Die Demokratische Partei hat in den vergangenen Wochen ihr Gesicht verändert. Neue Leute an der Spitze, neue Wahlkampfnarrative, neue Energie. Eine altbekannte Figur hat dabei eine zentrale Rolle gespielt: Nancy Pelosi.
Die 84-jährige
Wie verschiedene Medien berichten, soll Pelosi sowohl
Bewusst Zweifel gestreut
Das Erbeben bei den Demokraten begann Ende Juni, als Bidens im TV-Duell mit
Am 8. Juli veröffentlichte Biden einen Brief an den Kongress, in dem er die Kritik an seiner Person abwehrte und seine Kandidatur bestätigte. Zwei Tage später, am 10. Juli, war Pelosi dann zu Gast in der TV-Sendung "Morning Joe" (MSNBC), die nicht nur reichweitenstark ist, sondern von der man auch weiß, dass Biden sie fast jeden Tag schaut.
Pelosi zeigte sich in dem Gespräch geschockt über Bidens Performance und machte klar, dass sie den Präsidenten noch nie in einer solchen Verfassung gesehen habe. Obwohl Biden gerade erst betont hatte, an seiner Kandidatur festhalten zu wollen, streute Pelosi bewusst Zweifel: "Es liegt in seiner Hand, ob er antritt."
Für Tim Walz geworben
Gegenüber dem Magazin "The New Yorker" sagte Pelosi nun, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr daran geglaubt hatte, dass Biden die Wahl im November für sich entscheiden kann. "Sie haben das Weiße Haus schon einmal gewonnen, bravo. Aber meine Sorge war: Dieses Mal läuft es nicht."
Also fasste Pelosi einen Plan: Biden sollte den NATO-Gipfel in Washington, D.C. vom 9. bis 11. Juli noch über die Bühne bringen – danach aber seine Kandidatur zurückziehen. Andere hochranginge Demokraten schlossen sich Pelosis Vorhaben an. Hinter den Kulissen wurde daraufhin gearbeitet.
Der Druck auf Biden zeigte am Ende Wirkung: Er zog seine Kandidatur am 21. Juli zurück. Nur wenige Stunden später gab Vizepräsidentin Kamala Harris bekannt, dass sie antreten werde – vom Establishment der Demokraten, und natürlich auch Pelosi, sofort unterstützt. Jetzt blieb die große Frage, wen Harris als ihren Vizekandidaten bestimmen würde. In der engeren Auswahl waren Josh Shapiro (Gouverneur von Pennsylvania), Mark Kelly (Senator von Arizona) und
Zwar gab Pelosi keine offizielle Empfehlung ab, dennoch machte sie über verschiedene Kanäle klar, wen sie favorisiert: Tim Walz aus Minnesota, mit dem sie von 2006 bis 2019 im Repräsentantenhaus gesessen und nach eigenen Angaben sehr produktiv zusammengearbeitet hatte. Mit anderen Worten: Sie wollte jemanden aus dem eigenen Lager. Und setzte das hinter den Kulissen auch durch.
"Die Kunst der Macht"
Als Harris Anfang dieser Woche ihre Entscheidung für Walz als ihren Stellvertreter bekannt gab, dauerte es nicht lange, bis Pelosi wieder in der Sendung "Morning Joe" zu sehen war. Sie lobte Harris' Entscheidung und beschrieb Walz als "heartland-of-America Democrat", als einen Vertreter aus dem Herzen Amerikas also. Pelosi hatte erneut bekommen, was sie wollte.
"The Art of Power" heißt passenderweise das Buch, das Pelosi gerade frisch veröffentlicht hat: "Die Kunst der Macht". Pelosi schildert darin auf 352 Seiten, wie sie sich bei den Demokraten in den vergangenen Jahrzehnten durchgesetzt hat – bis zur Spitze.
Pelosi zog 1987 für den Bundesstaat Kalifornien ins US-Repräsentenhaus ein. 2003 wurde sie zur Fraktionschefin der Demokraten gewählt – als erste Frau überhaupt, die eine der zwei großen Parteien leitete. Nachdem die Demokraten in den Midterm-Wahlen 2006 die Mehrheit im Abgeordnetenhaus gewannen, stieg Pelosi zur Sprecherin des gesamten Parlaments auf – wieder als erste Frau in der Geschichte der USA.
Das Magazin Bloomberg bezeichnete Pelosi kürzlich als "queen mother of the Democratic Party”. Sie hat sich in den 37 Jahren im Kongress tatsächlich ein beispielloses Netzwerk aufgebaut.
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Visionär war Pelosi nie
Pelosis politische Bilanz ist jedoch ambivalent. Einerseits brachte sie wichtige Sozialreformen mit auf den Weg, etwa den Affordable Care Act (bekannt als Obamacare). Man kann ihr auch zu Gute halten, dass sie 2002 gegen den Irak-Krieg stimmte, den der damalige Präsident George W. Bush mit Lügen zu rechtfertigen versuchte. Als es um ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bush ging, hielt sich Pelosi allerdings zurück.
Sie hat immer versucht, die Partei in der Mitte zu halten, dabei oft auch progressive Bewegungen, Kandidaten und Reformvorhaben geblockt. Die linke Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez etwa sah sich von Pelosi regelrecht schikaniert, wie sie in einem 2023 veröffentlichten Buch schildert. Programmatisch visionär war Pelosi jedenfalls nie.
Dass sich große Teile der Arbeiterklasse in den vergangenen Jahrzehnten von den Demokraten verabschiedet haben, hat viel mit Pelosis zentristischem Kurs zu tun. Sie war eng verbandelt mit den großen Firmen der Wall Street, wirkte aufs Volk oft elitär, abgehoben und entrückt.
Bemerkenswert ist, dass Pelosi, die im November erneut für den Kongress antritt, im Interview mit dem "New Yorker" auch eine sehr grundsätzliche Kritik an Biden formuliert hat: "Ich war noch nie besonders überzeugt von seiner politischen Operation", sagte sie. Man kann davon ausgehen, dass diese Aussage kein Ausrutscher war. Pelosi weiß genau, was sie sagt - und was sie will.
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