Mit "Call of Duty: Vanguard" steht der neuste Teil der Shooter-Reihe inzwischen zur Verfügung. Der spielt, wie schon der erste Teil des Franchise, im Zweiten Weltkrieg. Nicht nur beim Setting bedient sich "Vanguard" bei Altbekanntem – auch sonst ist Innovation hier Mangelware.
Es gibt Dinge, die jedes Jahr passieren und einfach unausweichlich sind. Geburtstage, Familienfeiern bei denen sich irgendwer völlig daneben benimmt, die Jahreszeiten – und der Release des neuen "Call of Duty" (CoD). Schließlich verkauft sich die Shooter-Reihe trotz der jährlichen Veröffentlichungen wie geschnitten Brot. Warum sollte Publisher Activison also Pause machen?
Auch 2021 bildet da keine Ausnahme. Seit dem 10. September ist "Call of Duty: Vanguard" erhältlich und entführt die Spieler noch weiter in die Vergangenheit als der Vorgänger. Denn während in "Black Ops Cold War" der Kalte Krieg zum Brandherd wurde, macht Vanguard einen Abstecher in den Zweiten Weltkrieg.
Entwickler Sledgehammer Games setzt damit auf Altbekanntes – schließlich war schon der erste Teil der Reihe 2003 im Weltkriegs-Setting verortet. Auch sonst wagt Vanguard kaum Experimente. Wir haben die Kampagne, den Multiplayer und den Zombi-Modus des Spiels getestet und erklären, warum zwei der drei Eckpfeiler des Spiels eher eine Enttäuschung geworden sind.
"Call of Duty: Vanguard": Die Story gewinnt keinen Blumentopf
Die Vanguard-Kampagne spielt während der finalen Phase des Zweiten Weltkriegs. 1945 macht sich eine Sechsertruppe, welche die erste militärische Spezialeinheit der Welt bildet, auf den Weg nach Hamburg. Dort soll sie einen Zug entführen, um Informationen zu einem Geheimprojekt der Nazis mit dem Codenamen "Projekt Phoenix" zu sammeln.
Doch die Mission geht schief und die Mitglieder der Einsatzgruppe Vanguard werden von Nazi-Oberbösewicht Hinrich Friesinger gefangen genommen. Das hält sie allerdings nicht davon ab, alles zu tun um herauszufinden, was die Deutschen geplant haben.
Vanguard erzählt im Kern die Geschichte eines Teams aus ungleichen Mitgliedern, die erst lernen müssen, sich zusammenzuraufen. Die Story hat durchaus Potenzial, nur versteht es Sledghammer nicht, dieses auch auszunutzen.
So gibt es nicht einen einzigen Moment im Spiel, der glaubhaft vermittelt, warum das Team plötzlich zusammengewachsen sein soll. Dazu kommen Sätze wie: "Jedes Mitglied dieses Teams war bereits ein Held, bevor ihre Akten auf meinem Tisch landeten", die am laufenden Band abgefeuert werden und auch aus einem Glückskeks für Weltkriegs-Veteranen stammen könnten. Zum Schluss will Vanguard dann auch noch mit einem Plot-Twist aufwarten, der, man kann es nicht anders sagen, einfach dämlich ist.
Immerhin gibt es in Vanguard keine Mission, die gezielt das Publikum provozieren will. Schließlich hatte es in der Vergangenheit immer wieder Skandale um Story-Abschnitte verschiedener CoD-Teile gegeben. 2020 liebäugelte etwa "Black Ops Cold War" mit rechten Verschwörungsnarrativen, und in Modern Warfare 2019 erlebten die Spieler Giftgasangriffe auf Zivilisten durch die Augen eines Kindes.
Passive Hauptgeschichte und belanglose Gameplay-Gimmicks
Auch an der Struktur seiner Erzählung krankt Vanguard. Nur zwei Missionen, die erste und die letzte, spielen im Jahr 1945 und knüpfen damit direkt an die Hauptgeschichte an. Den Rest der Geschichte um die Spurensuche zum "Projekt Phoenix" erleben wir lediglich in gerenderten Zwischensequenzen.
Die sehen zwar zum Niederknien gut aus, trösten aber nicht darüber hinweg, dass die Entwickler scheinbar selber nicht wussten, wie sie ihre eigentliche Geschichte spielerisch umsetzen sollten.
Wenn wir im Hauptteil der Kampagne gerade nicht auf die Render-Sequenzen glotzen, spielen wir Episoden aus der Vergangenheit der verschiedenen Teammitglieder. Mit Anführer Arthur landen wir beispielsweise als Teil der Operation Tonga vor dem D-Day in der Normandie, mit Lucas kämpfen wir in Afrika gegen die Deutschen und mit Wade schießen wir in der Schlacht um Midway 1942 japanische Flugzeuge vom Himmel.
