• Bei den Midterms-Wahlen fielen Trump-Kandidaten durch.
  • Ein Trump-Zitat zum Aussetzen der Verfassung entsetzte auch Parteifreunde.
  • Die Stichwahl in Georgia ging verloren, doch unser Experte meint: Nichts kann Trump aufhalten, doch für seine Gegner gibt es trotzdem Hoffnung.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Frank Heindl sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Donald Trump bleibt bei seiner Lieblingslüge: Nur durch Wahlbetrug sei ihm eine zweite Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten verwehrt geblieben. Am 3. Dezember aber fügte er eine neue Folgerung hinzu: Ein "Betrug" dieser Art ermögliche "die Aufhebung aller Regeln, Vorschriften und Artikel, sogar der, die in der Verfassung stehen", schrieb er in seinem Online-Netzwerk "Truth Social".

Zuvorderst kam der Protest natürlich von den Demokraten: Der Ex-Präsident sei "außer Kontrolle und eine Gefahr für die Demokratie", sagte Chuck Schumer, demokratischer Mehrheitsführer im Senat. "Antiamerikanisch und faschistisch", urteilte ein anderer Abgeordneter.

Doch dabei blieb es nicht – auch Vertreter der Republikaner äußerten sich negativ. Ein Abgeordneter der "Grand Old Party" nannte Trumps Äußerungen "verrückt", andere wurden deutlicher: Trump solle sich auf die Zukunft fokussieren, statt auf "frühere Wahlen" forderte etwa das Kongressmitglied Mike Lawler und fügte hinzu: "falls er sich wieder um die Präsidentschaft bewerben will". Der Abgeordnete Mike Turner widersprach Trump "vehement" und "absolut" und schickte, ebenfalls auf Trumps Präsidentschaftsbewerbung gemünzt, die Anmerkung hinterher, es gebe "einen politischen Prozess, der vonstattengehen muss, ehe irgendjemand ein Spitzenkandidat oder überhaupt der Kandidat der Partei ist".

Experte: "Für Trump hat sich nichts geändert"

Schwimmen Donald Trump die Felle davon? Macht er sich auch in der eigenen Partei so unbeliebt, dass diese ihn nicht mehr als Präsidentschaftskandidaten haben will? "Keineswegs", urteilt der US-Experte Thomas Jäger. Für Donald Trump, so der Politikprofessor an der Universität Köln, "hat sich überhaupt nichts geändert". Im Gegenteil sieht er sogar einen Vorteil für Trump: Kritik an den Positionen des Ex-Präsidenten wirke sich regelmäßig so aus, dass das schiefe Weltbild seiner Anhänger sich weiter verfestige. Man müsse verstehen, "dass Trumps Realitäten – und die haben mit der wirklichen Realität nichts zu tun! – auch die Realitäten seiner Anhänger sind."

Zwar gelte vielen US-Bürgern die Verfassung als geradezu heilig und als "so unantastbar wie die Nationalhymne", sagt Jäger. Doch aus Sicht der Trump-Anhänger hätten die Demokraten diese Verfassung ad absurdum geführt. Ihnen könnte Trumps Idee, diese Verfassung eben mal außer Kraft zu setzen, daher durchaus plausibel erscheinen.

Trumps Polarisierung wirkt sich aus

Trump hatte schon früher provoziert, indem er sich über das Recht stellte. Schon 2016 brüstete er sich etwa damit, er könne "mitten auf der 5th Avenue jemanden erschießen", ohne dass es ihn Wählerstimmen kosten würde. Trump, folgert der Politologe, könne sich gar nicht mehr radikalisieren – er sei schon immer so gewesen: "Er braucht ein Thema, mit dem er seine Anhänger in Wut versetzt – und das funktioniert." In der Tat wirkt sich die von Trump ausgehende fortwährende Polarisierung des Wahlvolkes spürbar auf das Wählerverhalten aus: So haben noch nie in der Geschichte der Vereinigten Staaten mehr Menschen gewählt wie 2020: 150 Millionen Amerikaner schritten zu den Wahlurnen – die einen, um Trump zu unterstützen, die anderen, um ihn zu verhindern. Dass seine aufsehenerregenden Aktionen auch die demokratischen Wähler auf den Plan rufen, zwingt Trump dazu, immer neu zu provozieren. Er müsse "permanent mehr mobilisieren als die Gegenseite", sagt Thomas Jäger.

Zugutekommt Donald Trump dabei, dass viele Menschen seinen Politikansatz teilen. Das politische System der USA werde "in keinem Land der Welt so kritisch gesehen wie in den USA", betonte Jäger. "Über 80 Prozent der Amerikaner halten das System für korrupt." Wer gegen dieses System und die Verfassung polemisiere, treffe in vielen Fällen "genau das Meinungsbild der Wähler".

Wird Ron DeSantis gegen Trump kandidieren?

Dass sich auch einige Republikaner an Trumps Weltsicht stören, fällt dabei laut Jäger wenig ins Gewicht. Von den "Never Trumpers", die sich als Gegengewicht zu Trump innerhalb der republikanischen Partei organisiert hatten, sei "rein gar nichts mehr zu hören". Die prominente Trump-Kritikerin Liz Cheney sei bei den Vorwahlen "brachial gescheitert". Und Mike Pence, ehemaliger Trump-Vize, der Mitte November verkündete, die Republikaner hätten "Besseres zur Auswahl" als Donald Trump und eine eigene Kandidatur erwog, sei kein zündender Redner, habe kaum Rückhalt in der Partei.

Bliebe noch Ron DeSantis, jung, dynamisch, extrem konservativ, seit 2019 Gouverneur in Florida und nach den Midterms im November als "wahrer Sieger" gefeiert, während von Trump unterstützte Kandidaten gefloppt waren. DeSantis stehe vor einer strategischen Entscheidung, meint Jäger. Falls er bei den Präsidentschaftswahlen 2024 gegen Trump in den Ring treten würde, müsse er mit einem Scheitern rechnen – und damit, dass er anschließend als angeschlagen gelten würde. DeSantis' Kalkül könnte es also durchaus sein, in zwei Jahren Trump – oder dessen demokratischen Gegner – gewinnen zu lassen und die eigenen Kräfte für 2028 aufzusparen.

Trump hat ohnehin – als einziger der potenziellen Kandidaten – schon zu erkennen gegeben, dass er, würde seine Partei ihn nicht aufstellen, wohl als unabhängiger Kandidat antreten würde. Selbst wenn DeSantis in den Ring steigt, bleibt also alles offen. Hoffnung für Trump-Gegner sieht der US-Experte Jäger daher einzig beim politischen Gegner. "Joe Biden wird wiedergewählt", ist er überzeugt. Trumps permanente Wählermobilisierung wirke auch als permanente Mobilisierung der demokratischen Gegner. Es gebe mittlerweile "deutliche Zeichen", dass Biden noch einmal kandidieren werde, und er sei in der Lage, 2024 die Mehrheit zu holen.

Ein großer Unsicherheitsfaktor bleibe allerdings das Alter der Kandidaten. Trump ist 76, Biden 80 Jahre alt. Bei beiden hänge viel davon ab, sagt der Politologe, "wie gut es die Gesundheit mit ihnen meint." Die verbleibenden zwei Jahre bis zur nächsten Wahl seien "im Alter wie in der Politik" ein langer Zeitraum.

Über den Experten: Prof. Dr. Thomas Jäger lehrt und forscht zu Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln und ist Herausgeber der Zeitschrift für Sicherheitspolitik.

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