Trotz Regen und unstetem Wetter: Der Sommer ist da. Wenn es in unseren Breiten wärmer wird, denken viele von uns an überfüllte Freibäder, eine leckere Kugel Eis oder nette Grillabende im Garten. Doch was, wenn die Temperaturen immer weiter steigen? Warum wir Hitze immer noch unterschätzen, was an ihr so gefährlich ist und wieso der Schutz vor Hitze ein Privileg ist.

Mehr zu United Internet for UNICEF

Temperaturen wie in Pakistan, Saudi-Arabien oder Mexiko mit bis zu 50 Grad übersteigen unsere kühnsten Vorstellungen. In Mexiko starben seit Mitte März mehr als 150 Menschen – aufgrund von extremer Hitze. Ähnliches spielte sich auf der diesjährigen Pilgerfahrt nach Mekka ab: Laut WDR starben1.300 Personen wegen Temperaturen um die 50 Grad. Und auch bei uns in Europa wird es immer heißer.

Fakt 1: Hitze wird oft unterschätzt

Viele können sich (noch) nicht vorstellen, was steigende Temperaturen anrichten können. Das liegt zum einen an der mangelnden Erfahrung mit extremer Hitze. Zum anderen erscheinen die Zahlen, die im Raum stehen, wenn es um die Erderwärmung geht, minimal so wie die berühmten 1,5 Grad, dem Richtwert in Bezug auf die globale Erderwärmung.

1,5 Grad das klingt nach viel zu wenig, als dass es relevant sein müsste. Aber dieser Eindruck täuscht. Und zwar immens. Die Klimatologin Friederike Otto vergleicht es in ihrem Buch "Klimaungerechtigkeit" mit einem Fieber: Ob wir 37 Grad oder 38,5 Grad Körpertemperatur haben, macht einen großen Unterschied für unsere Gesundheit.

2023 stand die Erderwärmung bereits bei 1,2 Grad. 1,5 Grad bedeuten: Die Erde wird immer heißer. Und dies macht sich in intensiveren und häufiger vorkommenden Hitzewellen bemerkbar.

Allein während der Hitzewelle in Europa im Jahr 2003 starben mehr als 70.000 Menschen. Wetterdienste hatten die extreme Hitze zwar vorausgesagt, doch die Regierungen und Städte reagierten nicht mit den entsprechenden Maßnahmen wie der Einrichtung von öffentlichen Räumen zum Abkühlen oder der Verbreitung von (überlebens)wichtigen Informationen. Länder wie Frankreich und Italien haben seitdem daraus gelernt und Hitzeschutzsysteme errichtet.

Fakt 2: Der Klimawandel verändert Hitzewellen

Der im August 2021 veröffentlichte Bericht des IPCC (Weltklimarat) berichtet Bedrohliches: Sowohl die durchschnittliche als auch die extreme Hitze hat auf allen Kontinenten zugenommen. Und dies ist auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen. In Ländern wie beispielsweise Indien, wo bislang schon Höchsttemperaturen von um die 40 Grad herrschten, sind die Menschen mittlerweile Hitzewellen mit Temperaturen um die 50 Grad ausgesetzt.

Ein häufig angeführtes Argument gegen den menschengemachten Klimawandel lautet, dass es auch früher Wetterextreme wie Hitze, Überschwemmungen und Dürren gegeben habe.

Dass es auch früher extreme Wetterereignisse gab, ist korrekt. Schon in den 1930er Jahren wurden die USA etwa von einer heftigen Hitzewelle getroffen, die viele Menschen an den Rand ihrer Existenz brachte. Klimaforschende gehen allerdings davon aus, dass diese Hitzewelle ohne den Klimawandel deutlich weniger intensiv und verheerend gewesen wäre.

Ähnlich verhält es sich beispielsweise mit Temperaturen in London im Jahr 2022: 40 Grad hätte es ohne den Klimawandel dort nie gegeben, schreibt Friederike Otto.

Fakt 3: Hitze tötet und ist besonders für Kinder gefährlich

Hitze ist mit Abstand das tödlichste Extremwetterereignis. Besonders Kinder, ältere Menschen und Schwangere sind gefährdet. Auch sozial isolierte Menschen, Obdachlose oder jene, die im Freien arbeiten, sind anfälliger, weil sie weniger Möglichkeiten haben, sich abzukühlen.

Hitzebedingte Erkrankungen treten auf, wenn die Temperaturen so hoch sind, dass der Körper sich nicht mehr selbst abkühlen kann. Wenn die Temperaturen außerhalb des Körpers höher sind als die eigene Körpertemperatur, also idealerweise 36,5 Grad, kann der Körper keine überschüssige Hitze abgeben.

