Donald Trump und Hillary Clinton attackieren einander vor der US-Wahl 2016 scharf. Skandale dominieren den Wahlkampf, nicht politische Themen. Im Interview mit unserer Redaktion erklärt ein USA-Experte, ob es noch schmutziger wird.

Ein Interview

Donald Trump und Hillary Clinton schrecken offenbar vor nichts zurück, um ihrem jeweiligen Gegner zu schaden. Die letzte TV-Debatte war die wohl schmutzigste in der Geschichte des US-Wahlkampfes. Vermeintliche Sex-Skandale dominieren, auf inhaltlicher Ebene wird vor der US-Wahl 2016 kaum diskutiert.

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Es geht vor allem um das Zuschaustellen persönlicher Schwächen. Im Interview mit unserer Redaktion spricht USA-Experte Dr. Martin Thunert über die Gründe für den schmutzigen Wahlkampf, die Rolle der US-Medien und darüber, ob es noch schmutziger wird.

In Deutschland wären solch persönlich geführten Rededuelle kaum vorstellbar. Warum ist der US-Wahlkampf derart schmutzig?

Diesmal haben wir zwei Kandidaten, die sehr unbeliebt sind. Trump ist sicherlich auch ein Kandidat, der nicht detailliert über Themen spricht. Er wird angegriffen von der Presse, reagiert auf Enthüllungen. Seine Taktik ist, Clintons dunkle Seite zu zeigen und umgekehrt. Deshalb wird zu wenig über die wirklich dringenden Themen gesprochen.

Inhalte kommen also zu kurz?

Ja. Das liegt auch an den Fragestellern, zum Beispiel im zweiten TV-Duell. Das Publikum ist aufgeteilt in Trump-Fans und Clinton-Fans. Die wollen natürlich Fragen stellen, die für den jeweils anderen Kandidaten schwierig und peinlich sind. Es geht viel ins Persönliche.

Bei den letzten Wahlkämpfen war das nicht so, so extrem habe ich das noch nie erlebt. Beide Kandidaten bieten viel Angriffsfläche. Bei ihr geht es um Integrität, bei ihm um sexuelle Belästigung und Beleidigungen.

Trump hat Clinton sogar angedroht, er werde sie ins Gefängnis bringen.

Er ist der Meinung, und damit steht er nicht alleine, dass die E-Mail-Affäre um Clinton eben nicht nur eine Lappalie ist. Er meint, dass ein Strafverfahren hätte begonnen werden müssen. Das FBI hatte entschieden, dass sie nicht angeklagt wird. Wäre sie angeklagt worden, hätte sie wahrscheinlich ihre Kandidatur aufgeben müssen.

Trump sagt, dass das FBI, das dem Justizministerium untersteht, parteiisch gehandelt habe. Er hat etwa darauf hingewiesen, dass Bill Clinton wenige Tage vor der Entscheidung mit der Justizministerin auf dem Flughafen von Washington gesprochen habe. Und er sagt, dass er als Präsident die Untersuchung wieder aufrollen und einen Sonderermittler einschalten werde. Er hat sich aber unglücklich ausgedrückt, es kam schon fast rüber wie in einer Diktatur.

Welche Rolle spielen die US-Medien in diesem Wahlkampf?

Die US-Medien springen auf alles drauf, bekommen leicht Schlagzeilen. Trump hat die Medien sehr gut bespielt, ansonsten wäre er vermutlich nicht mal Kandidat geworden. Er ist ja nicht umsonst seit Jahren ein TV-Star in Amerika.

Wer profitiert weiter von solch schmutzig geführten Wahlkämpfen?

Die Kampagnenmanager mögen das nicht. Wer nicht wirklich profitiert, sind die Leute, die wählen müssen. Sie amüsieren sich dabei zwar, der Unterhaltungswert ist hoch.

Hier verfließen Entertainment und Politik ineinander. Die Wähler, die Sachthemen diskutiert sehen wollen, kommen natürlich zu kurz. Wer Politik-Entertainment will, kommt dagegen auf seine Kosten. Dabei haben die gegenseitigen Vorwürfe einen ernsten Hintergrund.

Heißt?

Wenn die Anschuldigungen gegen Trump wegen sexueller Belästigung etwa stimmen. Um seine Verfehlungen zu kontern, hat Trump ja die Frauen hervorgeholt, bei denen sich Bill Clinton unanständig verhalten haben soll. Das ist eine Retourkutsche gegen Clinton nach dem Motto, wenn du das kannst, kann ich das auch.

Anhand der Erfahrungen der vergangenen Wahlkämpfe: Wie schmutzig wird es noch werden?

Ich würde persönlich sagen, dass der Wahlkampf vorbei ist. Wenn nicht unvorhersehbare Ereignisse eintreten. Trump hat es in den letzten Wochen einfach nicht geschafft, aus dem Gefängnis seiner Vorwahlerfolge herauszukommen und seine Wählerbasis zu verbreitern. Viele republikanische Geldgeber haben ihn ja schon längst verlassen, um die Kongresswahlen für die Republikaner zu retten.

Sie gehen also fest davon aus, dass Hillary Clinton erste Präsidentin der Vereinigten Staaten wird?

Ich bin kein Wahrsager. Würden die Wahl in den kommenden Tagen stattfinden, würde sie wohl mit einer ziemlich großen Mehrheit gewinnen. Ich sehe nicht, dass Trump in den vergangenen Wochen irgendwas dazugewonnen hätte.

Die erste TV-Debatte hat ihn richtig runtergezogen. Viele gut gebildete Frauen sagen zum Beispiel, ich bin zwar Republikanerin, diesen Kandidaten kann ich aber nicht wählen. Viele führende Republikaner haben sich zudem abgewandt, weil sie meinen, Trump ziehe noch die gesamte Partei mit hinunter. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn er noch Präsident wird.

Dr. Martin Thunert ist Dozent am Heidelberg Center for American Studies (HCA) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Sein Institut erforscht und analysiert interdisziplinär historische, kulturelle, wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklungen in den USA.
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