Dabei nutzen wir unterschiedlichen Spezialfähigkeiten, über die unsere Recken verfügen. Diese sind gameplaytechnisch die einzig nennenswerte Neuerung in der Vanguard-Kampagne. Polina kann klettern wie ein Eichhörnchen, sich sehr schnell geduckt bewegen und das Feuer der Feinde auf sich ziehen.
Wade hingegen hat eine Fokus-Sicht, mit der sich Gegner leichter entdecken lassen und die man nutzen kann, um automatisch auf diese zu zielen. Sprengmeister Lucas sieht die Flugbahn seiner Granaten und kann mehrere unterschiedliche Typen von Ausrüstung tragen.
Nur Kingsleys Fähigkeit sticht nicht heraus. Während wir ihn spielen, dürfen wir nur ab und an Kommandos geben, die dann die NPC-Soldaten oder unsere Begleiter ausführen - und das auch nur an festgelegten Stellen. Nützlich fühlt sich das nicht an.
Generell wirken die Fähigkeiten mehr wie Gimmicks als wie essenzielle Features. Lediglich die Missionen mit Polina sind so um deren Fähigkeiten herum entworfen, dass sie unerlässlich erscheinen.
Polinas Missionen sind das Highlight der Kampagne
Die Flashback-Missionen der einzelnen Teammitglieder sollen uns die Charaktere näherbringen und erklären, wie sie zu der Spezialeinheit stießen. Nur geht diese Rechnung von Entwickler Sledgehammer nicht auf. Die meisten Missionen nehmen sich kaum Zeit, uns die Entwicklung der Figuren glaubhaft zu vermitteln. Etwa, warum genau sich Draufgänger Wade und Rebell Lucas nun zu Teamplayern entwickelt haben sollen.
Lediglich Polinas Missionen, bei der wir uns im von den Deutschen belagerten Stalingrad auf eine Rachemission begeben, entwickelt so etwas wie Tiefgang. Auch hier wird das Story-Rad nicht neu erfunden, aber zumindest ist Polinas Motivation nachvollziehbar, weil Vanguard sich mehr Zeit nimmt, ihr Schicksal emotional auszuarbeiten.
Dazu kommt, dass alle Mitglieder der Truppe ziemlich plump geschrieben sind. Entweder lassen sie haufenweise dumme Sprüche vom Stapel, oder sie spielen das "Ach was bin ich doch für ein harter Hund"-Spiel um zu zeigen, was für krasse Typen sie sind. Auch bei Oberbösewicht Friesinger hat man sich wenig Mühe gegeben. Der wirkt wie die 150igste "Hans Landa"-Abziehschablone.
Obwohl die Kampagne von Vanguard wenig Neues bietet und auch die Story eher vermurkst daherkommt, machen die Missionen trotzdem Spaß. Vor allem, weil sie gut inszeniert und actiongeladen sind. Oftmals fühlt man sich wie in einem Hollywood-Film, bei dem Michael Bay alles explodieren lässt, was nicht bei drei die Weiße Fahne schwenkt.
Wer sich das Spiel allerdings nur wegen der Kampagne holen möchte, sollte sich genau überlegen, ob er für fünf bis sechs Stunden Spielzeit 60 (PC) bis 70 Euro (Konsolen) ausgeben möchte.
Der Zombie-Modus ist ein klares Downgrade
Genug Spielzeit für sein Geld kann man theoretisch auch ohne die Kampagne aus CoD: Vanguard herauspressen. Schließlich gibt es ja noch den Multiplayer- und den Zombies-Modus. Letzterer wirkt in Vanguard allerdings eher lieblos drangeklatscht.
Schuld daran ist, dass es dem Modus massiv an Inhalten fehlt. Derzeit gibt es nur eine Zombie-Karte. Auf dieser kämpfen wir uns rundenweise durch drei verschiedene Missionstypen.
Entweder müssen wir eine Zeit lang in einem von Zombies überranntem Gebiet durchhalten, oder wir eskortieren einen fliegenden Orb, oder wir sammeln Steine, mit denen wir Obelisken aufladen. Nach jeder Mission nutzen wir gewonnene Ressourcen, um unsere Aufrüstung aufzubessern, damit wir den Runde für Runde stärker werden Zombies Einhalt gebieten können.
Grundsätzlich funktioniert der Modus und macht Spaß - wird aber auch schnell fad. Länger als einen Nachmittag wird er deshalb wohl nur Hardcore-Zombie-Enthusiasten fesseln.
