An diesem Dienstag hat Leonor von Spanien ihren großen Tag: Die Kronprinzessin feiert ihren 18. Geburtstag und damit ihre Volljährigkeit. Zudem wird sie an diesem 31. August den Treueid auf die Verfassung ablegen. Unsere Redaktion hat mit Michael Begasse über die Entwicklung der ältesten Tochter von König Felipe (55) und Königin Letizia (51) gesprochen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Dennis Ebbecke sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"Leonor macht momentan royales Learning by Doing", sagt der RTL-Adelsexperte, der bei Spaniens Thronfolgerin in den vergangenen zwei, drei Jahren eine "überraschende Metamorphose" beobachtet hat. "Sie ist vom schüchternen, unauffälligen Mädchen, das sich immer ein bisschen hinter Mama und Papa versteckt hat, zu einer erwachsenen und attraktiven jungen Frau mit Haltung gereift." Ihr Auftritt im Rahmen des spanischen Nationalfeiertags habe diesen Eindruck untermauert, führt Begasse weiter aus: "Leonor stand in Uniform da wie eine Eins. Sie wirkt in dieser Uniform genauso glaubhaft wie im Abendkleid oder – ihrem Alter entsprechend – in Sportswear."

Mehr News zum Thema Adel

Freiwillige Militärausbildung: Keine Sonderrechte für die künftige Königin

In ihrer neuen Funktion als Kadettin der Militärakademie von Saragossa hat für die Kronprinzessin inzwischen der Ernst des Lebens begonnen. "Ich habe großen Respekt davor, dass sie diesen Weg freiwillig eingeschlagen hat. Sie genießt während dieser militärischen Ausbildung auch als künftige Königin keine Sonderrechte, sondern muss sich Hierarchien unterwerfen. Genau aus diesem Grund hat sich Leonor dazu entschlossen. Sie möchte sich – in dem Wissen, eines Tages Oberbefehlshaberin der Armee zu sein – einen genauen Eindruck verschaffen, um später die richtigen Entscheidungen treffen zu können", erklärt der Adelsexperte.

Begasse: "Leonor ist durch eine harte Schule gegangen"

Auch darüber hinaus wisse die frisch gebackene 18-Jährige genau, was auf sie zukommen wird – vor allem, weil sie als Jugendliche das Drama um ihren Großvater, der letztendlich ins Exil gehen musste, aus nächster Nähe miterlebt habe. Begasse erläutert: "Leonor ist sich im Klaren darüber, dass die Monarchie in Spanien aufgrund der Skandale um Juan Carlos I. heute nicht mehr so stark und sicher ist, wie sie es einmal war. Man muss sich das vorstellen: Es wurden auf offener Straße Bilder der Königsfamilie und dementsprechend auch Bilder von ihr verbrannt. Was macht das mit einem Teenager? Leonor ist durch eine harte Schule gegangen."

Nur wenige Tage nach der Abdankung des in Ungnade gefallenen Monarchen wurde im Juni 2014 Felipe als dessen Nachfolger präsentiert – "in Form einer royalen Hauruckaktion, wie ich sie bis dato noch nie gesehen hatte", fügt Begasse hinzu. Da die republikanischen Kräfte damals immer stärker wurden, war ein sofortiges Handeln unumgänglich.

Bis heute sind die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens ein Thema in Spanien, wenngleich die Stimmen inzwischen durchaus leiser geworden sind – nach Ansicht Begasses nicht zuletzt, weil König Felipe in dieser Causa hervorragende Arbeit geleistet hat. "Ich bin mir sicher, dass sich Leonor hier einiges von ihrem Vater abschauen konnte. Und das war auch wichtig, denn sie wird es später voraussichtlich in der Hand haben, Spanien als Nationalstaat, wie wir ihn heute kennen, zu halten und zu festigen. Insofern hat sie eine politische Macht als Integrationsfigur."

