Anfang des Jahres laufen gleich mehrere Preisreduktionen auf Gas aus. Zudem ist im geografischen Umkreis wichtiger Förderländer Krieg ausgebrochen. Welche Folgen haben diese Entwicklungen auf die Gaspreise? Und ist Deutschland besser vorbereitet als im letzten Winter?

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Mit staatlichen Unterstützungsmaßnahmen hat die Bundesregierung im vergangenen Winter versucht, die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine für die deutsche Bevölkerung abzumildern. Zu den staatlichen Hilfen gehörten Preisbremsen für Strom und Gas sowie eine Mehrwertsteuersenkung. Beide Maßnahmen sollen über den Winter erhalten bleiben – doch die jüngste Haushaltsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts wirft die Frage auf, ob die Regierung diese Linie durchhält.

Was bedeutet die Entscheidung der Verfassungsrichter für Gaskunden? Ist Deutschland für den Winter gewappnet? Und welchen Einfluss hat der Krieg im Nahen Osten auf den Gaspreis? Wir klären die wichtigsten Fragen.

Wird das Gas im Winter wieder knapp?

Deutschland geht nach Ansicht von Experten besser vorbereitet in diesen Winter als im letzten Jahr. Vor zwei Wochen erreichte der Füllstand der deutschen Erdgasspeicher nach Angaben des europäischen Gasspeicherverbands GIE erstmals die Marke von 100 Prozent. Das entspricht in etwa dem Verbrauch von zwei bis drei durchschnittlich kalten Wintermonaten.

"Bisher sind die Vorzeichen in mehrfacher Hinsicht besser als im vergangenen Jahr", sagt Andreas Fischer, Ökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. "Das liegt vor allem an der Absicherung der Gasimporte durch LNG und den zugehörigen Terminals sowie an den hohen Speicherständen, die in diesem Jahr schon frühzeitig erreicht werden konnten."

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Welchen Einfluss hat der Krieg im Nahen Osten auf die Entwicklung der Gaslieferungen?

Der Krieg im Nahen Osten hat sich bislang kaum auf die Gasversorgung und Preisentwicklung in Europa ausgewirkt. Einerseits liegen im östlichen Mittelmeer keine größeren Gasanbieter. Andererseits hatten einzelne Ausfälle wie die Stilllegung des israelischen Tamar-Gasfeldes nur geringe Auswirkungen auf die weltweite Gasversorgung. Dazu kommt, dass Deutschland sein Gas vor allem aus den USA bezieht, die weiterhin zuverlässig liefern, und auch die weniger bedeutenden Gaslieferungen aus der arabischen Welt im vertraglich vereinbarten Umfang stattfinden.

Dämpfend auf die Preisentwicklung wirkt nach Ansicht von Franziska Holz, die am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zu Energie, Verkehr und Umwelt forscht, auch die Konjunkturschwäche in China. "Da das Wirtschaftswachstum in China weiterhin schwach bleibt, ist in den nächsten Monaten nicht unbedingt mit einem großen Konkurrenzkampf um LNG zwischen Europa und Asien zu rechnen, in dem Europa nur mit höheren Preisen LNG-Lieferungen sichern könnte", sagt Holz. "Insofern sehe ich auch von den internationalen Märkten derzeit keinen Preisdruck."

Wie haben sich die Gaspreise entwickelt – und was ist für die Zukunft zu erwarten?

Durch den Krieg in der Ukraine wurde Gas zwischenzeitlich extrem teuer. Laut dem Vergleichsportal Verivox schnellte der Preis im vergangenen Herbst auf bis zu 40 Cent pro Kilowattstunde hoch. Inzwischen haben sich die Preise wieder deutlich reduziert – teilweise auf Werte, die sogar unter dem Vorkrisenjahr 2021 lagen. So liegen aktuell die Gaspreise für Neukunden mit 12-Monats-Bindung bei etwa acht Cent pro Kilowattstunde. 2021, als der Preis im Vorfeld des Ukraine-Kriegs zu steigen begann, waren es noch rund drei Cent mehr.

Verantwortlich für die Entwicklung sind dabei mehrere Faktoren. Einerseits dämpfen die gut gefüllten Speicher sowie Einsparungen in Industrie, Kraftwerken, Gewerbe und Haushalten den Preis. Auch die Lieferung von LNG-Gas aus Frankreich sowie die Inbetriebnahme deutscher LNG-Terminals hat sich positiv auf die Preisdynamik ausgewirkt. Dazu kommen aber auch eine Reihe regulatorischer Eingriffe: Zum 1. Oktober sind zwei Gasumlagen weggefallen, die Teil der Netzentgelte sind. Dadurch wurde Gas um rund 0,65 Cent pro Kilowattstunde günstiger. Und es gilt derzeit noch ein reduzierter Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent sowie eine Gaspreisbremse, die 80 Prozent des monatlichen Gasverbrauchs von Privatverbrauchern auf 12 Cent pro Kilowattstunde deckelt.

