Der Schlagabtausch zwischen CNN-Chefreporter Jim Acosta und US-Präsident Donald Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus schlägt neue hohe Wellen. Grund ist ein Video, welches von der Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, über die sozialen Medien veröffentlicht wurde. Indizien wecken den Verdacht, dass es sich dabei um eine Manipulation handeln könnte.

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Nach der US-Zwischenwahl sorgte ein Wortgefecht zwischen Präsident Donald Trump und dem CNN-Journalisten Jim Acosta am Mittwoch weltweit für Schlagzeilen.

Die umstrittene Szene

Bei der Pressekonferenz im Weißen Haus weigert sich Trump, weitere Fragen Acostas unter anderem zur Russland-Affäre zu beantworten.

Daraufhin versucht eine Mitarbeiterin des Weißen Hauses, Acosta das Mikrofon abzunehmen. Acosta dreht sich als erste Reaktion zunächst zur Seite.

Beim zweiten Versuch, das Mikrofon abzunehmen, touchiert der in Richtung Trump gestikulierende Arm Acostas den Arm der Mitarbeiterin, woraufhin sich der Reporter mit den Worten "Pardon me, ma'am" ("Verzeihung, Madame") entschuldigt.

Schwerer Vorwurf gegen Acosta - umstrittenes Video als Beleg

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, wirft Acosta später vor, er habe Hand an die Praktikantin ("placing hands on a young woman") gelegt. Als Beleg dafür veröffentlicht Sanders auf Twitter eine kurze Videosequenz.

Auf dieser wird der Eindruck erweckt, Acosta habe die junge Mitarbeiterin des Weißen Hauses mit einem Handkantenschlag abgewehrt, wie aus dem Trump-Lager nun behauptet wird. Als Konsequenz wurde Acosta die Akkreditierung für das Weiße Haus entzogen.

Dieser von Sarah Sanders verbreiteten Video-Variante fehlt der Ton, weshalb man das "Pardon me" Acostas im Gegensatz zur Original-Sequenz nicht hören kann.

Doch was hat es nun genau mit diesem Video auf sich?

BEHAUPTUNG

Mehrere Nutzer werfen Trump-Sprecherin Sanders vor, sie habe als Beweis für "unangemessenes Verhalten" Acostas ein manipuliertes Video hochgeladen. Einige Video-Analysten sind der Meinung, man habe zusätzliche Bilder ins Video geschnitten.

Der häufigste Vorwurf zielt allerdings auf eine manipulierte Abspielgeschwindigkeit der Video-Sequenz.

FAKTEN

Das von Sanders auf Twitter verbreitete Video stammt nicht vom Weißen Haus selbst. Sanders oder ihr Team haben es aus anderer Quelle.

Forensische Analysen der "New York Times" kommen zu dem Schluss, dass das Video von dem rechtsreaktionären Aktivisten Paul Jospeh Watson am Mittwochabend (Ortszeit), 46 Minuten vor Sanders, auf Twitter hochgeladen worden ist.

Watson ist einer der führenden Köpfe der Plattform "Infowars", die Verschwörungstheorien und Fake News verbreitet - so unter anderem auch die Meldung, das Massaker an der Sandy Hook Elementary School im Dezember 2012, bei dem 28 Menschen getötet worden waren, darunter 20 Kinder, sei ein "Hoax", ein Schwindel, der so nie stattgefunden habe.

Der Aktivist und Trump-Anhänger Watson hat mittlerweile auf Twitter bestätigt, die Videosequenz mit einem Schnittprogramm erstellt und dabei die Zoomfunktion verwendet, die Aufnahme aber nicht manipuliert zu haben. Grundlage für seinen Clip ist ein Video des US-Senders C-Span.

Der Kontakt zwischen Acosta und der Mitarbeiterin wird in dem auch von Sanders verbreiteten Videoclip herangezoomt und in Zeitlupenwiederholung gezeigt.

BEWERTUNG

Einer der Vorwürfe lautet, dass in der Zoom-Szene bei der Bewegung von Acostas Arm nach unten weitere Einzelbilder hineinkopiert worden seien, um die Szene dramatischer wirken zu lassen.

Ein Vorwurf, den die erwähnte forensische Analyse der "New York Times" nicht bestätigt, die aber durchaus auf den manipulativen Effekt des Zooms und der Verzögerung verweist.

Der Leiter der Videoredaktion der britischen Zeitung "Independent", Tom Richell, hat nach eigenen Angaben das Sanders-Video mit einer von der Nachrichtenagentur AP zur Verfügung gestellten Originalaufnahme verglichen und kommt nach der videotechnischen Analyse zum gleichen Schluss wie die "New York Times", dass in der entscheidenden Szene der Sanders-Version ein Einzelbild minimal länger gezeigt wird.

Zudem, so die "New York Times", suggeriere das Wiederholen der Sequenzen in Kombination mit dem Zoom der Szene sowie der schlechten Video-Qualität den Verdacht, Acosta hätte mit der Hand zugeschlagen. Im Original sei dieser Verdacht allerdings nicht haltbar.

Richell erklärt, dass die entscheidende Szene der Armbewegung Acostas in Sanders' Video einen kurzen Moment (etwa eine Zehntelsekunde - drei Frames) länger zu sehen ist als im Original. Diese Verzögerung durch eine kurze Pause sei auch im restlichen Video erkennbar.

Die Ursache für diesen Unterschied bleibt bis auf Weiteres unklar. Es könnte sich um eine bewusste Manipulation oder aber um eine technisch bedingte Verzögerung handeln.

Beim US-Fernsehformat besteht eine Sendesekunde aus 30 einzelnen Bildern. Bedingt durch die Zeitlupe wird nicht jedes einzelne Bild einer Szene flüssig dargestellt. Es entsteht ein Effekt aus Doppelbildern, die Bewegung ist ruckartiger und verschwommener.

Dies könnte zusätzlich ein Grund dafür sein, dass der in Zeitlupe abgespielte Ausschnitt im Ablauf leicht abweicht.

Durch das Heranzoomen und die Zeitlupe wird die auf den ersten Blick unscheinbare Szene besonders in den Fokus der Wahrnehmung gerückt.

Das Hervorheben der Szene kann den Eindruck einer stärkeren Armbewegung als in der Totalen des US-Senders erwecken, die aus dem Original nachweislich so nicht hervorgeht. (mwo/dpa)

Verwendete Quellen:

  • Video-Analyse des "Independent"
  • "New York Times": Trump Administration Uses Video From Conspiracy Site to Justify Barring of CNN Reporter
  • Tweet Sprecherin des Weißen Hauses Sarah Sanders mit Video der Mikrofon-Szene
  • Tweet von Paul Joseph Watson zur Entstehung des Videos
  • Tweet mit Manipulations-Vorwurf des Videojournalisten Aymann Ismail
  • Tweet mit Manipulations-Vorwurf des Aktivisten Rafael Shimunov
  • dpa
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