Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – eigentlich ein abgedroschenes Sprichwort. Für das Foto von Donald Trump, das ihn mit blutverschmiertem Gesicht und gereckter Faust nach dem Attentat zeigt, könnte es jedoch nicht passender sein. Wie kam die Aufnahme zustande? Und was könnte dieses Foto für den Wahlkampf in den USA bedeuten? Ein Überblick.
Bilder sind ein mächtiges politisches Instrument, insbesondere im Social-Media-Zeitalter. Und die Bilder des blutenden und die Faust reckenden
Sie zeigen den Ex-Präsidenten als unerschrockenen, der rohen Gewalt trotzenden Patrioten – US-Kommentatoren attestieren Trump einen ungeheuren politischen Instinkt, der ihn trotz des Schocks die Momente nach dem Anschlag für kraftvolle politische Gestik nutzen ließ.
Blutiges Ohr, geballte Faust: Trump gibt sich kämpferisch
Nachdem er sich vor den Schüssen geduckt hatte, kam Trump mithilfe der Sicherheitsbeamten rasch wieder auf die Beine. Unter dem Jubel der Menge streckte er kämpferisch die geballte Faust hoch, während ihm das Blut vom angeschossenen Ohr die Wange hinunterlief. Es sind Bilder, die in die Geschichte eingehen und für immer mit Trump verbunden sein werden.
"Er ist nicht aus dem Takt geraten. Ich kann nicht glauben, dass er ein solches Selbstverständnis und Bewusstsein hatte, um seine Kampagne fortzusetzen, während er fortgebracht wurde", sagte die Historikerin Joan Hoff von der Montana State University der "Los Angeles Times" über die Momente nach dem Anschlag.
Trump setzte sich dabei auf eine Art in Szene, die ihn als kraftstrotzenden Gegenpol zu
Geschichtsträchtiges Foto mit starker Botschaft
Unter den Trump-Bildern aus Butler ist es besonders eines, das schon jetzt ikonischen Status erlangt hat. Evan Vucci von der US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) machte das Foto aus einer Perspektive von schräg unten: Der blutende Trump mit der gereckten Faust und die ihn umringenden Secret-Service-Beamten ragen hoch hinauf, hinter ihnen weht die US-Flagge.
Das Bild wird bereits mit dem Foto "Hissen der Flagge auf Iwojima" verglichen, das einen festen Platz in der patriotischen Symbolik der Vereinigen Staaten hat. Die Aufnahme aus dem Zweiten Weltkrieg zeigt US-Soldaten, die im Februar 1945 auf der japanischen Insel einen Mast mit dem Sternenbanner hochstemmen. Trump wird durch diese Analogie zu einer neuen Ikone des Patriotismus.
Fotograf schildert Moment der Aufnahme
Evan Vucci berichtet seit nunmehr acht Jahren über Trump. Gegenüber "The Guardian" schildert der Fotograf nun seine Sicht auf das Trump-Attentat in Pennsylvania.
"Ich habe Schüsse gehört, also rannte ich zur Bühne. Dort versuchten die Geheimdienstagenten, Präsident Trump zu schützen. Sie kamen aus allen Richtungen auf die Bühne und stürzten sich auf ihn. Ich ging nach vorne, neben die Bühne, und fing an, alles zu fotografieren", erinnert sich Vucci.
Währenddessen versuchte er bereits abzuschätzen, was als Nächstes passieren würde und wo er sich positionieren müsse, um die besten Fotos des Vorfalls einzufangen. Vucci versuchte binnen weniger Sekunden, den Evakuierungsweg abzuschätzen und stellte sich an die Treppe in der Nähe der Bühne, da dies seiner Meinung nach "der schnellste Weg zu Trumps SUV" war. Sein Geistesblitz ging auf – und Vucci schoss das vielleicht berühmteste Foto seiner Karriere.
Auf X kursiert derzeit ein Video, das den Moment zeigt, in dem Vucci sich vor dem Podium positioniert und den historischen Moment einfängt.