Noch schlimmer wird es, wenn es nicht nur heiß ist, sondern auch noch eine hohe Luftfeuchtigkeit herrscht. Denn dann kann der austretende Schweiß den Körper nicht mehr herunterkühlen.

"Der Klimawandel stellt eine existenzielle Bedrohung für uns alle dar, aber schwangere Frauen, Babys und Kinder sind mit einigen der schwerwiegendsten Folgen überhaupt konfrontiert."

Bruce Aylward , WHO

Am meisten betroffen sind wie so oft diejenigen, die sich am wenigsten schützen können: Säuglinge und jüngere Kinder haben Probleme mit der Regulierung ihre Körpertemperatur. Sie sind damit am stärksten von hitzebedingter Sterblichkeit bedroht.

UNICEF, das Kinderhilfswerk der UN, warnt, dass Kinder einer größeren Gefahr ausgesetzt sind, von Gesundheitsproblemen wie chronischen Atemwegserkrankungen, Asthma und Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen zu sein, je mehr Hitzewellen sie erleben. UNICEF geht davon aus, dass bis 2050 so gut wie jedes Kind weltweit von Hitzewellen bedroht sein wird.

Hitzewelle in Pakistan
Ein Junge in Pakistan gießt sich Wasser über den Kopf, um sich an einem heißen Sommertag abzukühlen. © dpa / Ppi/PPI via ZUMA Press Wire/dpa

"Der Klimawandel stellt eine existenzielle Bedrohung für uns alle dar, aber schwangere Frauen, Babys und Kinder sind mit einigen der schwerwiegendsten Folgen überhaupt konfrontiert", sagt Bruce Aylward, stellvertretender Generaldirektor für allgemeine Gesundheitsversorgung bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Hitzewellen können sich auch negativ auf das Umfeld der Kinder auswirken: Schulen können schließen, sodass sie nicht weiter lernen können. Wasser wird knapp und Hitzewellen können Dürren weiter verstärken und verlängern, sodass Ernten ausfallen, Menschen weniger zu essen haben und mehr Kinder an Mangelernährung leiden. Durch hohe Temperaturen können sich auch tödliche Krankheiten wie Cholera, Malaria und Dengue-Fieber schneller und leichter ausbreiten mit schlimmen Folgen für schwangere Frauen und Kinder.

Fakt 4: Schutz vor Hitze ist ein Privileg

Die Anweisungen, was bei extremer Hitze zu tun ist, sind denkbar einfach: sich während der heißesten Stunden nicht im Freien aufhalten, kühle Orte aufsuchen, viel trinken oder nur leichte Kost zu sich nehmen.

Aber was, wenn Menschen darauf angewiesen sind, im Freien zu arbeiten, unter der glühenden Sonne? Was, wenn sauberes Trinkwasser ohnehin ein Problem ist, weil es kaum vorhanden ist? Und wenn ein Haus ohne Klimaanlage oder Ventilator, wo die Hitze zwischen den Wänden wabert und alles aufheizt, der einzige Rückzugsort ist? Wie so oft ist es eine Frage des Privilegs und der Herkunft, ob Hitze gefährlich oder sogar tödlich werden kann.

Hitze in Mexiko
Ein Arbeiter trinkt aromatisiertes Wasser, um die Hitze auf einer Baustelle zu überstehen. © dpa / Felix Marquez/AP

In Malawi, Madagaskar und weiteren Ländern im östlichen und südlichen Afrika sowie Bangladesch und Pakistan im Süden Asiens sind vor allem Kinder nicht ausreichend versorgt, beispielsweise mit sauberem und sicherem Trinkwasser. Sie sind Wetterextremen wie Hitze schutzlos ausgeliefert. In Bangladesch und auf den Philippinen kam es in diesem Jahr bereits zu Schulschließungen aufgrund von anhaltender Hitze.

Und wie sieht die Prognose für Deutschland aus?

Diese Orte erscheinen uns im vergleichsweisen kühlen Europa weit weg. Doch ein UNICEF-Report stellt fest, dass in Deutschland im Jahr 2020 3,3 Millionen Kinder häufig Hitzewellen ausgesetzt waren. 4,1 Millionen der unter 18-Jährigen erlebten schwere Hitzewellen. Bei einer Erderwärmung um 2,4 Grad geht das Kinderhilfswerk davon aus, dass im Jahr 2050 nahezu alle Kinder in Deutschland betroffen sein werden. Und auf einmal rückt das alles doch ein Stückchen näher.

Die nigerianische Klimaaktivistin Adenike Oladosu fasste es am 1. Oktober 2021 so zusammen: "Wenn Afrika nicht sicher ist, ist Europa definitiv nicht sicher, also ist es nirgendwo sicher, bis es überall sicher ist. Wir befinden uns in einem Wettlauf gegen die Zeit, und die Zeit zum Handeln ist jetzt."

Verwendete Quellen

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.