Die zwei Seiten der Causa Juan Carlos

Mit Blick auf Juan Carlos dürften zwei Seelen in der Brust der Kronprinzessin wohnen. Einerseits würde sie ihren Opa laut des Experten gerne häufiger zu sehen bekommen als nur zweimal im Jahr. Andererseits sei ihr als künftige Königin bewusst, dass sich der ehemalige König falsch verhalten habe. "Juan Carlos war für die Monarchie nicht mehr tragbar. Es gibt keinen Zweifel daran, dass er Schmiergelder angenommen hat", sagt Begasse und fügt mit aller Deutlichkeit hinzu: "Leonor hat die Chance, das auszubügeln, was ihr Großvater zerstört hat." Oder anders ausgedrückt: Damit sie den Thron eines Tages überhaupt besteigen kann, darf sich die Königsfamilie keine weiteren Eklats mehr leisten, muss sich offen und volksnah präsentieren.

Das hat Leonor von ihrer Mutter Letizia gelernt – und das von ihrem Vater Felipe

In diesem Punkt hat sie jede Menge von ihrer Mutter gelernt. Begasse verweist auf den "vorbildlichen Umgang", den Königin Letizia mit anderen Personen pflegt. Als gelernte Journalistin beherrsche sie es perfekt, auf Menschen zuzugehen. "Leonor soll übrigens – ebenso wie Letizia – einen sehr festen Händedruck haben. Auch das Temperament wurde ihr von ihrer Mutter mit in die Wiege gelegt." Felipe habe seiner Tochter hingegen das Seriöse, das in sich Gekehrte und das Verantwortungsbewusstsein mit auf den Weg gegeben. Die junge Thronfolgerin vereine demnach diverse Charaktereigenschaften von beiden Elternteilen. "Ich finde, das matcht richtig gut", analysiert Begasse.

Nicht nur von ihren Eltern konnte sich die in Madrid geborene Kronprinzessin einiges abgucken, sondern auch von ihrer Großmutter – im übertragenen Sinn. Die spanische Altkönigin Sofia hat zwei Tage nach ihrer Enkelin Geburtstag und wird am 2. November 85 Jahre alt. "Sie ist eine Königin der alten, traditionellen Schule", erklärt Begasse, der darauf hinweist, diese Einordnung nicht negativ zu meinen. "Sie hat nie ein böses Wort über ihren Ehemann gesagt und ist zu jeder Zeit als treue, pflichtbewusste Königsgemahlin in Erscheinung getreten. Davor ziehe ich meinen Hut, auch wenn sich Sofia in dieser Rolle leider selbst ein bisschen verloren hat und heute oft traurig wirkt."

Lesen Sie auch:

Darum kann die Kronprinzessin die Weichen selbst stellen

Trotz des Respekts, den sich die frühere Regentin verdient hat, ist sie mit Blick auf Leonors zukünftiger Rolle auch ein Stück weit ein warnendes Beispiel. "Während Sofia über vieles hinweggeschaut hat, möchte Leonor nicht in diese royale Zwangsjacke gesteckt werden", ist sich Begasse sicher. Als künftige Königin aus eigenem Recht habe sie im Gegensatz zu ihrer Großmutter die Chance, selbst die Weichen zu stellen und dafür zu sorgen, dass ihr eine vergleichbare Rolle niemals aufgedrängt werde.

"Leonor ist eine Kronprinzessin des neuen Jahrtausends, Sofia hingegen entstammt der Tradition der angeheirateten Königinnen", fasst der Adelsexperte zusammen. Dazu zählt er auch die schwedische Königin Silvia, die sich über die Eskapaden und Affären ihres Mannes Carl Gustaf bis heute ausschweigt.

Die Schwestern Leonor und Sofia: Wie einst Queen Elizabeth und Prinzessin Margaret

Dass Leonor einen moderneren, selbstbewussteren Ansatz wählen wird, liegt auf der Hand. In ihrer jüngeren Schwester, Infantin Sofia (16), hat sie eine Person an ihrer Seite, die sie in ihrem Weg bestärken wird. Begasse zieht einen interessanten Vergleich: "Leonor und Sofia heute erinnern mich an Königin Elizabeth und Prinzessin Margaret in den 40ern und 50ern. Denn der wichtigste Mensch, dem die Queen immer alles anvertrauen konnte, war ihre jüngere Schwester – bis zu ihrem Tod im Jahr 2002."

Der Adelsexperte hofft, dass Leonor und Sofia ein langes, gemeinsames Leben vor sich haben: "Und zwar nicht nur als Schwestern, sondern auch als Freundinnen."

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.