Foto geht um die Welt – ohne Wissen des Fotografen
Vuccis Kamera war zu der Zeit mit einem Hotspot verbunden, seine Fotos wurden automatisch an die Redaktion gesendet. Eine vorherige Sichtung der Fotos war zeitlich unmöglich.
Nach dem Attentat seien die noch anwesenden Fotografen in ein Zelt gezerrt worden, so Vucci gegenüber "The Guardian". Dort habe es jedoch keinen Mobilfunkempfang mehr gegeben, so dass Vucci sein Foto erst etwa 45 Minuten später zum ersten Mal in den sozialen Medien sah.
Möglicher Einfluss auf den Wahlkampf
Doch was bedeutet dieses Foto nun für den Wahlkampf? Experten sind sich sicher: Diese Aufnahme könnte das Ergebnis der Wahl maßgeblich beeinflussen.
Nicht zuletzt Trumps geistesgegenwärtige Faust-Geste verheißt ihm politischen Gewinn. Beim Parteitag der Republikaner in Milwaukee, bei dem Trump in dieser Woche zum Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im November gekürt werden soll, wird die Geste sicherlich überall zu sehen sein. "Die gereckte Faust wird das ikonische Symbol der Versammlung werden", sagt der langjährige republikanische Stratege Mike Murphy im Politmagazin "Politico" voraus.
"Trumps erhobene Faust wird Geschichte machen"
Die hochgehaltene Faust ist eine Geste, die Trump schon seit Jahrzehnten zeigt – die aber mit dem Anschlag nun zu seinem Kennzeichen geworden ist wie nie zuvor. Trump reckte etwa trotzig die Faust, nachdem er Ende Mai von der Jury im New Yorker Schweigegeldprozess in allen 34 Anklagepunkten der Fälschung von Geschäftsdokumenten schuldig gesprochen worden war.
Und auch zu Beginn seiner vormaligen Präsidentschaft war Trumps Faust in die Höhe gegangen. Am Ende seiner Vereidigungsrede am 20. Januar 2017 unterstrich er damit vor dem Kapitol in Washington seine Kampfansage an die politischen Gegner.
Mit der geballten Faust machte sich Trump eine Geste zu eigen, die in früheren Zeiten vor allem in der Black-Power-Bewegung gegen die Diskriminierung der Afroamerikaner in den USA verbreitet war. Unvergessen ist das Bild der schwarzen US-Sprinter Tommie Smith und John Carlos, die 1968 bei der Olympia-Siegerehrung zu den Klängen der US-Nationalhymne ihre Fäuste reckten - eine Geste, die einen Riesenskandal auslöste.
Wie der Kognitionswissenschaftler Roger Kreuz von der University of Memphis auf der Website "The Conversation" erläutert, wurde die Faust-Geste im Laufe der Jahrzehnte jedoch von politischen Gruppen unterschiedlichster Couleur eingesetzt. So verwenden US-Rechtsextremisten ein als "arische Faust" bezeichnetes Emblem mit einer weißen Hand. Aber auch in der früheren antikapitalistischen Protestbewegung Occupy Wall Street tauchte die geballte Faust auf.
Trump wird nach Attentat zum Märtyrer Amerikas
Die Faust, das Blut, die Fahne: Die Bilder aus Butler werden jedenfalls dazu beitragen, dass die kultische Verehrung Trumps durch rechtsreligiöse und andere konservative Gruppierungen neue Höhen erreicht. Beim Parteitag werde "die gesamte Menge geschlossen aufstehen und mit geballten Fäusten 'USA!' rufen", sagt der Historiker und Präsidentschaftsexperte Douglas Brinkley in der "Los Angeles Times" voraus.
Trump werde dabei die Rolle "eines Volkshelden oder Märtyrers einnehmen, da er eine Nahtod-Prüfung bestanden hat".
Verwendete Quellen
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