- Durch ein Recall-Verfahren könnte der Gouverneur von Kalifornien Gavin Newsom aus dem Amt befördert werden.
- Vor allem, dass sich die Demokraten in falscher Sicherheit wähnen, könnte für Newsom zur Gefahr werden.
- Sollte sein Amt an einen Republikaner fallen, droht US-Präsident Joe Biden sogar ein politisches Erdbeben.
Vor knapp zwei Jahrzehnten wurde ein gewisser
Am Dienstag muss sich nun erneut ein Governeur einem solchen Recall stellen. 2018 wurde
Konservative Aktivisten hatten vergangenes Jahr das Recall-Verfahren gegen Newsom in Gang gesetzt und in der Folge ausreichend Unterschriften für eine Abberufungswahl gesammelt. Sie kritisieren nicht nur die Corona-Politik des Gouverneurs, sondern machen ihn auch für hohe Lebenshaltungskosten und Steuern und verbreitete Obdachlosigkeit verantwortlich.
Scharfe Kritik an Fehltritt während der Pandemie
Auch die dieses Jahr besonders heftigen Waldbrände in Kalifornien mit hunderten zerstörten Häusern lasten viele Newsom an. Dessen Regierung habe die "grundlegendsten Dinge" wie das Forstmanagement vernachlässigt, sagt der republikanische Kandidat Kevin Kiley.
Zu Newsoms Verteidigung verweisen andere auf den Klimawandel und heben hervor, dass Newsom die Probleme bei der Brandbekämpfung geerbt habe.
In der Corona-Pandemie hatte sich der Ex-Bürgermeister von San Francisco eigentlich einen guten Ruf als entschlossener Krisenmanager erarbeitet: Als erster US-Gouverneur rief er im vergangen Frühjahr einen Lockdown aus.
Konservativen sind die Corona-Beschränkungen jedoch ein Dorn im Auge. Und Newsom leistete sich einen gewaltigen Fehltritt, als er im vergangenen November mit Lobbyisten im Edelrestaurant "French Laundry" in der Weinregion Napa Valley speiste. Ohne Maske, ohne Abstand, und damit entgegen seiner eigenen Vorgaben.
Ein Foto des Abendessens wurde zum PR-Desaster für Newsom, den viele Konservative ohnehin als elitären Schönling ansehen. Diese "Arroganz" sei unglaublich, sagte Anne Dunsmore, Chefin der Anti-Newsom-Kampagne "Rettet Kalifornien". Newsom entschuldigte sich für den Fehltritt, doch seine Beliebtheit sank.
Caitlyn Jenner will Newsoms Nachfolge antreten
Am Dienstag können die Wählerinnen und Wähler ankreuzen, ob Newsom abberufen werden soll oder nicht. Auf demselben Wahlzettel kann dann für einen möglichen Nachfolger gestimmt werden. 46 Kandidaten ziehen bei der Recall-Wahl ins Feld, die meisten für die republikanische Partei, nur wenige mit politischer Erfahrung.
Bekannt ist Reality-Star und Transgender-Aktivistin Caitlyn Jenner (71) vom Kardashian-Jenner-Clan. Trotz Star-Potenzial liegt sie in Umfragen aber weit hinter dem erzkonservativen Radiomoderator Larry Elder, der sich gegen Abtreibung und für die Todesstrafe stark macht.
Der 69-jährige schwarze Herausforderer, ein Trump-Anhänger, der häufig durch kontroverse Äußerungen auffällt, ist nach jüngsten Erhebungen Punktführer. Elder kündigte an, als Gouverneur die Corona-Auflagen zu lockern. Er will gegen Masken- und Impfpflicht vorgehen.
Als Republikaner treten auch der frühere Bürgermeister von San Diego, Kevin Faulconer, und der Geschäftsmann John Cox an. Zu einer Handvoll demokratischer Bewerber gehören die Cannabis-Lobbyistin Jackie McGowan und der 29-jährige Kevin Paffrath, ein Jungunternehmer und Investor, der als YouTube-Star reich wurde.
