Nicht nur bei der Opposition ist die Empörung groß: Dass Horst Seehofer seinen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen zwar entlassen, ihn aber gleichzeitig zwei Gehaltsstufen höher als Staatssekretär im Innenministerium platziert hat, wird auch innerhalb der SPD scharf kritisiert.

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"Völlig inakzeptabel" - so kommentiert Natascha Kohnen, die Spitzenkandidatin der bayerischen SPD bei den bevorstehenden Landtagswahlen, Horst Seehofers Entscheidung über die Berufung von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär.

Sie erwarte, teilte Kohnen unserem Portal weiter mit, "dass die Kabinettsmitglieder der SPD Seehofers Entscheidungen nicht mittragen". Maaßen dürfe "nicht zum Staatssekretär im Innenministerium befördert werden".

Damit stellt sich Kohnen gegen ihre Parteichefin: SPD-Vorsitzende Andrea Nahles war beim Gipfel der Koalitionsspitzen um die Causa Maaßen dabei und hat der Versetzung Maaßens zugestimmt.

Die neuerliche Koalitionskrise kommt der SPD ungelegen

Der Berliner Politikexperte Dr. Gero Neugebauer sieht einige Gründe für die Zustimmung der SPD zu Seehofers Entscheidung. Zunächst ist da das Grundgesetz. In Artikel 65 regelt es, dass "jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung" leitet.

"Wenn man diese Vorgabe akzeptiert", so Neugebauer, "dann hätte die SPD gar nicht mehr fordern können."

Gleichzeitig müsse man auch sehen, dass die SPD "aus Machtgründen nicht mehr wollen konnte." Ähnlich wie der Koalitionspartner CDU/CSU könnten die Sozialdemokraten bei Neuwahlen wohl kaum mit einer Verbesserung ihres letzten Wahlergebnisses rechnen: "Die SPD kann einen Koalitionsbruch nicht wollen, weil sie in Wahlen nicht besser abschneiden würde als vorher."

Plan der Parteiführung sei es offensichtlich gewesen, "momentan eher in der Koalition etwas zu erreichen". Daher komme ihr die neuerliche Krise äußerst ungelegen. Anstatt im politischen Tagesgeschäft zu punkten, muss sie sich in Koalitionsstreitereien verausgaben.

Experte: SPD hatte keine Krisenstrategie

Auch wenn die Partei nicht in der Lage war, in der Causa Maaßen die Machtfrage zu stellen, habe sie trotzdem einen gravierenden Fehler gemacht, meint Neugebauer: "Es gab keine Krisenstrategie für den Fall, dass Seehofer Maaßen behält."

Eine kluge Parteiführung hätte für diese Möglichkeit Gegenkandidaten oder andere Lösungen bereitgehalten. Sie hätte wohl auch damit argumentiert, dass Seehofer sich im Innen- und Heimatministerium bereits mit acht Staatssekretären umgeben hat – allesamt Männer.

Zudem hätte man fordern können, den geschassten Verfassungsschutzpräsidenten auf einen weniger bedeutenden Posten abzuschieben.

Bei aller Kritik an der mangelnden strategischen Vorbereitung der SPD gibt Neugebauer aber auch zu, er selbst wäre "auch nicht auf die Idee gekommen, dass Seehofer das so lösen würde, wie er es nun gemacht hat".

Dass die SPD Seehofer bei diesem Vorhaben nicht gestoppt habe, sei insgesamt aber ein Ergebnis, das trotz aller machtpolitischen Vorbehalte schwer zu verteidigen sei: "Man kann diese Entscheidung erklären, aber man muss sie nicht verstehen. Und man muss für sie kein Verständnis aufbringen."

Klar ist, dass nach Seehofers Entscheidung keine Ruhe bei der SPD einkehren wird. Schon am Mittwochnachmittag gelangte ein Brief der Bayern-SPD an die Presse, in dem die Spitze des Landesverbandes fordert, die Partei müsse Maaßens Beförderung verhindern.

Diese sei "in der Sache ein schwerer Fehler, politisch nicht nachvollziehbar und nirgendwo vermittelbar".

Es entstehe der Eindruck, befürchtet der Landesverband, der in gut zwei Wochen bei den bayerischen Landtagswahlen antreten muss, dass die SPD dem politischen Gegner "für jeden Unsinn" die Hand reiche. Dies, so die bayerischen Genossen, sei "weder politisch-strategisch klug noch die verabredete Erneuerung".

"Diese Geschichte kennt nur Verlierer"

Ähnlich beurteilt das Konstantin Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Innenexperte der Grünen im Bundestag: Seehofers Entscheidung spiegele "die ganze Verkorkstheit und Zerrissenheit dieser Regierung" wider, sagte Notz im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Diese Geschichte kennt nur Verlierer." Seehofers "Lösung" des Problems Maaßen sei diskreditierend für Maaßen selbst, vor allem aber auch für die Kanzlerin: "Das ist ein massiver Gesichtsverlust auch für Merkel."

Und auch die SPD füge sich selbst massiv Schaden zu, meint von Notz, weil sie "nur noch strategisch" handle und dabei eine eigene Linie vermissen lasse.

Es habe geradezu "etwas Tragisches", wie die Partei sich selbst diskreditiere: "Nach dem Affentheater vor der Sommerpause hat man gedacht, dass man nun endlich in geordnete Bahnen kommt – offenkundig ist das nicht der Fall."

Politikwissenschaftler Neugebauer glaubt, der "persönliche Konflikt" zwischen Innenminister Seehofer und der Kanzlerin werde "wie die Lava im Vulkan weiterbrodeln." Für die Situation in der SPD kann man wohl Ähnliches voraussagen: Auch dort hat Horst Seehofer für anhaltendes Konfliktpotenzial gesorgt.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Politikexperte Dr. Gero Neugebauer
  • Exklusives Statement von der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Natascha Kohnen
  • Exklusives Statement von Konstantin Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen
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