Besonders im Vergleich zum exzellenten und vielseitigen Zombie-Modus in "Black Ops Cold War" ist der in Vanguard ein ganz klares Downgrade. Weil das Gameplay-Fundament aber solide ist, könnte dieser Makel mit zukünftigen Content-Updates behoben werden.
Vanguards Multiplayer: Die Revolution bleibt aus
Am stärksten überzeugt hat uns Vanguard mit seinem Multiplayer. Der ist schnell, spaßig und so solide wie eh und je. Geändert hat sich dabei allerdings relativ wenig. In guter alter CoD-Tradition leveln wir unseren Account auf, um passive Fähigkeiten, Ausrüstungsgegenstände und Waffen freizuschalten. Auch die Waffen lassen sich wie gewohnt leveln: Mit neuen Aufsätzen können wir die jeweilige Bleispritze individuell anpassen.
Bei den einzelnen Multiplayer-Runden gibt es keine bahnbrechenden Neuerungen. Die Partien fühlen sich an wie im Vorgänger "Black Ops Cold War". Nur die sogenannte "Time to kill" (TTK; also die Zeit, die benötigt wird, um eine tödliche Anzahl an Kugeln auf den Gegner abzufeuern) ist deutlich niedriger. Ob das gut oder schlecht ist, darin scheiden sich in der CoD-Fangemeinde seit Jahren die Geister.
Zudem lassen sich in Vanguard bestimmte Punkte der Map zerstören. So kann man eine Holzbarrikade wegschießen, so dass die Sicht auf Gegner frei wird. Von der Zerstörung eines "Battlefields" ist Vanguard aber weit entfernt. Auf vielen Karten haben die zerstörbaren Objekte auch kaum eine Auswirkung auf den Verlauf einer Partie.
Dass die Anzahl der Waffenaufsätze nicht mehr limitiert ist, stellt eine der größten Neuerungen dar. Jeder Waffe stehen zehn Plätze für Dinge wie alternative Magazine, Visiere oder Läufe zur Verfügung. Jeden davon können wir jeweils mit einem Aufsatz bestücken.
Ausgeglichen wird die Menge an Aufsätzen dadurch, dass jetzt fast jeder auch negative Aspekte mit sich bringt. Viele davon sogar mehrere, teils drastische Nachteile. Das System bietet viele Freiheiten - und motiviert uns, mit verschiedenen Kombinationen zu experimentieren.
Ob sich das auf Dauer bewähren wird, lässt sich noch nicht sagen. Die Vielzahl möglicher Kombinationen birgt die Gefahr, dass einige davon zu stark werden.
Waffen-Balance: Zum Launch frustrierend
Damit sind wir auch schon bei einem großen Problem, mit dem Vanguard aktuell noch zu kämpfen hat: Die Spiel-Balance. Derzeit sind einige wenige Waffen im Spiel viel zu stark. Vor allem die STG44 und die MP40 stellen mit den richtigen Aufsätzen alles in den Schatten.
Während vollautomatische Waffen im Normalfall drei bis vier Schüsse brauchen, um einen Gegner niederzustrecken, reichen bei diesen Waffen zwei Treffer. Das führt oft zu Frust, weil man selbst in normalen Runden so schnell umfällt, als würde man den "Hardcore"-Modus spielen.
Auch das als große "Revolution" angekündigte "Combat Pacing" macht derzeit noch Probleme. Es lässt uns einzustellen, mit wie vielen Spielern wir in eine Partie geworfen werden. Anders als in früheren Teilen ist das nicht von der jeweiligen Multiplayer-Karte abhängig. Stattdessen stehen uns die drei Filter-Optionen "Taktisch", "Angriff" und "Blitz" zur Verfügung. In "Taktisch"-Matches trifft man dabei auf die wenigsten, in "Blitz"-Partien auf die meisten andere Spieler.
In der Theorie ist dieses System nicht schlecht. Praktisch funktioniert es aber noch nicht. Regelmäßig wird man, trotz eines ausgewählten Filters, in Matches mit mehr oder weniger Spielern geworfen. Das nervt höllisch, weil sich die Gameplay-Erfahrung je nach "Pacing" fundamental unterscheidet.
Wer eine klassische Sechs-gegen-Sechs-Partie spielen möchte, dafür den "Taktisch"-Filter wählt, dann jedoch in einer "Blitz"-Schießbude mit 24 Spielern auf jeder Seite landet, verliert schnell die Lust am Spielen.
Spawn-Punkte aus der Hölle
Dazu kommen noch Probleme bei der Suche von Spielen. So wirft einen Vanguard ständig in Partien, die schon zur Hälfte um sind. Und ja, auch das bei vielen Spielern verhasste "Skill Based Matchmaking" (SBMM) gibt es wieder.