Newsom ruft Wähler zur Abstimmung auf
Newsom wurde 2018 bei einem Erdrutschsieg mit 62 Prozent zum Gouverneur des überwiegend linksliberal gesinnten Kalifornien gewählt und genießt nach wie vor hohe Zustimmungswerte. Bei einem Wahlkampfauftritt erklärte er dennoch jüngst, dass es um "Leben und Tod" gehe.
Denn auch wenn die meisten Bewerber bei einer regulären Gouverneurswahl kaum eine Chance hätten – beim außerordentlichen Recall sind die Hürden äußerst niedrig.
Sollten mehr als 50 Prozent der Wähler für eine Abberufung des Amtsinhabers votieren, würde der Kandidat mit den meisten Stimmen seine Nachfolge antreten - egal, auf wieviel Prozent er kommt. Denkbar ist also der bizarre Fall, dass Newsom seinen Posten räumen muss, obwohl er zahlenmäßig viel mehr Befürworter hinter sich hat, als sein Nachfolger.
Solange genügend Demokraten abstimmen, hat der amtierende Gouverneur eigentlich nichts zu befürchten. Doch einige Umfragen legen nahe, dass die Abstimmung knapp ausfallen könnte. Denn während konservative Wähler besonders motiviert sein dürften, zur Wahl zu gehen, könnten Anhänger der Demokraten sich in falscher Sicherheit wiegen und fernbleiben.
Experten kritisieren Recall-System als antiquiert
Kritiker sehen den Umstand, dass eine relativ kleine Minderheit den neuen Gouverneur ins Amt heben könnte als gravierende Schwäche des Recall-Systems, das vor hundert Jahren als Form basisdemokratischer Kontrolle in die kalifornische Verfassung aufgenommen wurde.
"Es besteht die Möglichkeit, dass 49 Prozent der Kalifornier für Gavin Newsom stimmen, er aber jemandem unterliegt, der 18 oder 19 Prozent bekommt. Das ist lächerlich", sagt Jim Newton von der University of California in Los Angeles.
Das Recall-System sei "eindeutig antiquiert", kritisiert auch der deutsche USA-Experte Adrian Daub von der kalifornischen Elite-Universität Stanford. "Es war einfach für ein so offen undemokratisches, ja antidemokratisches Projekt nicht konzipiert."
Für die Republikaner ist der Recall hingegen eine Chance. "Es ist für einen Republikaner nahezu unmöglich, eine reguläre Gouverneurswahl in Kalifornien zu gewinnen", so Newton.
Niederlage Newsoms könnte politisches Beben für Biden bedeuten
Im Falle einer Niederlage Newsoms hätte es ein Republikaner wie der konservative Larry Elder im demokratisch regierten Kalifornien extrem schwer, Gesetzesänderungen durchzusetzen, erklärt der Politologe Dan Schnur gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Zudem stehen im November 2022 schon die nächsten regulären Gouverneurswahlen an, bei denen kaum mit einem Republikaner-Sieg zu rechnen wäre.
Doch Schnur zufolge hätte der Recall-Sieg eines Republikaner über die Grenzen von Kalifornien hinaus "immense" politische Auswirkungen. "Das könnte Republikaner in anderen Staaten für die Zwischenwahlen im nächsten Jahr befeuern und motivieren", sagt der Stratege.
Und noch ein denkbares Szenario mit weitreichenden Folgen für die Biden-Regierung in Washington: Sollte die 88 Jahre alte kalifornische Senatorin Dianne Feinstein vorzeitig aus dem Amt scheiden, so wäre es die Aufgabe des Westküsten-Gouverneurs, bis zur nächsten Wahl einen Nachfolger zu ernennen.
Larry Elder sprach schon davon, dass er die Demokratin durch einen Republikaner ersetzen würde. Dies würde den hauchdünnen Vorsprung von Bidens Demokraten im Senat kippen - und einem politischen Erdbeben gleichkommen. (afp/dpa/thp)
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