- Der Gaspreis hat sich seit vergangenem Jahr nahezu verdoppelt.
- Nach Ende der Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1 drohen weitere Preissteigerungen.
- Ein Experte schätzt die Entwicklungen ein und äußert sich zu einem möglichen Preisdeckel.
Der Gaspreis lag im vergangenen Jahr noch bei durchschnittlich 6,47 Cent pro Kilowattstunde. Für das Jahr 2022 errechneten Experten des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bisher einen Preis von 13,26 Cent pro Kilowattstunde. In den nächsten Monaten könnten jedoch noch weitere Mehrbelastungen auf die Kundinnen und Kunden zukommen.
Welche Gründe gibt es für die gestiegenen Gaspreise?
Die Daten des BDEW machen deutlich, woher die Preissteigerungen für das Gas kommen: Der Gaspreis ist vor allem aufgrund der Beschaffungs- und Betriebskosten so stark gestiegen. Die Kosten für die Beschaffung und den Vertrieb haben sich von 3,25 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2021 auf in diesem Jahr 8,78 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Die anderen Kostenfaktoren wie Steuern und Abgaben, die Netzentgelte und der CO2-Preis haben sich dagegen nur wenig verändert.
Die Gründe für den Anstieg des Preises sind vielfältig. Die Wirtschaft sei nach der Coronakrise seit Ende des vergangenen Jahres wieder stärker gewachsen und benötige mehr Gas, meint Andreas Fischer vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln im Interview mit unserer Redaktion. Zudem seien die deutschen Gasspeicher nach dem kalten Winter 2021/2022 nicht sehr gut gefüllt.
Hinzu kommt, dass Deutschland nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine seine Abhängigkeit von Russland langfristig beenden will. Die Bundesregierung hat schon andernorts Gas nachfragt. Russland hingegen hat bereits seinerseits seine Einfuhren von Gas nach Deutschland um 60 Prozent reduziert.
Die Preise für Gas unterliegen auch weltweiten Börsenspekulationen. Doch deren Anteil an den Preissteigerungen sieht Wirtschaftsforscher Fischer nur als gering an. Demgegenüber spiele vor allem die Verunsicherung darüber, wann wieder verlässlich Gas geliefert werde, eine entscheidende Rolle bei der Preisentwicklung.
Es gibt aber noch weitere Gründe. So gab es im vergangenen Jahr witterungsbedingt erheblich weniger Strom durch erneuerbare Energien, wie das Bundesumweltamt zuletzt gemeldet hat. Dieser Rückgang von fünf Prozent wurde auch durch Gaskraftwerke kompensiert. Dies stellt die Politik noch drängender vor die Frage, wie die Energieversorgung gewährleistet werden kann.
Zudem sehen die langfristigen klimapolitischen Ziele der Bundesregierung eigentlich vor, zukünftig weniger Kohle- und Atomkraftwerke zu nutzen. Und auch ein Strukturwandel in Asien ist Teil des Ursachenbündels, wie "Forbes Advisor" berichtet. China will von der Kohle wegkommen und dazu auf Flüssiggas umsteigen, um seine Klimaziele einzuhalten. Das lässt den Gaspreis auf dem Weltmarkt weiter steigen.
Wie können weitere Preissteigerungen verhindert werden?
Um aus der Preisspirale herauszukommen, werden derzeit verschiedene Maßnahmen diskutiert. Am vielversprechendsten seien, so erklärt Fischer vom Institut der Deutschen Wirtschaft, Einsparungen im Gasverbrauch und ein Hochfahren der Kohlekraftwerke. Außerdem könnte ein Abbremsen des Preisanstieges ebenfalls durch alternative Gasquellen, etwa aus den Niederlanden oder Norwegen, sowie dem Kauf von Flüssiggas erreicht werden.
Ein Preisdeckel auf Gas steht ebenfalls derzeit im Raum. Die EU-Kommission hat bereits erste Überlegungen dazu getroffen, wie die "Süddeutsche Zeitung" kürzlich berichtet hat. Doch ein solcher Deckel hätte Nachteile. So bestünde die Gefahr, dass Gas-Exporteure ihre Ware in andere Erdteile liefern, weil sie in Europa einen geringeren Preis erhielten. Kritisch sieht einen Preisdeckel auch der Wirtschaftsforscher Fischer.
Aus seiner Sicht "reduziert der die Anreize zum Gassparen". Vielmehr seien stattdessen Entlastungen bei besonders stark betroffenen Gruppen angebracht, meint Fischer. Auch staatliche Beteiligungen an Gasversorgern seien schon im Gespräch. Wirtschaftsminister Habeck scheint dies ähnlich zu sehen. Er lehnte laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Mittwoch bereits einen Preisdeckel ab.
Die Politik blickt nun gespannt auf das Ende der Wartungsarbeiten der Pipeline Nord Stream 1. Diese beginnen am 11. Juli und dauern zehn Tage. Falls danach kein Gas aus Russland geliefert wird, könnte die Bundesnetzagentur einen Preismechanismus auslösen. Dann könnten Gasversorger die Preissteigerungen direkt an die Kunden weitergeben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird die Politik unter immensem Handlungsdruck stehen.
Um die größten Folgen möglicher Verwerfungen abzufedern, haben Bundestag und Bundesrat am Freitag Veränderungen am „Energiesicherheitsgesetz“ beschlossen. Demnach ist es möglich, dass der Staat bei deutschen Gasimporteuren finanziell einsteigen kann. Erst wenn die staatliche Stütze nicht mehr ausreicht, würden die zusätzlichen Kosten auf Importeure und Kunden gleichmäßig verteilt werden. Zudem können Kohlkraftwerke, die eigentlich abgeschaltet werden sollten, wieder zur Stromproduktion ans Netz gehen.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Andreas Fischer, Institut der Deutschen Wirtschaft Köln
- bdew.de: BDEW-Gaspreisanalyse April 2022. 06.05.2022
- umweltbundesamt.de: Deutlich weniger erneuerbarer Strom im Jahr 2021. 15.12.2021
- Forbes.com: 4 Gründe, warum der Gaspreis 2022 steigt. 22.03.2022
- Sueddeutsche.de: Wieso ein Preisdeckel für Gas so schwierig ist. 17.05.2022
- Sueddeutsche.de: Habeck lehnt staatliche Deckelung der Gaspreise ab. 06.07.2022
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