Horizontal erzählte Sporttasche und noch ein Drama um verlorene Eltern: Das macht der Saarbrücker "Tatort" aus seinem Lieblingsthema.
Wir haben es an dieser Stelle mehrmals geschrieben und sagen es noch einmal: In keinem "Tatort" gibt es einen so starken horizontal erzählten Erzählstrang wie in den Folgen aus Saarbrücken, seit das neue Team 2020 seinen Dienst antrat. Es ist eine Geschichte, die von dem Verhältnis der Kommissare Adam Schürk (Daniel Sträßer) und Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) zueinander erzählt.
Eine Geschichte, die bis in die Jugend der beiden reicht und der Grund für ihre so tiefe wie komplizierte Freundschaft ist. Der Saarbrücker "Tatort" nahm sie zum Ausgangspunkt für geradezu Shakespear'sche Familiendramen.
Was davon geblieben ist, ist eine Sporttasche. In keinem "Tatort" werden Sporttaschen so regelmäßig durch die Gegend getragen wie in Saarbrücken. Eine horizontal erzählte Sporttasche gewissermaßen.
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Anfangs symbolisierte sie
Wieder ein Drama um böse Eltern
In "Das Ende der Nacht" ist es Wachmann Aytac Celik (Mücahit Altun), der sich mit so einer Tasche verdächtig macht. Anders als sein Kollege hat Celik den millionenschweren Überfall auf seinen Geldtransporter überlebt und er hat den gleichen Nachnamen wie ein stadtbekannter Clan. Da ist er natürlich sofort Adams Hauptverdächtiger – dabei sollte doch gerade der wissen, wie schnell und ungerechterweise man in Familienhaft genommen wird.
Auch in "Das Ende der Nacht" wird der Versuch unternommen, ein Drama um böse, abwesende Eltern zu erzählen. Denn eine am Tatort auf den Boden gesprayte Zahl verweist auf die Handschrift des Verbrecherehepaares Radek. Seit Jahren veranstalten die beiden erfolgreiche Überfälle und sind unauffindbar.
Auch für Tochter Carla Radek (Lena Urzendowsky), die praktischerweise in einem Saarbrücker Imbiss arbeitet. Als Carla elf Jahre alt war, haben ihre Eltern sie bei den Nachbarn abgegeben und sind nie wiedergekommen.
Esther Baumann darf ihr fließendes Französisch unter Beweis stellen
Anders als im Fall Adam Hölzer ist das Drama um diese verlorene Tochter vor allem Anlass für viele motivierende "Psychologie Heute"-Dialoge über die Möglichkeiten und Grenzen, sich von den Eltern freizumachen. "Du bist nicht wie deine Mutter!" sagt Adam Hölzer einmal zu Carla, weil er natürlich keinesfalls so sein will wie sein Vater. Was aber, wenn Carla furchtbar gern so wäre wie ihre Mutter?
Das Einzige, was sich an den ersten Saarbrücker "Tatort"-Folgen aussetzen ließ, war die undankbare Rolle der Kommissarinnen
Im aktuellen Fall darf Esther Baumann ihr fließendes Französisch unter Beweis stellen – die grenzüberschreitenden Ermittlungen sind ein Pluspunkt dieses "Tatort", der überhaupt viel öfter von der Nähe seines Wirkungskreises zu Frankreich profitieren sollte. Und was die dauerschlaflose Pia Heinrich angeht, so wird nicht nur ein Grund für ihre Ruhelosigkeit, sondern sogar eine Tablettensucht angedeutet. Auch so etwas schweißt natürlich zusammen.
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Mitunter wirken die vier fast wie eine Quartett-Version der "Drei ???", so verständnisvoll und locker geht man miteinander um. Bis Adams Vergangenheit auch diesen Fall einholt und nicht nur Pia in große Gefahr gerät.
"Das Ende der Nacht" ist kein richtig schlechter, aber auch kein richtig guter Krimi. Dafür ist vor allem das Drehbuch (Melanie Waelde), aber auch die Regie (Tini Tüllmann) zu skizzenhaft, zu unentschieden. Es wird in alle möglichen Richtungen ermittelt und psychologisiert. Aber vielleicht ist das größte Problem des Saarbrücker "Tatort" ja einfach, dass der Anfang so stark war, dass auch ein gesundes Mittelmaß immer enttäuschen wird.
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