Das SBMM versucht sicherzustellen, dass alle Spieler in einem Match ungefähr gleich gut sind. Das führt allerdings oft dazu, dass man schon nach einer Runde, in der man viele Kills gemacht hat, in eine Partie geworfen wird, in der man kein Land sieht. Einfach, weil das SBMM die Fähigkeiten des Spielers höher einschätzt als sie tatsächlich sind und ihm dementsprechend viel stärkere Gegner vorsetzt.
Das Spawn-System in Vanguard ist ebenfalls ausbaufähig. Oft steht man nach einem Tod direkt in der gegnerischen Schusslinie wieder auf, hat keine Zeit zu reagieren - und segnet erneut das Zeitliche.
Weil die Spawns auch nicht so dynamisch wechseln wie etwa in "Black Ops Cold War", kann es auf manchen Maps dazu kommen, dass sogenannte Spawn-Traps entstehen. Heißt: Das gegnerische Team kann Punkte der Karte halten, an denen man ihm aus dem Spawn direkt in die Arme laufen muss.
Die meisten der insgesamt 16 Maps, die zum Start zur Verfügung stehen, sind jedoch gut gelungen. Viele erfordern unterschiedliche Herangehensweisen. Während etwa auf "Das Haus" aggressives Vorgehen meist belohnt wird, muss man auf "Demyansk" aufpassen, nicht von gut versteckten Spielern abgeschossen zu werden.
Am wenigsten Spaß hatten wir während unseres Tests auf "Red Star". Zum einen, weil es dort schneit, was die Sichtbarkeit deutlich einschränkt, zum anderen, weil ein Großteil der Karte zu offen gestaltet ist. Dadurch entsteht viel Fläche, auf der man sehr schnell entdeckt und auch aus großer Entfernung problemlos ausgeschaltet werden kann.
Keine Fraktionen – kein Problem? Doch!
Viele der genannten Ärgernisse - Waffen-Balance, Spieler-Suche, Spawns - dürften die Entwickler mit Patches in naher Zukunft beheben. Teilweise hat Sledgehammer Games auch schon erste Verbesserungen implementiert, die sich auch deutlich bemerkbar machen.
Schwieriger dürfte das bei einem anderen Problem werden. Denn in Vanguard sehen Gegner und Teammitglieder gleich aus. Beide Seiten eines Matches greifen auf dieselben, Operatoren genannten Spielfiguren zurück. Weil Freund und Feind sich deshalb visuell nur noch durch farbliche Markierungen über den Köpfen unterscheiden lassen, ist es schwierig zu erkennen, ob man gerade vor einem Gegner steht oder nicht.
Die Entwickler haben bereits mitgeteilt, dass man sich dieses Umstands bewusst sei und an einer Lösung arbeite. Aber solange man nicht wieder Fraktionen einführt, bei denen sich die Operatoren klar voneinander unterscheiden, dürfte das Problem, wenn auch in vielleicht abgeschwächter Form, weiter bestehen.
Dass man sich für dieses Design entschieden hat, dürfte auch an dem neuartigen "Operator"-System liegen. Die Modelle der Spielfiguren sind nämlich nicht mehr nur kosmetischer Natur. Stattdessen kann man die einzelnen Operatoren nun aufleveln, womit man Belohnungen freischaltet.
Besonders praktisch ist, dass jeder von ihnen eine Lieblingswaffe hat. Spielt man den Operator zusammen mit seiner Lieblingswaffe, bekommt man einen zehnprozentigen Bonus auf die gesammelte Erfahrung. Das macht den Leveling-Prozess spürbar schneller. Nur schade, dass es nicht genügend Operatoren für alle Waffen im Spiel gibt.
Fazit: Vanguard sticht nicht heraus - weder positiv noch negativ
"Call of Duty: Vanguard" wartet mit einer gut inszenierten Kampagne auf, die aber große Schwächen in ihrer Geschichte aufweist. Der Zombie-Modus ist zu eintönig, um Spieler lange zu binden.
Beim Herzstück des Spiels, dem Multiplayer, sucht man wirkliche Innovation mit der Lupe. Wer also mit den letzten CoDs schon wenig anfangen konnte, der wird auch hier nicht begeistert sein. Andererseits wünschen sich viele Fans der Reihe genau das Erlebnis, das Vanguard bietet: schnelle Multiplayer-Matches, bei denen eher Reflexe und Treffsicherheit als Taktik gefragt sind.
Auch wenn das Spiel aktuell noch von Balancing-Problemen geplagt wird, ist Vanguards Multiplayer eine so spaßige Ballerbude wie eh und je. Mehr aber auch nicht.
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