Als größtes Risiko für den Gaspreis nennt DIW-Ökonomin Holz einen unerwarteten Ausfall von Lieferwegen, der nicht durch die vollen Gasspeicher gedeckt werden kann. "In diesem äußerst unwahrscheinlichen Fall müssten wir mit ähnlichen Preissprüngen rechnen wie im Zusammenhang mit dem Wegfall Russlands als Lieferant für Erdgas in Deutschland", sagt Holz. "Es sind vor allem ungeplante Knappheiten, die sich auf den Preis auswirken, weniger eine vorhersehbare Nachfragesteigerung im Winter."

Helfen die erneuerbaren Energien dabei, den Gaspreis zu reduzieren?

Wenn Windräder, Wasserkraftwerke oder Solarzellen Strom produzieren, ist die Nachfrage nach Gas aus dem Stromsektor geringer, sodass der Gaspreis sinkt. Ein stärkerer Ausbau erneuerbarer Energien führt über diesen indirekten Pfad zu einer geringeren Nachfrage nach Gas.

Im aktuellen Winter dürfte dieser Effekt allerdings noch nicht spürbar sein und erst mit einem zunehmendem Ausbau von Wärmepumpen eine Rolle spielen. Dazu kommt, dass im Winter ohnehin weniger erneuerbare Energie verfügbar ist, sodass die Nachfrage nach Gas aus dem Stromsektor normalerweise höher ist als in den warmen Monaten.

"Auch hier gilt, dass Schwankungen im normalen, jahreszeitlich üblichen Rahmen eher wenig bis gar keinen Effekt auf den Preis haben, weil sie antizipiert werden", so Holz. "Nur unübliche Schwankungen würden sich auswirken, wie der massenhafte Ausfall französischer Atomkraftwerke im Sommer 2022." Damals hatte Deutschland massenhaft Strom nach Frankreich exportieren müssen, der dann auch in größerem Umfang in Gaskraftwerken erzeugt wurde. In diesem Winter ist mit einer solchen Situation bislang nicht zu rechnen.

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Wie können sich Verbraucher auf die schwankenden Gaspreise vorbereiten?

Schwankungen am Großhandelsmarkt, also an der europäischen Energiebörse EEX oder dem Gashandelspunkt TTF, sind Verbraucher nicht ausgeliefert – sie haben üblicherweise Verträge mit langfristigen stabilen Preisen. Eine Preisänderung würde dann erst durchschlagen, wenn sie den Vertrag wechseln. Seit Jahresbeginn bekommen Neukunden durch die gesunkenen Handelspreise aber wieder günstigere Tarife für Gas und Strom. Ein Anbieterwechsel könnte daher eine gute Option sein, insbesondere für Verbraucher, die sich in der Grundversorgung befinden.

Dass der Preis, der am Ende vom Verbraucher bezahlt wird, im Winter trotzdem steigen könnte, hängt mit der jüngsten Haushaltsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zusammen. Dieses hatte in der vergangenen Woche eine Umwidmung von Krediten in Höhe von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Die Bundesregierung hatte daraufhin bereits vorübergehend bestimmte Vorhaben pausiert, die aus dem Fonds finanziert werden sollten.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte zuletzt, dass diese Entscheidung auch zu einem vorzeitigen Ende der Preisbremsen für Strom und Gas führen könnte. Da die Marktpreise inzwischen unter jenen Beträgen liegen, ab der die Bremse greift, wäre ein Auslaufen stand heute aber irrelevant. Anders verhält es sich mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Gas. Sollten Gasversorger schon in diesem Winter wieder höhere Mehrwertsteuersätze berechnen müssen, kommen nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox Preiserhöhungen von rund 11 Prozent auf die Verbraucher zu. Für einen Musterhaushalt mit vier Personen bedeutet dies Mehrkosten von durchschnittlich 270 Euro im Jahr.

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels war von Ende März 2024 als Enddatum des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Gas die Rede. Das ist nicht mehr aktuell, wir haben die entsprechende Passage umformuliert.

Verwendete Quellen

Person dreht am Thermostat einer Heizung

Energiepreisbremsen werden verlängert: Sparpotenzial für Verbraucher gering

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine sollten Strom- und Gaskunden in Deutschland durch staatliche Preisbremsen vor einem Finanzschock bewahrt werden. Die Regelung wird jetzt verlängert - doch die tatsächlichen Einsparungen werden wohl überschaubar sein.
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