückhalt weiter, Großspender der Demokratischen Partei wenden sich mittlerweile von ihm ab - darunter die Enkeltochter eines Gründers des Medienunternehmens Disney.

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Biden hatte vor einer Woche bei dem abendlichen Fernseh-Duell mit seinem republikanischen Herausforderer Donald Trump einen desaströsen Auftritt hingelegt, sich mehrfach versprochen und den Faden verloren. Nach dem Auftritt entbrannte in den USA eine Debatte darüber, ob Biden wirklich der richtige Kandidat der Demokraten für die Präsidentenwahl im November ist. Trump weiß die Schwäche seines politischen Gegners zu nutzen und hat ihn unlängst zu einem weiteren TV-Duell aufgefordert. Dabei würde Bidens mangelnde Kompetenz deutlich werden, so der 78-Jährige.

Weniger Teleprompter, mehr Spontanität

Biden tut sich bei Auftritten, bei denen er nicht vom Teleprompter ablesen kann, oft schwer. Er verhaspelt sich regelmäßig, verwechselt Namen und Orte. Das dürfte einer der Gründe sein, warum der Demokrat kaum TV-Interviews gibt. Offenbar war der Druck nun aber so groß, dass Biden heute TV-Journalist George Stephanopoulos in Wisconsin Rede und Antwort stehen wird. Das gesamte Interview soll zur besten Sendezeit (2.00 Uhr in der deutschen Nacht zum Samstag) ausgestrahlt werden.

Gleichzeitig hat Bidens Wahlkampfteam Berichten zufolge angekündigt, dass der Präsident in den kommenden Wochen in umkämpfte Bundesstaaten reisen wolle. Dabei werde der 81-Jährige auch öfter frei sprechen. Nach seinem TV-Debakel verschlechterten sich die Umfragewerte des Demokraten nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in den wichtigen Bundesstaaten, die nicht klar den Demokraten oder Republikanern zugerechnet werden. Diese gelten in der Regel als wahlentscheidend.

Unabhängigkeitstag in den USA
US-Präsident Biden und seine Vize Kamala Harris schauen sich mit ihren Familien das Feuerwerk zum Nationalfeiertag an. © dpa / Evan Vucci/AP/dpa

Großspender verlieren Geduld

Parteispender macht Bidens Leistung anscheinend zunehmend nervös. Der Sender NBC und die "New York Times" berichteten, dass eine wohlhabende Disney-Erbin ihre finanzielle Unterstützung für die Partei so lange zurückhalten wolle, bis Biden sich aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur zurückzieht. "Biden ist ein guter Mann, der seinem Land gut gedient hat, aber es steht viel zu viel auf dem Spiel, um zuzulassen, dass Zaghaftigkeit unser Vorgehen bestimmt", zitierten beide Medien aus einem Statement von Abigail Disney. Wenn Biden nicht abtrete, würden die Demokraten verlieren.

Der "New York Times" zufolge arbeitet eine Gruppe von Spendern außerdem daran, die nächste Generation der Demokratischen Partei finanziell zu unterstützen. Das Geld könne für einen möglichen Nachfolge-Kandidaten verwendet werden. Wahlkämpfe in den USA sind extrem kostspielig. Nur wer das nötige Kleingeld hat, kann sich dauerhaft im Rennen halten - und behaupten.

Biden gibt sich kämpferisch

Biden hatte am Donnerstag bei den Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag kurze Ansprachen im Weißen Haus gehalten. "Ich werde nirgendwo hingehen", sagte Biden bei einem Grillfest für aktive Militärangehörige im Garten des Weißen Hauses spontan nach einer kurzen abgelesenen Rede. Seine eigentliche Ansprache vor Beginn des Feuerwerks über der Grünanlage National Mall unweit des Weißen Hauses fiel dann denkbar kurz aus - Biden wirkt zumindest etwas ausgelaugt. Der Nationalfeiertag der USA am 4. Juli, der auf die Unabhängigkeitserklärung 1776 zurückgeht, wird traditionell mit Partys, Paraden und Feuerwerk gefeiert.

Biden hat die Präsidentschaftskandidatur für seine Partei eigentlich sicher - offiziell soll er beim Parteitag der Demokraten in Chicago im August gekürt werden. Bei den Vorwahlen hat der US-Präsident die nötigen Delegiertenstimmen dafür gesammelt. Nennenswerte Konkurrenz hatte er im Vorwahlkampf nicht. Offen ist nun, ob er dem Druck in seiner eigenen Partei weiter standhalten kann - oder doch noch das Handtuch wirft.

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Teaserbild: © dpa / Susan Walsh/AP