Studium in Wien oder Berlin? Arbeiten in Vollzeit oder Teilzeit? Kinder mit 30, 40 oder gar nicht? Die "Generation Vielleicht" sieht sich in allen Lebenslagen mit Fragen konfrontiert, denen sie oft ratlos gegenübersteht. Schuld daran ist Überforderung, aber auch wir selbst.

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Generation Praktikum, Generation Y, Generation Vielleicht: Es hat den Anschein, als ob jedes soziale Phänomen bald seine eigene Generation erhält, sei sie auch noch so klein. Und doch ist etwas dran, wenn Autor Oliver Jeges in seinem 2012 erschienen Buch "Generation Maybe" den Mitte-20- bis Mitte-30-Jährigen Entscheidungsunfähigkeit und eine gewisse Ablehnung gegenüber dem Erwachsenwerden unterstellt.

Wer es sich leisten kann, zwischen mehreren Optionen zu wählen, ist deswegen nicht zwangsweise glücklicher und schon gar nicht entscheidungsfreudiger. Das ist im Marketing seit langer Zeit bekannt. Zu viele Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren Marken eines Produktes können den Kunden so sehr überfordern, dass er unter Umständen gar keines kauft. Warum sollte das bei wichtigeren Entscheidungen anders sein? Um aber dem Kernproblem der Generation Vielleicht auf den Grund zu gehen, lohnt es sich, einen polemischen Blick auf die Lebenskrisen eines Paradeexemplars zu werfen.

Akademiker sind ganz vorn dabei

Wer sich in seinem Freundes- und Bekanntenkreis umsieht, wird schnell feststellen, dass Entscheidungsunfähigkeit vor allem Akademiker heimsucht. Besonders solche, die auch nach dem Studium den urbanen Raum suchen und im Idealfall ein so substanzloses Studium wie Kultur- oder Kommunikationswissenschaft abgeschlossen haben. Diese Kombination ist Segen und Fluch zugleich. Denn im Grunde stehen einem alle Türen offen.

Dank Stipendien, Förderungen und nicht zuletzt den Eltern ist es für Studierende heute besonders leicht, zwischen mehreren Universitäten auf unterschiedlichen Kontinenten zu wählen. Man muss sich nur entscheiden. Doch damit fängt das Dilemma an: Ist das Fach wichtiger, oder doch die Universität? In L.A. lässt sich der Winter angenehmer verbringen als in Moskau. Andererseits wäre es doch gut, noch eine dritte Fremdsprache zu lernen. Auch ein Wechsel des Studienfachs ist heutzutage unproblematischer als noch vor 20 Jahren. Wer sich einmal für ein Fach entscheidet, kann jederzeit umsatteln. Mit Betonung auf jederzeit. Hilft nicht gerade dabei, seinen Platz in der Welt zu finden. Vor allem, weil der bestens bezahlte Einstiegsjob bei einer namenhaften NGO mit stets gut gelauntem Chef doch nicht auf der Straße liegt.

"Es MUSS doch jemanden geben"

Zum Glück ist der Beruf nicht alles. Da kann man durchaus froh sein, einen Partner gefunden zu haben, bei dem zu 94 Prozent alles passt. Natürlich wären 98 Prozent besser. Und wenn man genauer darüber nachdenkt, MUSS es doch jemanden geben, der die 100 Prozent erfüllt. Gut, im Bekanntenkreis befindet sich diese Person offensichtlich nicht, aber schon mal etwas von diesem Internet gehört, von dem immer alle reden? Oder sollte man sich wirklich schon mit dem elften Partner in acht Jahren zufrieden geben?

Wer kann denn ernsthaft glauben, dass sein Seelenverwandter ausgerechnet in derselben Stadt wohnt? Wie wär's stattdessen mit... New York! Eine Beziehung ist doch umso interessanter und romantischer ist, je mehr Kilometer sich zwischen den Beteiligten befinden. Besucht man sich, ist alles irgendwie entspannter. Zuhause kann man später wieder alles so machen, wie man möchte. Dort hat man seine Ruhe, und ereilt einen die Sehnsucht nach Zweisamkeit, ist – je nach Bedarf – der per Video zugeschaltete Partner am anderen Ende der Welt oder das Date für die Nacht nur einen Mausklick entfernt. Entscheidungsschwierigkeit gelöst: Man kann doch alles haben.

Essen-on-demand, Freunde-on-demand, Beziehung-on-demand

Wenn man langsam anfängt, sich Gedanken über Familienplanung zu machen, sieht man irgendwann doch ein, dass eine Beziehung-on-demand wohl nicht der geeignete Rahmen dafür ist. Zumindest nicht, solange es kein Teilzeit-Kind gibt. Aber möchte man überhaupt Kinder? So wirklich? Die Pro-Liste beim Kinderkriegen ist ziemlich kurz. Schließlich läuft nach dem dritten Praktikum nun endlich die Karriere an. Welche Frau möchte Anfang 30 ihren Aufstieg für die Kindererziehung unterbrechen, und welcher Mann glaubt ernsthaft noch, dass ihn seine Frau völlig der Pflicht enthebt?

Es stimmt also: Die Generation Vielleicht muss sich mit Entscheidungen herumschlagen, die es früher nicht zu treffen galt. Ehe und Familie sind heute keine alternativlose Konvention mehr, sondern nur noch einer von vielen Lebensentwürfen. Einer, für den man sich entscheiden kann. Und zwar nicht nur mit 20, sondern auch noch mit 30, 40 oder 70. Oder man kann eben nicht.

Nur wer sich verunsichern lässt, hat Angst, sich zu entscheiden. Es ist die Angst davor, sich festzulegen und nicht das optimale Ergebnis zu erzielen. Bloß weil man zwischen tausenden von potenziellen Partnern wählen kann, heißt das nicht, dass es den perfekten gibt. Auch Karrierewege tun sich auf, weil man bereit ist, sich auf Ungewisses einzulassen.

Kein Grund zur Panik

Ja: Die Generation Vielleicht gibt es. Und ja: Sie hat noch nicht gelernt, mit ihren Entscheidungsfreiheiten umzugehen. Es kann durchaus sein, dass Lehrer und Eltern es verpasst haben, sie entsprechend vorzubereiten. Doch ist das kein Grund für Selbstmitleid. Schlussendlich sind es die "Maybes" selbst, die sich die Last der Entscheidungsunfähigkeit auferlegen - indem sie krampfhaft versuchen, stets optimale Ergebnisse zu erzielen. Damit stehen sie sich selbst im Weg.

Es gibt junge Menschen, die wussten schon mit sieben, dass sie Ärztin oder Arzt werden wollen. Wiederum andere sind froh, wenn sie überhaupt einen Lehrplatz und die Aussicht auf einen krisensicheren Arbeitsplatz erhalten. Entscheidungsprobleme bei der Berufswahl sind für sie ein Luxusproblem. Wer bereit ist, Konsequenzen zu tragen, dem wird es leichter fallen, überhaupt Entscheidungen zu treffen. Und er wird ein Gespür dafür entwickeln, wann es tatsächlich an der Zeit ist, eine neue zu treffen, ohne die alten bereuen zu müssen.

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